Spanien: 500 Räumungsbefehle pro Tag
Jeden Tag erhalten in Spanien mehr als 500 Mieter die behördliche Order, ihre Wohnungen zu verlassen. Im Weigerungsfalle wird Zwangsräumung angedroht.
Dieser Vorgang ist für die Bürger des großen iberischen Landes nichts Neues: Seit 2007 wurden in Spanien 420 000 Einzelpersonen oder Familien zur Räumung ihrer Quartiere aufgefordert und auf Verlangen der Banken 220 000 vom Staat angeordnete Exmittierungen vollstreckt. Neben der weiter ansteigenden Arbeitslosigkeit – sie hat bereits die 25-Prozent-Marke überschritten – ist die Angst der Hausbesitzer und Wohnungsinhaber das zweite über den Spaniern schwebende Damoklesschwert.
Die enorme Zahl von Zwangsräumungen steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Tatsache, daß die nur auf zwei Jahre befristete Erwerbslosenunterstützung für immer mehr langfristig Betroffene ausläuft.
Zu Zeiten der Franco-Diktatur hatte deren für Bau- und Wohnungsfragen zuständiger Minister José Luis Arrese die Spanier zum Immobilienerwerb gedrängt. „Wir wollen ein Land der Hauseigentümer, nicht aber von Proletariern“, erklärte er 1957.
Doch erst Jahrzehnte später setzte in Spanien ein Grundstückserwerbsboom ein. Die Madrider Regierung sorgte 1995 für Gesetze, die solche Aktivitäten stimulierten. Während Baulöwen und Makler enorme Profite einstrichen, wuchs Spaniens Wohnungsbestand um 7 Millionen Einheiten. Ohne Unterlaß wurde verkündet, es gäbe keine gesichertere Geldanlage als Immobilien. Die Banken erleichterten vielen Spaniern den Zugang zu Hypotheken.
Im Ergebnis dieses jahrzehntelang von Madrid verfolgten Kurses zählen über 80 % aller Spanier zu den Haus- und Wohnungsbesitzern – ein Spitzenplatz in Europa.
Doch diese scheinbar strahlende Entwicklung fällt inzwischen Hunderttausenden, die ihre Hypothekenzinsen nicht entrichten können, knallhart auf die Füße. Hinzu kommt der Wertverlust des erworbenen Wohneigentums durch die in Spanien besonders aggressive Inflation.
Während die Zahl der Exmittierungen ständig zunimmt, stehen andererseits 20 % aller Wohnungen leer. Es handelt sich um 5,6 Millionen Quartiere. Doch immer mehr Spanier nehmen das schreiende Unrecht nicht passiv hin. Seit gut einem Jahr hat sich unter der Kurzbezeichnung PAH ein landesweiter Zusammenschluß formiert, der den Widerstand gegen behördlich angeordnete Exmittierungen koordiniert. Unterdessen zeigt die Kampagne „Stoppt die Zwangsräumungen!“ bereits Wirkung. Mehr als 550 von Ausweisung bedrohte Mieter konnten vorerst in ihren Wohnungen bleiben. Andererseits ist die PAH auch dazu übergegangen, leerstehende Quartiere zu besetzen.
Im April 2012 rief sie die Volksinitiative für ein Gesetz über das Verbot von Zwangsräumungen und die Einführung einer Sozialmiete ins Leben. Ende Januar konnte diese dem Madrider Parlament die bereits von anderthalb Millionen Spaniern unterzeichnete Petition übergeben. Mitte Februar überfluteten Hunderttausende Unterstützer die Straßen und Plätze von 50 spanischen Städten.
Dennoch nehmen die Zwangsräumungen ihren Fortgang. Nach Schätzungen dürften bis 2015 mindestens 430 000 Familien von dieser Form des kapitalistischen Terrors betroffen sein, wenn dem nicht noch energischer Einhalt geboten wird.
RF, gestützt auf „The Guardian“, Sydney
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