Stimmen aus aller Welt über die DDR
Solange der sozialistische deutsche Staat, die DDR, existierte, haben sich immer wieder Persönlichkeiten aus der ganzen Welt bei oder nach Besuchen über die DDR geäußert. Zum 30. Jahrestag am 7. Oktober 1979 hat die Auslandspresseagentur Panorama DDR über hundert solcher Stellungnahmen in einem Buch vereint. Entstanden ist so ein Mosaik persönlicher Erfahrungen und Erkenntnisse, die jeweils ein Stück gesellschaftlicher Wirklichkeit widerspiegeln. Stellvertretend für die anderen veröffentlichen wir hier einige dieser Äußerungen; Älteren zur Erinnerung, Jüngeren zur Verdeutlichung dessen, was die DDR für die Welt – und für uns – war.
David Alfaro Siqueiros
Maler und Graphiker, Mexiko (1896–1974)
Ich werde nach der Rückkehr in meiner Heimat, in Kanada und anderen Ländern von meinen Eindrücken über die Deutsche Demokratische Republik berichten. Ich werde davon berichten, daß in diesem Staat dank der neuen Verhältnisse und einer konsequenten Politik der faschistische Ungeist der Hitler-Ära völlig verschwunden ist – und auch darüber, wie die alten Kunstschätze gehütet und gepflegt werden. Es ist bemerkenswert, auf welch gelungene Weise zum Beispiel in Berlin die klassischen Formen der Baukunst mit den modernsten Bauten verschmolzen sind.
Ich werde meine Künstlerkollegen auffordern, diesen deutschen Staat, der aus Ruinen neu erblüht ist, zu besuchen und in seinem Streben nach Frieden und Gerechtigkeit mit voller Solidarität zu unterstützen.
Aus der Geschichte des mexikanischen Volkes / Wandbild von David Alfaro Siqueiros
Emilio Zapata
Lithographie von David Alfaro Siqueiros
Prof. Mario Vieira de Carvalho
Musikwissenschaftler, Portugal
Wenn wir der Freiheit einen sozialen Inhalt geben, so geschieht dies durch die Garantie der Gleichheit der Menschen in bezug auf die Möglichkeiten, in Übereinstimmung mit dem historischen Entwicklungsstadium der Menschheit, glücklich zu leben. In diesem Zusammenhang besteht die erste Verantwortung einer organisierten Gesellschaft darin, ihren Mitgliedern ohne Unterschied von Geburt an die Mittel bereitzustellen, damit sie ihre Persönlichkeit entfalten und alle ihre Fähigkeiten entwickeln können. Es ist notwendig, den demokratischen Zugang zu den verschiedenen Ausbildungsebenen zu garantieren, damit kein Talent verlorengeht.
Während meines Aufenthaltes in der Deutschen Demokratischen Republik stellte ich fest, daß dies die Hauptsorge des Erziehungssystems ist. Auf musikalischem Gebiet wird in diesem sozialistischen Land kein Musiker daran gehindert, einer zu sein, wenn er es sein will. Noch mehr: Jeder außergewöhnlich begabte Musiker erhält die Anregung und Unterstützung, die er braucht, um sich in seinen Möglichkeiten zu vervielfachen und zu steigern.
In der DDR ist die Musikausbildung fester Bestandteil der ästhetischen Erziehung. Sie wird als ein entscheidender Faktor für die Entwicklung der schöpferischen Potenzen, insbesondere des Vorstellungsvermögens des Menschen auf allen Gebieten der Kultur, der Wissenschaft und der Technik gefördert. Demzufolge erhalten alle Kinder, im Kindergarten angefangen bis hin zur Beendigung der allgemeinen Pflichtschulzeit (zehn bzw. zwölf Schuljahre) eine Grundausbildung in Musik. Es werden ihnen Notenkenntnisse vermittelt, sie werden im Chorgesang und im Anhören von Musikwerken geschult. Darüber hinaus ist die musikalische Aktivität unter allen Schichten der Bevölkerung weit verbreitet. So gibt es in den Schulen und Pionierhäusern mehr als 10 000 Musikgruppen verschiedenster Art, einschließlich Instrumentalgruppen. Neben den 15 Singakademien und Philharmonischen Chören existieren über 5000 Laienchöre, ebenso viele Tanzorchester und kleine Gruppen verschiedener Genres, die sich ausschließlich aus Laien zusammensetzen. Unabhängig von der Grundausbildung in Musik kann sich jedes Kind, jeder Jugendliche und jeder Erwachsene in eine der 90 Musikschulen eintragen, um seine theoretischen Kenntnisse zu vertiefen und ein Instrument spielen zu lernen, ganz gleich, ob jemand später einmal beruflich in der Musik arbeiten oder die Musik als Laie pflegen möchte. Bis 1990 ist vorgesehen, in jedem regionalen Gebiet kleinster Abmessung eine solche Musikschule zu eröffnen.
Ich war auch in einer der vier Musikhoch-schulen der DDR, genauer gesagt in der Musikhochschule in Leipzig, die den Namen von Felix Mendelssohn Bartholdy, ihrem Begründer, trägt. Auf dem Treffen mit dem Rektor, Gustav Schmahl, einem bemerkenswerten Geiger, dem Professor für Kulturtheorie Löwenberger und mit einigen Studenten hatte ich die Möglichkeit, mir einen Überblick über die Ausbildungsorganisation auf dieser Ebene zu verschaffen.
Besonders interessant war für mich, kennenzulernen, wie man in der DDR so früh wie möglich die begabtesten Kinder fördert und zur Entwicklung ihrer Fähigkeiten beiträgt. Hier spielen die vier Musikfachschulen, die eng mit den vier Hochschulen zusammenarbeiten, eine bedeutende Rolle. Kinder, die außergewöhnliche musikalische Fähigkeiten entwickeln, werden gebeten, vom elften Lebensjahr an in diesen Schulen zu studieren, wo ein intensives Musikprogramm gelehrt wird. Gleichzeitig erhalten die Schüler den Stoff der allgemeinbildenden Schulen vermittelt. Um ihre Überbelastung zu vermeiden, wird die Schulzeit um ein Jahr verlängert.
Ich besuchte die Fachschule in Halle, die mit der Hochschule in Leipzig verbunden ist, wo ich vom Direktor Dr. Werner Lemp empfangen wurde und die Gelegenheit hatte, mit einem jungen „Komponisten“ von 14 Jahren zu sprechen. Es handelt sich um einen Angehörigen einer Testklasse, in der Schüler von 12 Jahren an mit besonderer Begabung für Komposition lernen. Ein Aspekt erschien mir besonders wichtig. Die Gruppen – beispielsweise der Musiktheorie – sind nicht altersmäßig, sondern entsprechend den Fähigkeiten der Schüler zusammengesetzt. Auch hier wurde mir überzeugend bewiesen, daß in der DDR kein außergewöhnlich begabter Musiker darauf verzichten muß, die Unterstützung und Anregungen zu nutzen, die er braucht, um sich in seinen Möglichkeiten zu vervielfachen und zu steigern.
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