RotFuchs 229 – Februar 2017

Stimmen aus aller Welt über die DDR
(Folge 8)

RotFuchs-Redaktion

Solange der sozialistische deutsche Staat, die DDR, existierte, haben sich immer wieder Persönlichkeiten aus der ganzen Welt bei oder nach Besuchen über die DDR geäußert. Zum 30. Jahrestag am 7. Oktober 1979 hat die Auslandspresseagentur Panorama DDR über hundert solcher Stellungnahmen in einem Buch vereint. Entstanden ist so ein Mosaik persönlicher Erfahrungen und Erkenntnisse, die jeweils ein Stück gesellschaftlicher Wirklichkeit widerspiegeln. Stellvertretend für die anderen werden wir in den nächsten Monaten einige dieser Äußerungen veröffentlichen; Älteren zur Erinnerung, Jüngeren zur Verdeutlichung dessen, was die DDR für die Welt – und für uns – war.

Prof. Hugo Huppert (1902–1982)

Prof. Hugo Huppert (1902–1982)

Schriftsteller, Österreich

Was mich mit der DDR verbindet, ist eine zunächst rein menschliche Angelegenheit. Gerade im deutschsprachigen Raum war vieles im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte so ganz und gar nicht in Ordnung. Es führte dazu, daß sich im Herzen Europas etwas entwickelte, was an mögliche Angstträume früherer Generationen reichte, nämlich eine Gangsterwelt von Menschenfeinden, die die Macht ergriff über die Menschenfreunde. Diese Formulierung ist sicher keine politisch absolut einwandfreie Umschreibung des deutschen Nationalsozialismus, des Naziwesens, des Hitlertums. Ich will nur sagen, daß dies tatsächlich etwas gemein hatte mit Angstträumen der Menschheit. Nun ist dieser Angsttraum überwunden – furchtbarste Menschenopfer, sowohl bei den Überfallenen und vergewaltigten Völkern als auch beim deutschen Volk sind zu beklagen. Neu ist die Gründung einer Staatsmacht, eines Staatswesens deutscher Zunge, das ganz frei ist von allen Formen des Nationalismus, die zum imperialistischen Faschismus geführt haben. Diese ungeheuer wichtige Neuerscheinung im Geschichtsbild Europas gibt mir Stoff nicht nur zum Nachdenken, sondern auch zum Schreiben.

Was mich heute am meisten bewegt, wenn ich den Boden dieses Staates betrete? Ich könnte nicht sagen, daß die Menschen anders aussehen oder sich anders kleiden als in anderen Ländern, aber ihr Verhältnis untereinander bis hin zu den Beziehungen in der Produktion und zwischen Stadt und Land ist für mich so auffallend anders, daß ich sage, der Sozialismus hat nicht nur das Gesicht, er hat das Profil des Menschen verändert. Die entwickelte sozialistische Gesellschaft tritt uns hier auch in der Familie entgegen; sogar in den Zusammenhängen, den Widersprüchen und Ausgleichshandlungen zwischen den Generationen, die heute leben und arbeiten in diesem Land, entdecke ich immer neue Züge. Ich stelle fest, daß sich zwischen Eltern und Kindern, zwischen Geschwistern und Kollegen ein objektiv gerechteres Verhältnis einlebt und einbürgert, als es heute in den kapitalistischen Ländern zu beobachten ist. Es ist ein Aufstieg. Dieses Wort umfaßt auch die kulturelle Entwicklung bis hinein in die Psyche der Menschen, die sich Bürger der DDR nennen. Der Stolz auf diese Entwicklung, die Sicherheit, die sie haben vor schweren wirtschaftlichen und sozialen Krisen, die andere Länder heute durchmachen, fällt dem ausländischen Besucher hier sofort ins Auge.

Ion Popescu Gopo (1923–1989)

Ion Popescu Gopo (1923–1989)

Trickfilmregisseur, Rumänien

Von früher Kindheit an haben mich die schönen deutschen Märchen gefesselt. Meine Phantasie trug mich durch hohe Tannenwälder voll von legendären Helden in eine Welt, in der die gute Tat immer ihre Belohnung fand. Gemeinsam mit meinem Vater habe ich mir viele deutsche Filme angeschaut. Zutiefst war ich von Murnaus „Faust“ beeindruckt, und das Nachdenken darüber brachte mich viel später dazu, einen Film „Faust im 20. Jahrhundert“ zu machen. Faust und den Spuren Goethes galt auch meine erste Reise in die DDR.

Ich war zum Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmfestival eingeladen worden. Gleich am ersten Abend speisten wir in Auerbachs Keller, und meine Gastgeber zeigten mir den Ort, wo der große Goethe die Anregungen für das bedeutendste Werk aller Zeiten empfing. Erinnerungen wühlten mich auf, Gelesenes kam mir in den Sinn. Über alles diskutierte ich mit den Filmschöpfern aus der DDR, und mein großer Kummer war, daß ich dazu einen Dolmetscher brauchte. Dieser erste Eindruck, dieser unmittelbare Kontakt mit Leipzig, den Künstlern, mit der unermeßlichen Kultur der Vergangenheit, auf die sich die Leidenschaft und Hingabe der Gegenwart gründet, wurde mir bei allen meinen Besuchen in der Deutschen Demokratischen Republik immer wieder bestätigt. Voller Anerkennung betrachte ich heute die Bauten, die neuen Industriekomplexe, den allgemeinen Fortschritt des Volkes. In jeder Stadt, jeder Familie, die ich besucht habe, werden die Erfolge sichtbar, die dieses fleißige Volk erzielt hat. Als Mann des Films, von Haus aus bildender Künstler, sehe ich bewundernd den Aufschwung der Künste, die Museen in Leipzig, die Gemäldegalerie in Dresden, die Ausstellungen im Palast der Republik.

Viele Beobachtungen aus der DDR stehen in meinen Notizbüchern und sehr viele Zeichnungen: Bilder von Menschen auf der Straße, in Parks, Mütter mit rotbackigen Kindern, hochgewachsene Jugendliche, Sportler. Ich weiß, glaube ich, viel über die Kunst und Kultur des deutschen Volkes, und dennoch, jedesmal wenn ich die DDR besuche, entdecke ich wieder Neues, weil es eine sich ständig erneuernde, im unaufhaltsamen Wachstum begriffene Gesellschaft ist.