Trump droht Kuba mit neuer Eiszeit
Berechnender Geschäftsmann oder unberechenbarer Politiker? Die Wahl des exzentrischen Milliardärs Donald Trump zum 45. US-Präsidenten stellt den Prozeß der Normalisierung der Beziehungen zwischen der Großmacht und dem sozialistischen Kuba in Frage. Denn der rechte Demagoge Trump tutet laut ins Horn der Castro-Gegner und ist seit längerem als Unterstützer des Wirtschafts-, Finanz- und Handelsembargos, mit welchem Kubas Regierung in die Knie gezwungen werden sollte, bekannt.
Der neue Kurs des Weißen Hauses ermöglichte im Sommer 2015 eine Wiederaufnahme voller diplomatischer Beziehungen. Nach 88 Jahren war im März 2016 mit Barack Obama erstmals wieder ein US-Präsident zum Staatsbesuch in Havanna. Punktuell konnten bei Verhandlungen in einer bilateralen Kommission Fortschritte etwa in der Zusammenarbeit bei Umweltschutz und Meteorologie, bei der Bekämpfung des organisierten Verbrechens und im Katastrophenschutz bei der Ölförderung erreicht werden. Mit der Aufhebung einzelner Embargobestimmungen durch Präsident Barack Obama wurde die 1959 verhängte und mehrfach verschärfte Blockade etwas gelockert. Pharmazeutische Unternehmen aus Kuba erhalten Zugang zum US-Markt. Schiffe, die zuvor in Kuba angelegt haben, können von der 180-TageFrist ausgenommen werden, in welcher sie bislang danach keinen Hafen in den USA anlaufen durften. US-Firmen können in bestimmte Infrastrukturprojekte auf der Insel, vor allem bei Energie und Kommunikation, investieren. Und Kuba-Besucher aus den Staaten dürfen nun soviel Rum und Zigarren mit nach Hause nehmen, wie sie tragen können.
Washingtons neue Filzlatschentaktik zur Förderung eines politischen Wandels in Havanna kommt Kuba wirtschaftlich zugute – und dies in einer Zeit, in der sein engster Verbündeter und Hauptöllieferant Venezuela mit eigenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten hart zu kämpfen hat und sich einer aus dem Ausland geförderten politischen Destabilisierungskampagne ausgesetzt sieht. Brasilien, wohin Tausende kubanische Ärzte entsendet wurden, ist nach dem parlamentarischen Putsch gegen die linke Präsidentin Dilma Rousseff im Lager der Feinde gelandet. Dessen neue Regierung unter Präsident Michel Temer wird von Havanna nicht einmal anerkannt. Brasilianische Firmen spielen eine wichtige Rolle beim Ausbau von Kubas Sonderwirtschaftszone Mariel mit dem dortigen Containerhafen als Kernstück.
Infolge von Obamas Dekreten haben Geldüberweisungen aus dem Ausland nach Kuba zugenommen. Hunderttausende kubanische Emigranten und auch US-Bürger nutzten bereits die erleichterten Reisemöglichkeiten, obwohl rein touristische Besuche nach wie vor offiziell nicht erlaubt sind. US-Fluggesellschaften bieten erstmals wieder Direktverbindungen an.
Der Tourismus ist für Kuba seit der schweren Krise Anfang der 90er Jahre einer der wichtigsten Devisenbringer. Als Reiseland ist Kuba in aller Welt gerade angesagt wie nie zuvor. 2016 wurden erstmals mehr als vier Millionen Besucher gezählt, was die Branche bei begrenzten Kapazitäten vor große Herausforderungen stellt. Etliche Hotels sind renovierungsbedürftig oder erst im Bau, Investoren zur Erweiterung der touristischen Infrastruktur werden dringend gesucht. Bei einem knappen Warenangebot und einer landwirtschaftlichen Produktion, die den Bedarf der eigenen Bevölkerung an Lebensmitteln längst nicht decken kann, ist man auch hier auf Importe angewiesen.
Mit den eigenen Wirtschaftsreformen geht es stückweise voran, eine Schocktherapie hat Kubas Regierung stets ausgeschlossen. Neue Selbständige und private Kooperativen sorgen bereits für mehr Dynamik. Ohne Geld von außen sind viele der Startups allerdings nicht denkbar. An der heiklen Abschaffung der sozial spaltenden Doppelwährung aus kubanischem und konvertiblem Peso, von Präsident Raúl Castro Ende 2013 zum strategischen Ziel erklärt, wird von Experten seit Jahren gearbeitet. Vor allem die Erfahrungen Vietnams werden dabei herangezogen. Auch für diesen Schritt ist wirtschaftliches Wachstum und ein politisch stabiles Umfeld von großer Bedeutung.
Noch bevor der neue Mann ins Weiße Haus einzog, zerschlug er bereits viel Porzellan und ging auf Konfrontation. Trumps Jubel auf Twitter über den Tod von Kubas Revolutionsführer Fidel Castro Ruz war für viele Kubaner ein unerhörter Affront. Der neue US-Präsident kündigte eine härtere Linie gegenüber Havanna an. Trump verweist gern darauf, daß er Obamas Dekrete wieder einkassieren könne, „sofern das Castro-Regime unsere Forderungen nicht erfüllt“. Sein Vorgänger hätte einen „schlechten Deal“ gemacht, das Embargo ohne politische Zugeständnisse gelockert. Seine Regierung würde alles nur Mögliche tun, damit „das kubanische Volk endlich seinen Weg zu Wohlstand und Freiheit“ gehen könne. Trump hält es sich offen, ob er überhaupt einen US-Botschafter für Havanna ernennen wird. In sein Übergangsteam berief er mit Mauricio Claver-Carone einen der schärfsten Falken aus der Pro-Embargo-Fraktion der US-Kubaner.
Wie weit die Drohungen nur eine Trump-Show für einen Flügel seiner Republikanischen Partei und für exilkubanische Kreise sind, muß sich noch zeigen. In Unternehmerkreisen träfe eine Rücknahme der Obama-Dekrete auf viel Widerstand. Trumps eigene Hotelkette ließ vor einigen Jahren die Möglichkeiten auf dem kubanischen Markt sondieren. Schadenersatzforderungen wären von den dort bereits mit Millioneninvestitionen eingestiegenen Konzernen zu erwarten. Und vor allem viele jüngere Kubanischstämmige in den USA machen sich längst mehr aus ihren Angehörigen auf der Insel als aus einem dortigen „regime change“. Eine erneute Einschränkung der Reisemöglichkeiten wie einst unter George W. Bush käme auch in ihrer Hochburg Florida nicht gut an. Ein konfrontativer Kurs gegenüber Havanna würde zudem das Verhältnis der Trump-Regierung zu Moskau eintrüben. Rußland hat die ökonomischen und sonstigen Beziehungen zu Kuba in den vergangenen Jahren wieder deutlich intensiviert.
Aus Trumps Haltung in der Kuba-Frage spricht nicht zuletzt ein Mangel an politischer Erfahrung und historischer Kenntnis. In Havanna verursacht sie keinerlei Panik. Mit US-Regierungen hat man schon einiges durch. Und vielleicht hört ja beim Geld die Feindschaft auf. Jeder Versuch, Kubas Souveränität in Frage zu stellen und dessen Führung zu bevormunden, wäre zum Scheitern verurteilt. Diese Erfahrung durfte auch die Europäische Union machen, die mit ihrem „Gemeinsamen Standpunkt“ in Havanna auf Granit biß. In dem Papier aus dem Jahr 1996 war die politische und wirtschaft-
liche Zusammenarbeit mit dem Ziel eines Systemwechsels, der Rückkehr Kubas zum Kapitalismus, verknüpft worden. Anfang Dezember 2016 wurde es zu Grabe getragen. An seine Stelle tritt nach mehrjährigen Verhandlungen nun ein Kooperationsabkommen, das den handelspolitischen Interessen beider Seiten dient und einseitige Forderungen durch den politischen Dialog auf gleicher Höhe ersetzt. Beim Thema Menschenrechte sollen, darauf legt Kuba wert, auch die sozialen und kulturellen nicht außen vor bleiben.
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