„Höhere Lebensqualität“ durch Genmais, Chlorhühnchen
und Hormonfleisch
TTIP – die neue Würgeschlinge
Made in U.S.A.
Seit Monaten wird in den Medien zu jeder Tages- und Nachtzeit die angebliche Glückverheißung aus vier großen Buchstaben der hinreichend abgerichteten Masse der BRD-Bevölkerung eingehämmert: TTIP – das ist die Abkürzung für Transatlantic Trade and Investment Partnership (Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft). Dabei geht es – vordergründig betrachtet – um den Abbau von Zöllen und Handelsbeschränkungen in den Beziehungen zwischen den USA und der EU.
Das weiterhin unter Bedingungen strengster Geheimhaltung ausgehandelte Vertragswerk, das vor allem USA-Konzernen und Banken, aber auch einigen maßgeblichen Sektoren des Monopolkapitals der BRD und anderer EU-Staaten Vorteile verschafft, dabei aber die Volksmassen hinten runterfallen läßt, soll Ende 2015 fertiggestellt sein.
Um was geht es? Zunächst einmal lag der sogenannte Freihandel schon immer im Interesse der Bourgeoisie. Er entsprach ihrem Verlangen nach Abbau den freien Warenaustausch beeinträchtigender Zollschranken. Solche Vereinbarungen sind inzwischen Legion. Doch erstmals treffen hier die beiden größten kapitalistischen Wirtschaftsblöcke – USA und EU – in dieser Form aufeinander. Das stößt in Kreisen des Industrie-, Handels- und Finanzkapitals einiger EU-Staaten auf heftigen Widerstand, da nicht alle Beteiligten in gleicher Weise von TTIP profitieren dürften. Nutznießer dieses heterogenen Verbundes sind nur die wirtschaftlich stärksten und am meisten exportorientierten „Partnerländer“ wie die BRD, die Niederlande und Österreich. Selbst Frankreich und Italien, vor allem aber Staaten wie Griechenland und Portugal, geraten noch mehr ins Hintertreffen.
Am 26. März 2014 hieß es in der Regierungserklärung von Angela Merkel zur Gesamtsituation der beiden großen Blöcke: „Europa und die USA erwirtschaften gemeinsam fast die Hälfte der weltweiten Wirtschaftsleistung. Fast ein Drittel des Welthandels wird über den Atlantik abgewickelt.“
Inhaltlich geht es nicht nur um den Abbau von Zöllen, sondern auch um die Beseitigung „nichttarifärer Handelshemmnisse“. Darunter sind Importquoten, vertragliche Exportbeschränkungen, technische Normen und Standards, Antidumpingmaßnahmen sowie Sozial-, Umwelt- und Datenschutzbestimmungen zu verstehen. Es handelt sich dabei ohne Ausnahme um Maßnahmen zur Abschirmung gegen überlegene Konkurrenten.
Zur Geschichte der TTIP: Am Jahresbeginn 2013 kündigte US-Präsident Barack Obama die baldige Aufnahme entsprechender Verhandlungen an. Damals steckten vor allem den Kapitalgewaltigen und deren jeweiligen Regierungen in Übersee wie im Europa der EU noch die verheerenden Auswirkungen der globalen Finanzkrise von 2007/08 in den Knochen. Washington ging es in dieser Situation vor allem darum, die EU-Staaten wieder stärker an die Kandare zu legen. Zugleich verfolgte die US-Führung – nicht zuletzt mit Blick auf den rasanten wirtschaftlichen Aufstieg Chinas, das für die ökonomischen Hegemoniepläne der stärksten imperialistischen Macht das Haupthindernis darstellt, auch das Ziel, durch abgesicherte Wirtschaftsbeziehungen mit dem Europa der EU die Hände in Asien freizubekommen. Man sollte zugleich aber nicht verkennen, daß sich das neue gigantische Projekt der beiden imperialistischen Blöcke explizit auch gegen Rußland richtet.
In der BRD reagierten die Unternehmerverbände euphorisch auf das TTIP-Projekt. In einer von der Bertelsmann-Stiftung in Auftrag gegebenen Studie hieß es z. B.: „Die USA und alle EU-Mitgliedsstaaten würden von einer umfassenden transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft in erheblichem Umfang profitieren.“ Da die USA und die EU wirtschaftlich ohnehin bereits miteinander verzahnt seien, erhoffe man sich „einen kräftigen Schub“. Demgegenüber forderten Merkel und Gabriel „mehr Transparenz“, wobei sie zugleich ihren „Wunsch nach Einbeziehung der Bürger“ vortäuschten. Doch die Kritik der Wissenden wächst. So warnte die Tufs Unversity im US-Bundesstaat Massachusetts) vor erheblichen Job- und Einkommensverlusten. In der EU würden etwa 600 000 Stellen wegfallen, verkündeten deren Ökonomen.
TTIP stelle einen Frontalangriff auf soziale Standards, das Arbeitsrecht, den Umweltschutz, eine nachhaltige Landwirtschaft und den Lebensstandard des überwiegenden Teils der Bevölkerung dar, erfuhr man von ATTAC. Im Ergebnis der Geheimverhandlungen werde es nicht nur zu massivem Demokratieabbau, sondern auch zu einem verschärften Angriff auf natürliche Ressourcen kommen. Bestimmte Lebensmittel, die von großen Teilen der EU-Bevölkerung abgelehnt würden, könnten dann völlig ungehindert auf den europäischen Markt strömen. Das betreffe Genmais und Hormonfleisch ebenso wie die nicht minder berüchtigten Chlorhühnchen.
Besonders dubios erscheint auch die geplante Einrichtung von internationalen nichtstaatlichen Schiedsgerichten für Streitigkeiten zwischen „Investoren“ und Staaten. Auch die bereits durchgesickerte Absicht, die Verträge durch ein generelles Austrittsverbot für unwiderruflich zu erklären, zerstört die souveränen Rechte der beteiligten Staaten und liefert sie der Willkür von Monopolen aus. „Konzerne schreiben Gesetze“, formulierte ATTAC und traf damit ins Schwarze. Lobbyismus über alles!, heiße fortan die Parole. Die Rolle von Parlamenten und deren Abgeordneten werde weiter degradiert.
Doch: Noch ist nicht aller Tage Abend, obwohl sich die „Arbeit“ der Unterhändler bereits ihrem Ende zu nähern scheint. Überall – besonders in Europa – wächst der Widerstand. Die machtvolle Münchner Demonstration gegen den Elmau-Gipfel signalisierte erhöhte Kampfbereitschaft auch in der BRD.
RF, gestützt auf „Arbeiterstimme“, Nürnberg
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