Rotarmist Arthur Pieck barg 1945 in Berlin
eine vergrabene Kassette der KPD
Über Leben und Tod
zweier Widerstandshelden
Charlotte wird 1906 in einer Berliner Arbeiterfamilie geboren, Erich 1907. Nach dem Volksschulbesuch erlernt das Mädchen den kaufmännischen Beruf und arbeitet als Kontoristin. Erich muß als Laufbursche und später als Hilfsarbeiter kärglich sein Brot verdienen. Oft sind beide ohne Einkommen. Im Arbeitersportverein „Fichte“ lernen sie sich kennen, demonstrieren sie mit den roten Sportlern gegen das Elend und die drohende faschistische Gefahr. 1930 treten beide der KPD bei. Sie heiraten im selben Jahr.
Nach der Machtauslieferung an Hitler wirken Erich und Charlotte, ihr Bruder Walter Schaewe sowie die Schwestern Annemarie Lerche und Gertrud Maykowsky – alle Mitglieder der Partei Ernst Thälmanns – im antifaschistischen Widerstand. Sie knüpfen abgerissene Verbindungen, übermitteln Parteibeschlüsse, kassieren Beiträge und verteilen illegale Schriften. 1934 helfen sie Bruno Leuschner bei Herstellung und Vertrieb der „Neuköllner Sturmfahne“. Garskes gewähren in ihrer kleinen Wohnung Illegalen oft wochenlang Unterkunft. Seit 1935 arbeitet Charlotte als Kontoristin bei der Firma Schapirograph. Diese stellt Vervielfältigungs- und Druckmaschinen her. Im Frühjahr 1934 bezieht die Familie eine Dreiraumwohnung in einem teilweise stillgelegten Fabrikgebäude. Diese eignet sich gut für Treffs. Der KPD-Funktionär Eugen Schwebinghaus, der die zentrale Leitung der Partei unterstützt, bewohnt dort ein Zimmer.
Charlotte gelingt es, ein Kopiergerät an einen „Wehrmachtsbetrieb“ außerhalb Berlins zu schicken, das Gerd Fischer, ihr Sohn aus erster Ehe – zerlegt und in 10 Paketen als Wurstmaschine deklariert – an der Gepäckausgabe des Schlesischen Bahnhofs empfängt. Er liefert es per Handwagen in der Gartensiedlung Johannisthal ab.
1938 qualifiziert sich Erich zum Technischen Zeichner. Drei Jahre später arbeitet er in diesem Beruf bei der Berliner Firma Argus, die Antriebsmittel für Hitlers „Wunderwaffe V1“ herstellt.
Seit Ende Januar 1942 wohnt Wilhelm Knöchel („Paul“) bei Garskes. Er gehört dem ZK der KPD an und leitet gemeinsam mit Alfred Kowalke und Robert Uhrig den landesweiten Widerstand. Sie unterhalten neben anderen Auslandskontakten eine ständige Verbindung zum ZK der KPD in Moskau, arbeiten nach dessen Direktiven und informieren die Genossen über die jeweilige Situation.
„Paul“ verfaßt die Zeitung „Der Friedenskämpfer“. Sie erscheint von Februar bis Dezember 1942 monatlich im Umfang von 8 bis 16 Seiten. In einem redaktionellen Kommentar bewertet er die jeweilige politisch-militärische Situation sowie die Stimmung der Bevölkerung. Er fordert zu Aktionen gegen den Krieg auf. Erich Garske entwirft den Kopf des kleinen Blattes und zeichnet für die meisten Ausgaben wirkungsvolle Titelbilder. So zeigt er den Tod in faschistischer Uniform, der sich mit einer Pistole in der Knochenhand über die mit vielen Grabkreuzen bedeckte Erdkugel beugt. Für die Januarausgabe 1943 skizziert Erich den „Führer“, der durch Stiefeltritte aus den Staaten der Antihitlerkoalition vornüber zu Boden stürzt. Die Texte schreibt Charlotte auf Matrizen, die sie aus ihrem Betrieb beschafft.
Am 30. Januar 1943 klingelt es gegen 22 Uhr heftig an Garskes Wohnungstür. Acht Gestapoleute dringen ein. Sie durchwühlen alles, ohne belastendes Material zu finden. Erich und „Paul“ werden sofort verhaftet, Gerd festgenommen, Charlotte täuscht einen Nervenzusammenbruch vor und kommt zunächst in die Heilanstalt Berlin-Lichtenberg.
Kurz danach fährt Elli Schaewe auf Umwegen zu Charlottes Schwester Gertrud. Sie verbrennen alles Schriftgut. Danach begibt sich Gertrud sofort zu Schwester Annemarie, in deren Wohnung sich eine Kassette der Operativen Leitung befindet. Beide Schwestern bringen sie zu einer entfernten Verwandten. Dieser gehört an der Friedländer Straße direkt hinter der Friedhofsmauer in Berlin-Adlershof ein Garten. Dort wickeln sie die Kassette in Ölpapier und vergraben sie beim Vorbau der Sommerlaube.
Während dieser Zeit besucht Elli ihre Schwägerin in der Nervenheilanstalt. Charlotte bittet dringend, aus ihrer Abstellkammer die Aktentasche hinter der Kartoffelkiste und die Kassette unter den Dielen zu bergen und sicher zu verwahren. Außerdem soll Elli von verschiedenen Telefonzellen aus Genossen anrufen und sagen: „Der Koffer ist verlorengegangen.“ Dazu muß sie vier Fernsprechnummern auswendig lernen. Es gelingt ihr, diesen Auftrag noch am selben Tag zu erfüllen. Die Genossen sind gewarnt!
Charlottes Sohn Gerd kommt nach einigen Wochen frei. Im März 1943 steigt der 16jährige Klempnerlehrling in Arbeitskleidung leise bis zur 4. Etage des Hauses, in dem er bis Januar mit seinen Eltern gewohnt hat, hinauf. Ihn sichern die mit Pistolen bewaffneten Walter Schaewe und Wilhelm Weidhöner. Es gelingt Gerd, in ihre Abstellkammer, einen stillgelegten Fahrstuhl, lautlos einzudringen. Die Aktentasche fehlt. Vorsichtig schiebt der Junge die Kartoffelkiste zur Seite, hebt die Dielen hoch, birgt die Kassette, wickelt sie in seine Arbeitsjacke und verläßt unbemerkt das Haus. Danach fährt er mit U-, S- und Straßenbahn kreuz und quer durch Berlin, bevor er sich in Schaewes Wohnung wagt, die nun auch sein Zuhause ist. Sie entscheiden, die Kassette aufzubrechen. Diese enthält Dokumente, Stempel und 15 000 Reichsmark. Das Geld verwahrt Walter sicher, Dokumente und Stempel vernichtet er.
Am 17. Februar wird auch Charlotte verhaftet. Der faschistische „Volksgerichtshof“ verurteilt sie und Erich Garske am 9. November 1943 zum Tode. Erich wird am 13. Dezember, Charlotte drei Tage später hingerichtet. Am 14. Juli 1944 ermorden die Faschisten auch Wilhelm Knöchel („Paul“).
Am 26. Juni 1945 sind Charlottes Schwestern Annemarie und Gertrud dabei, als ein Offizier in der Uniform der Roten Armee im Kleingarten an der Adlershofer Friedhofsmauer eine Kassette ausgräbt. Es ist Arthur, Wilhelm Piecks Sohn. Das Fundstück enthält 24 900 Reichsmark, die noch gültige Währung, und drei Dokumente, wie Arthur Pieck bescheinigt. Walter und Elli Schaewe übergeben die 15 000 RM aus Charlottes Kassette an Wilhelm Pieck.
In der DDR trugen zahlreiche Kollektive und Einrichtungen den Ehrennamen dieser aufrechten Kommunisten und Kämpfer für ein sozialistisches Deutschland.
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