RotFuchs 201 – Oktober 2014

Als Ankara im NATO-Auftrag
Zyperns territoriale Einheit zerschlug

Überfall auf die Insel der Aphrodite

RotFuchs-Redaktion

Der 20. Juli 1974 bleibt ein finsteres Datum in der Geschichte Zyperns. An jenem Tag landeten erste Einheiten der türkischen Streitkräfte im Norden der Insel. Als Vorwand nutzte Ankara die Behauptung, einem Putschversuch der rechtsextremistischen griechisch-zyprischen Terrororganisation EOKA-B begegnen zu müssen. Damit begann eine bis heute andauernde Okkupation mit Abtrennung von mehr als einem Drittel des Insel-Territoriums. In den folgenden Wochen wurden ständig neue Abteilungen der türkischen Armee an Land gebracht.

Was war dem vorausgegangen?

Am 15. Juli hatten EOKA-B-Terroristen im Zusammenwirken mit den in Athen auf ähnliche Weise ans Ruder gelangten „Schwarzen Obristen“ die Regierung des zum Staatschef gewählten Erzbischofs Makarios III. zu stürzen und den Präsidenten zu ermorden versucht. Das nur für einen Wimpernschlag der Geschichte ans Ruder gelangte Putschregime brach binnen acht Tagen zusammen. Die sich als Retter der Demokratie spreizenden türkischen Militärs aber spalteten die Insel der Aphrodite, wie Zypern genannt wird, einschließlich ihrer Hauptstadt Nikosia bis auf den heutigen Tag. Dabei spielte ihnen die chauvinistische Haßrhetorik der EOKA-Extremisten direkt in die Hände. Die westlichen Großmächte sahen diesem eklatanten Bruch des Völkerrechts gelassen zu. In NATO-Stäben begrüßte man – intern – den Einmarsch der Armee eines weiteren Mitgliedsstaates des Paktsystems, nachdem die Briten ihre auf Zypern nach der Kolonialzeit aufrechterhaltene Militärbasis massiv ausgebaut hatten.

Das Schicksal unzähliger Zyprioten, deren deutliche Mehrheit griechisch spricht, war nach der von Ankara befohlenen Invasion durch Leid geprägt. Die Besatzer verjagten 200 000 Inselbewohner aus ihren Häusern und machten sie zu Flüchtlingen im eigenen Land. Tausende verschwanden mit bis heute ungeklärtem Schicksal, nicht wenige leben seitdem auf türkisch besetztem Terrain in griechischsprachigen Enklaven.

Zypern war in der Geschichte wiederholt Streitobjekt imperialer Mächte. Erst 1960 errang es seine staatliche Unabhängigkeit. Doch die junge Republik blieb weiterhin im Visier „interessierter Kreise“. Besonders die strategisch bedeutsame Lage der Insel im östlichen Mittelmeerraum spielte dabei eine maßgebliche Rolle. Washington, London und Athen verpaßten dem souveränen Staat eine für ihn „maßgeschneiderte“ Verfassung. Die Türkei meldete bereits zu Beginn der zyprischen Eigenstaatlichkeit ihre Forderungen an, obwohl sie nach der Weltkriegsniederlage als Verbündeter des kaiserlichen Deutschlands allen diesbezüglichen „Ansprüchen“ hatte entsagen müssen. Als Führer der zyprischen Unabhängigkeitsbewegung sah sich Erzbischof Makarios am Ende des Verhandlungsmarathons gezwungen, die seinem Land von Großbritannien, den USA und Griechenland übergestülpte Verfassung zu unterschreiben.

In den Jahren, die Ankaras Invasion vorausgingen, schürten griechisch- und türkisch-sprachige Rechtsnationalisten den Konflikt zwischen den beiden größten Volksgruppen der Insel, wobei sie – absichtlich oder de facto – die Geschäfte eine Spaltung des Staates betreibender imperialistischer Mächte besorgten. Die NATO-Zentrale zeigte sich an einer Aufteilung Zyperns zwischen ihren beiden Mitgliedsstaaten Griechenland und Türkei durchaus interessiert, was allerdings nicht unbedingt ins britische Kalkül paßte.

Bei all diesen Überlegungen besaß auch die Tatsache Gewicht, daß die zeitweilig den Staatspräsidenten stellende kommunistische Fortschrittspartei des werktätigen Volkes (AKEL) vor allem im griechischen Landesteil eine äußerst einflußreiche politische Kraft mit einem Stimmenanteil von bis zu 40 % jahrzehntelang war und – mit gewissen Abstrichen – bis heute ist. Vor allem dank ihres parlamentarischen und außerparlamentarischen Gewichts hat Zypern seine Nichtpaktgebundenheit bewahren können.

So ließ man die Hunde von der Kette: Sofort nach der erfolgreichen Abwehr des rechtsradikalen Putschversuchs vom 15. Juli 1974 veranlaßte die NATO, daß die Streitkräfte ihres türkischen „Partners“ in Aktion traten. Damit vermochte sie – besonders auch angesichts der schwer unüberschaubaren Verhältnisse in Griechenland – ihren Druck auf Zypern zu bewahren.

Übrigens spielte auch in diesem Falle ein mit der CIA eng liierter US-Spitzenpolitiker, der schon 1973 beim Sturz der chilenischen Volksfrontregierung Salvador Allendes Regie geführt hatte, seinen Part: Henry Kissinger. Während türkische und griechische Rechtsextremisten im Vordergrund agierten, ließ er hinter den Kulissen auf Zypern die Puppen tanzen.

In einer Erklärung zum 40. Jahrestag der Spaltung des Landes durch die NATO verurteilte die AKEL scharf die seinerzeitige Invasion und forderte das unverzügliche Ende der Besetzung großer Teile der Insel durch Erdoğans Armee. Jede Abhängigkeit Zyperns von ausländischen Mächten müsse ein Ende finden. Es gehe um eine aus zwei Zonen bestehende, beide politisch gleichberechtigten ethnischen Gruppen zusammenführende Föderation, wie sie in mehreren UNO-Resolutionen gefordert werde. Eine gerechte Lösung müsse von nur einer Souveränität, einem Völkerrechtssubjekt und einer Staatsbürgerschaft ausgehen, fordern Zyperns Kommunisten.

RF, gestützt auf „People’s World“, New York, und „The Guardian“, Sydney