RotFuchs 209 – Juni 2015

Der Luftterror der Saudis und die
geopolitischen Erwägungen der USA

Um was geht es in Jemen?

RotFuchs-Redaktion

Als die Jemenitische Bewegung der Huthi, kurz Ansarallah (Unterstützer Allahs), im September 2014 die Kontrolle über Jemens Hauptstadt Sanaa gewann, läuteten in den USA und im Königreich Saudi-Arabien die Alarmglocken. Abd-Rabbuh Mansour Al-Hadi, der Präsident des zwar relativ bevölkerungsarmen und ökonomisch hinter anderen arabischen Ländern zurückgebliebenen, aber strategisch bedeutsamen Landes, sah sich zu der Ankündigung gezwungen, seine absolute Macht mit anderen teilen zu wollen. Der Strohmann des imperialistischen Hauptlandes und seines wichtigsten Verbündeten im Mittleren Osten – der über enorme Ölreichtümer verfügenden saudischen Feudaloligarchie – wurde jedoch zu Fall gebracht, nachdem sogar Al-Hadis eigene Partei – der Jemenitische Allgemeine Volkskongreß – ihm das Vertrauen entzogen hatte. Von Washington und Riad beraten, hatte er zuvor versucht, seine Niederlage durch das Angebot abzuwenden, Vertreter der Huthis in eine „Regierung der Nationalen Einheit“ aufzunehmen.

Die Entwicklung ging darüber hinweg. Bei den nun folgenden militärischen Auseinandersetzungen und der Ausschaltung des Hadi-Clans handelte es sich nicht um einen „Huthi-Putsch“, wie westliche Medien anfangs unterstellten. Der verhaßte Despot wurde vom Volk aus seinem Palast vertrieben, als er zu immer autoritäreren Methoden einer Ein-Mann-Diktatur übergegangen war. Nach der Entmachtung Al-Hadis bildete die Huthi-Bewegung aus Shiiten und Sunniten – den Vertretern der beiden wichtigsten Strömungen des Islam – unter Einbeziehung mehrerer jemenitischer Stämme am 6. Februar eine Übergangsregierung. Tage später floh der abgesetzte Tyrann in die Hafenstadt Aden.

Al-Hadis Sturz war ein empfindlicher Schlag für die strategischen Planer Washingtons und deren Partner in Riad. Am 25. März berichtete die „Los Angeles Times“ unter Berufung auf amerikanische Geheimdienstquellen, bei der Besetzung des Jemenitischen Nationalen Sicherheitsbüros seien den Huthis etliche CIA-Dokumente über Jemen betreffende Absichten der USA, darunter komplette Operationspläne, in die Hände gefallen.

Nachdem Al-Hadi in Aden eingetroffen war, erklärte er die Stadt zu Jemens neuer Metropole. Daraufhin schlossen die USA, Saudi-Arabien, Kuwait, Bahrain, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate ihre Botschaften in Sanaa und verlegten sie nach Aden. Zuvor hatte Al-Hadi seine Rücktrittserklärung als Präsident widerrufen und die Bildung einer Exilregierung verkündet.

Die Huthis und deren politische Verbündete ließen sich durch solche Aktivitäten nicht irritieren. Das veranlaßte den „Außenminister“ der Pseudoregierung, Saudi-Arabien und die Ölscheichtümer am Golf offiziell um deren militärische „Hilfe“ zu bitten. Nach Berichten der saudischen Zeitung „Al-Sharq Al-Awsa“ ersuchte er um die Einrichtung einer Flugverbotszone und eine Serie von Bombenangriffen. Diese begannen am 26. März.

Doch auch die Huthis sahen nicht tatenlos zu: Kurzerhand eroberten sie Aden und zwangen Al-Hadi ein zweites Mal zur Flucht. Interessierte westliche Kreise, reaktionäre arabische Regimes und Israel suchten die parallel zu diesen Ereignissen stattfindenden Genfer Verhandlungen zwischen Iran und westlichen Mächten dadurch zu unterlaufen, daß sie den Vormarsch der Huthis als eine durch Teheran gelenkte Operation bezeichneten. Einmal mehr tat sich Netanjahu dadurch hervor, daß er die Bombenwerfer zu weiteren Terrorakten ermunterte.

Beim Einmarsch der Huthi-Truppen floh Al-Hadi zunächst nach Saudi-Arabien und anschließend in das Ägypten des Generalspräsidenten und Zöglings zweier US-Militärakademien Al-Sisi. Auf einem Abnicker-Treffen der Arabischen Liga in Kairo erklärte er den Krieg gegen sein Land für „legitim“.

Doch die Verfolgung des vordergründigen Geschehens reicht nicht aus. Auch in diesem Falle ist es notwendig, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen und die wahren Ziele zu benennen. Bei der von Saudi-Arabien angezettelten und durch das Pentagon abgesegneten Aggression gegen Jemen geht es weder um Personen noch um ethnische Gruppen, sondern um weitgesteckte geostrategische Interessen. Während man in Riad den schwächeren Nachbarstaat schon immer als eigene Provinz behandelte, betrachten die USA wiederum die Führung Saudi-Arabiens als ihren Erfüllungsgehilfen im Mittleren Osten sowie als entscheidendes Gegengewicht zu Iran.

Wer Jemens Golf von Aden beherrscht, kontrolliert damit den Seehandel und vor allem die Bewegung der Öltankerflotten auf ihrer Fahrt vom Persischen Golf über den Indischen Ozean durchs Rote Meer zum Mittelmeer. Diese Position ist für den Schiffsverkehr zwischen Afrika, Asien und Europa nicht weniger wichtig als der Suezkanal.

Unter diesem Aspekt erklärt es sich, daß weder Washington noch Riad, noch Tel-Aviv über das enge Verhältnis der Huthis zu Teheran beglückt sind. Ohne Zweifel gibt es bei all dem auch militärische Gesichtspunkte: Nicht zufällig nahm die saudische Luftwaffe jemenitische Raketendepots ins Visier, die zu Zeiten des US-Strohmannes Al-Hadi und zuvor eingerichtet worden waren.

Aus all dem ergibt sich, warum nicht wenige Staaten ihre Hände in diesem schmutzigen Spiel haben: Präsident Al-Sisi erklärte, die Sicherheit Ägyptens und Saudi-Arabiens wie der Ölscheichtümer seien aufs engste miteinander verknüpft. Während er noch am 25. März versicherte, sein Land werde sich nicht in den Krieg hineinziehen lassen, schlossen sich Ägyptens Luftwaffe und Kriegsmarine schon tags darauf durch die Entsendung von Kampfmaschinen und Schiffen der Intervention an.

In dasselbe Horn blies auch Pakistans Premierminister Nawaz Sharif, der verkündete, „jede Bedrohung Saudi-Arabiens“ erfahre „eine starke Antwort“ seitens seines Landes. Natürlich durfte auch Israel in diesem „Ensemble“ nicht fehlen. „Zum ersten Mal führen die Zionisten eine gemeinsame Operation mit Arabern durch“, stellte Hassan Zayd von Jemens Al-Haq-Partei fest, wobei er auf die Konvergenz der Interessen von Tel-Aviv und Riad verwies. Das stimmt so nicht: Schon 1962 hatte Tel-Aviv den Saudis während des nordjemenitischen Bürgerkriegs Waffen geliefert.

RF, gestützt auf „Global Research“, Kanada