RotFuchs 214 – November 2015

Ungarns Gyula Thürmer zum Orbán-Regime

RotFuchs-Redaktion

Seit Jahren liegen Ungarns Kommunisten im massiven Trommelfeuer sie mit Haß überziehender Gegner, wobei machtausübende Rechte und faschistoide Gruppie­rungen die Rolle der Kanoniere übernommen haben. Genosse Gyula Thürmer, Generalsekretär der angesichts bestehender Zwänge in Ungarische Partei der Werktätigen umbenannten Ungarischen Kommunistischen Arbeiterpartei, stand unlängst der französischen Monatsschrift „Initiative Communiste“ Rede und Antwort. Nach dem Charakter der derzeitigen Orbán-Regierung befragt, bezeichnete er diese als ein Kabinett der Rechten und des Zentrums mit eindeutig nationalistischer und antikommunistischer Tendenz. Ihr Ideal sei ein Ungarn wie vor dem Zweiten Weltkrieg.

Der ungarische Generalsekretär
Gyula Thürmer

Seit 1990 habe man in dem einstmals sozialistischen Land den Kapitalismus wieder­errichtet, wobei die ihn tragende Klasse aus zwei Hauptkomponenten bestehe: Eine Formation habe sich in der Endphase des Sozialismus herausgebildet und ihre Reich­tümer in den ersten Jahren der Kapitalherrschaft ergattert. Ein anderer Teil der Bourgeoisie sei eng mit USA-Kapital verbunden und betrachte das imperialistische Hauptland als seine Schutzmacht. Dessen ideologische Konzeption stelle eine Vermischung von Neoliberalismus und Sozialdemokratismus dar. Diese Gruppierung habe von 1994 bis 1998 und von 2002 bis 2010 in Budapest am Regierungsruder gestanden.

Zu Orbáns vermeintlicher Annäherung an das Rußland Putins erklärte Gyula Thürmer: „Ungarn ist Mitglied der EU und der NATO. Die ‚Eliten‘ setzen voll auf diese Koope­ration als Hauptgarantie für den Bestand der kapitalistischen Ordnung. 76 % der Exporte Ungarns gehen in EU-Länder, 70 % der Einfuhr werden von dort bezogen. Doch Ungarns Energieprobleme lassen sich derzeit nicht ohne Rußland lösen: 80 % der Gaslieferungen und 78 % der Erdölimporte kommen von dort.“ Orbáns scheinbare Partnerschaft mit Rußland sei demnach lediglich ein Versuch, Dinge zu regeln, die sich nicht regeln ließen.

Zur antikommunistischen Verteufelungskampagne sagte Genosse Thürmer: „Die Kapitalisten wollen die kommunistische Bewegung bei uns endgültig zerschlagen – auf politischer und finanzieller wie physischer Ebene. Sie wissen genau, daß wir derzeit schwach sind. Und dennoch fürchten sie uns. Immerhin waren wir ja zusam­men mit anderen kommunistischen Parteien in einem Teil Europas auch schon mal die Sieger. …“ Im November 2012 habe das Budapester Parlament eine „Gleich­stellung von faschistischen und kommunistischen Diktaturen“ beschlossen. Während es die kurzzeitige Gewaltherrschaft von Ferenc Szalasi (Oktober 1944 bis April 1945) als faschistisch bezeichnete, sei das schier endlose Schreckensregiment Horthys (1919 bis 1944) bezeichnenderweise davon ausgenommen worden.

Seiner Partei habe man durch Parlamentsbeschluß das Recht aberkannt, sich als kommunistisch zu bezeichnen, erklärte Gyula Thürmer. Das liege wohl vor allem auch daran, daß viele Ungarn die Zeit des Sozialismus nicht ganz vergessen hätten. Immer mehr Menschen erinnerten sich an die mit der heutigen Realität unvergleichbaren sozialen und politischen Errungenschaften in der Zeit der Volksmacht. Der vorerst bescheidene Einfluß seiner Partei nehme allmählich zu. Seien bei den Parlaments­wahlen 2006 und 2011 nur 0,3 bzw. 0,11 % der Stimmen auf sie entfallen, so hätten im Vorjahr 0,58 % der Wähler für sie votiert. Dabei müsse man bedenken, daß ihr keinerlei Zugang zu den tonangebenden Medien gewährt werde.

Abschließend stellte Gyula Thürmer fest: „Unsere Partei hat schon vor Jahren die Europäische Linkspartei wegen deren Kurs verlassen und setzt lieber auf den proleta­rischen Internationalismus.“ Deshalb unterstütze sie Initiativen für eine neue Form der europäischen und weltweiten Zusammenarbeit Gleichgesinnter.

RF, gestützt auf „Initiative Communiste“, Paris