RotFuchs 221 – Juni 2016

US-Weltherrschaftsprogramm
bedeutet Barbarei

Prof. Dr. Georg Grasnick

Nach dem Ende der Sowjetunion setzten Repräsentanten des US-Imperialismus wie US-Vizepräsident Cheney und Kriegsminister Rumsfeld im „Project for the New American Century“ dessen globale Führung auf die Tagesordnung der Weltpolitik. Diese Führung sei „gut sowohl für die Vereinigten Staaten als auch für die ganze Welt“. Diesen Führungsanspruch hatte, unter unterschiedlichen Herrschaftsformen, zweimal der deutsche Imperialismus erhoben – um die Ressourcen dieser Welt neu aufzuteilen.

November 1949: Die US-Stabschefs im Pentagon

November 1949:
Die US-Stabschefs
im Pentagon
(v.l.n.r: Sherman, Bradley, Vandenberg, Collins)

US-Außenministerin Albright unterstrich, wie der US-Führungsanspruch verwirklicht werden sollte: „Wenn wir Gewalt anwenden müssen, dann deshalb, weil wir Amerikaner sind. Wir sind eine unentbehrliche Nation. Wir sind groß und sehen weiter in die Zukunft als alle anderen.“ US-Präsident Clinton leitete aus der in den 90er-Jahren grundlegend veränderten internationalen Kräftelage und dem Führungsanspruch der „unentbehrlichen Nation“ die Aufgabe ab, auch das 21. Jahrhundert zu einem „amerikanischen Jahrhundert“ zu machen. Er gab – wie Albright – damit zu verstehen, daß Frieden für US-Administrationen kein Wert an sich sei. Mit dem völkerrechtswidrigen NATO-Krieg zur Zerstörung Jugoslawiens und damit zur Beendigung der längsten Friedensperiode auf unserem Kontinent setzte er Maßstäbe, nach denen sich für den „Weltpolizisten“ und „Weltordnungshüter“ die internationalen Beziehungen künftig vollziehen sollten.

Jahrzehntelang hatte der US-Imperialismus während des kalten Krieges in der Systemauseinandersetzung um solche Bedingungen gekämpft. Mit den barbarischen Nuklearschlägen gegen Hiroshima und Nagasaki sollte gegenüber der Sowjetunion, die sich im Ergebnis des Zweiten Weltkrieges wie die USA als Supermacht erwies, „ein Zeichen“ gesetzt werden, wer künftig die Welt „neu ordnen“ und führen solle. In den weiteren Jahrzehnten wurden vom US-Imperialismus mit neuen Kriegsverbrechen weitere derartige Zeichen gesetzt.

„Man sollte im Sternenbanner die weißen Streifen der Flagge schwarz färben und die Sterne durch Totenschädel ersetzen.“ Mark Twain

„Man sollte im
Sternenbanner
die weißen Streifen
der Flagge schwarz
färben und die Sterne
durch Totenschädel
ersetzen.“
Mark Twain

Der US-amerikanische Politologe John Tirman vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) hat nachgewiesen, daß im von den USA geführten Krieg in Korea drei Millionen Menschen starben. Im „schmutzigen Krieg“ der USA gegen Vietnam verloren bis zu 3,8 Millionen Menschen ihr Leben, in Laos eine Million und in Kambodscha zwischen 600 000 und 800 000.

Das UN-Gewaltmonopol wurde vom US-Imperialismus immer mehr ausgehöhlt, das Völkerrecht wiederholt ausgehebelt. An die Stelle der in der UN-Charta festgeschriebenen Verpflichtung für alle Nationen und Staaten, „künftige Geschlechter von der Geißel des Krieges zu befreien“, wurden mit neuen Kriegshandlungen bestehende Sicherheitsstrukturen zerstört.

Mit dem Ende der Sowjetunion setzte Clinton, besessen, auch das 21. Jahrhundert zu einem US-amerikanischen zu machen, mit dem völkerrechtswidrigen NATO-Krieg zur Zerstörung Jugoslawiens und damit zur Beendigung der längsten Friedensperiode in Europa Leitlinien, wie sich künftig nach Ansicht des Weltpolizisten die internationalen Beziehungen vollziehen sollten. Gorge W. Bush legte zur Durchsetzung der US-Weltführerschaft das neue Feindbild von der „terroristischen Bedrohung der Welt“ auf. Es wurde zum Feigenblatt für die verkündete globale Strategie eines „weltweiten Krieges“.

Zugleich wurde 2002 unter seiner Präsidentschaft mit dem „No rivals plan“ die Entschlossenheit des US-Imperialismus verkündet, weltweit keinen Konkurrenten mehr zu dulden. Der US-Generalstab wurde beauftragt, in den folgenden fünf bis sieben Jahren im Irak, in Syrien, im Libanon, in Libyen, in Somalia, im Sudan und dann im Iran einen „Regime change“ zu vollziehen. Die Auswahl der zu zerstörenden Staaten änderte sich. Rußland, das sich nicht zur „Regionalmacht“ herunterspielen ließ, wie Obama glaubte, es einordnen zu können, erwies sich zunehmend als Großmacht auf der internationalen Bühne. Mit dem „Regime change“ in der Ukraine und dem Vorrücken der NATO an die russische Grenze versucht der Westen, den östlichen Rivalen kleinzukriegen.

Fakt bleibt allerdings, daß die gegen den Irak, gegen Afghanistan und Pakistan, gegen Libyen und Syrien geführten Kriege bisher nahezu drei Millionen Menschenleben gefordert haben. Die sich in diesen Zahlen offenbarende imperialistische Barbarei, die sich bei ihren Verbrechen im Nahen Osten auf autoritäre Staaten wie die Türkei, Saudi-Arabien und Katar stützt, hinderte Obama nicht, daran zu erinnern: „Die USA werden militärische Gewalt einsetzen, wenn unsere zentralen Interessen es verlangen.“

Wenn in der westlichen „Wertegemeinschaft“ Politiker davon sprechen, daß mit Blick auf die mit den Neuordnungskriegen ausgelösten Flüchtlingsströme die Kriegsursachen beseitigt werden müßten, dann spielen dabei weder die Millionen und aber Millionen Todesopfer noch die Zerstörung der Lebensgrundlagen der Überlebenden in den überfallenen Staaten eine Rolle. Dann geht es vielmehr um die Ausschaltung der Schieberbanden und um weitere militärische Abschottung. Mit dem Festhalten an dem neoliberalen Projekt der Weltherrschaft sollen die Völker den wachsenden, den Weltfrieden gefährdenden Spannungen unterworfen bleiben.

Und die EU? Sie befinde sich „in einem erbärmlichen Zustand“, urteilen führende Politiker. Sie habe „ihr inneres Gleichgewicht verloren“. Sie sei „aus der Bahn geraten“. Die Flüchtlingsströme hätten „ihren erbärmlichen Zustand offengelegt“. Innerhalb der Union beherrschen nationale Egoismen das Handeln der Regierungen. In Südeuropa soll mit Militär, Stacheldraht und Tränengas, mit Verweigerung humanitärer Hilfe der Zugang von Flüchtlingen zum Kontinent unmöglich gemacht werden. Humanitäre Katastrophen werden in Kauf genommen. Den Opfern der von den USA, der NATO und der EU geführten Weltordnungskriege wird Schutzbedürftigkeit, Hilfe, ja Wiedergutmachung verweigert. Der Imperialismus demonstriert mit seinen Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch weiterhin sein unmenschliches Wesen.

Ein US-amerikanischer Abram-Panzer beim Entladen im Hafen von Riga (März 2015)

Ein US-amerikanischer Abram-Panzer beim Entladen im Hafen von Riga (März 2015)

Die EU-Mitgliedsstaaten, zumeist auch NATO-Mitgliedsstaaten, haben mit ihrer Teilnahme an den militärischen US-Interventionen Anteil daran, daß Millionen und aber Millionen Menschen in den Tod getrieben oder aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Deutschlands Dominanz in der EU greift nicht mehr wie beim Krisenmanagement. Mit Bestechungsgeldern für die Türkei und NATO-Einsätzen in der Ägäis soll der Zugang von Flüchtlingen nach Europa gestoppt werden. An die Stelle der Willkommenskultur sind Polizei, Zoll und das Militär getreten. Die deutsche Bundesregierung verschärft außerdem die Asylgesetzgebung. Sie entscheidet selbstherrlich, welches der vom Krieg betroffenen Länder künftig „sicheres Herkunftsland“ sei. Sie konzentriert sich auf die Abschiebung von Asylbewerbern. Im Vorjahr wurden von deutschen Behörden über 100 000 Anträge von Asylbewerbern als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt. Die Bundesregierung führt mit unterschiedlichen Mitteln Krieg gegen Flüchtlinge.

In Afghanistan und im Irak geht der Krieg weiter. Neue Flüchtlingsströme sind zu erwarten, die neue Flüchtlingsrouten suchen und nutzen werden. Für über 25 000 Menschen ist das Mittelmeer bereits zum Massengrab geworden. Weitere Opfer sind zu erwarten.

Mit dieser verbrecherischen Politik wird dem Rechtspopulismus und Rechtsextremismus neuer Spielraum verschafft. In den EU-Ländern vollzieht sich ein Rechtsruck. In Deutschland erhält Fremdenfeindlichkeit, die hierzulande fürwahr keine neue Erscheinung darstellt, Auftrieb. Flüchtlingsheime gehen in Flammen auf. Rechtsradikale, Faschisten und Rassisten können ungehindert aufmarschieren – Gegendemonstranten werden behindert und verfolgt. Bei Wahlen fahren Rechtsradikale die Gewinne dieser Politik ein.

Und die USA? Das Imperium, das den Anspruch auf Führung der Welt und damit auf Führung von Weltordnungskriegen erhebt? Die USA können in dieser Hinsicht auf eine glorreiche Tradition zurückblicken. In den vergangenen 240 Jahren, seit 1776, war dieses Amerika 239 Jahre im Krieg. In den vergangenen Jahrzehnten haben die USA mit ihren „Ordnungskriegen“ ganze Regionen destabilisiert – um die Einkreisung Rußlands weiter voranzutreiben, um neue Stützpunkte mit Blick auf den späteren Hauptrivalen China zu errichten und um den Zugriff auf beträchtliche energetische Ressourcen zu bekommen und zu sichern. – Weltweit tobten 2014 insgesamt 31 Kriege und sogenannte bewaffnete Konflikte – und das meist, um eine unilaterale Welt nach den Vorstellungen der US-Multis zu schaffen. Welche Schande: Jedes zehnte Kind in der Welt wächst heutzutage in einem Kriegsgebiet auf. In Syrien ist jedes zweite Kind ein Flüchtlingskind. Die US-Repräsentanten, die Befehlshaber für die Kriege und die Verantwortlichen für ihre Folgen betrachten die Flüchtlingsströme und die sich in Europa vollziehenden Flüchtlingsdramen aus der Zuschauerloge. Obama ist des Lobes voll für die deutsche Bundeskanzlerin. Sie habe eine „sehr mutige Haltung eingenommen“. Es sei nämlich sehr wichtig, den Kriegsopfern „mit Mitgefühl zu begegnen“, belehrt der US-Präsident die oberste Verteidigerin der westlichen Wertegemeinschaft in der alten Welt. Was die Flüchtlingsfrage angehe, so habe für ihn „oberste Priorität die Sicherheit des amerikanischen Volkes“. Immerhin sind die US-amerikanischen Behörden zur Aufnahme von – sage und schreibe – 10 000 Flüchtlingen aus Syrien bereit. Sicherheitshalber beschloß das US-Repräsentantenhaus mit großer Mehrheit schärfere Kontrollen für Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak. 27 Gouverneure wollen in ihren Bundesstaaten gar keine Flüchtlinge aufnehmen.

Die USA haben seit ihrer Gründung 219mal selbst Krieg geführt. Nach dem Untergang der Sowjetunion haben sie Kriege zum Alltag der Völker gemacht. 46 Prozent der UNO-Mitglieder waren an Kriegen und „bewaffneten Konflikten“ beteiligt. Friedensnobelpreisträger Obama erklärt: „Führung meint eine klare Anwendung von Gewalt.“ Das Sterben und das Flüchten von Menschen sollen also weitergehen. „Es ist eine Art dritter Weltkrieg, der ,stückchenweise‘ geführt wird“, warnt eindringlich Papst Franziskus. Die Barbarei marschiert.

In einer Grundsatzrede zum Abschluß des „Waldai-Forums“ 2014 in Sotschi rief Rußlands Präsident Wladimir Putin die USA und Europa dazu auf, „zur Vernunft zu kommen“ und die Serie ihrer politischen Alleingänge zu beenden. Die Lösung des zunehmend chaotischen Charakters der internationalen Beziehungen sah Putin darin, ein neues System der internationalen Sicherheit auszuhandeln. Rußland sei jederzeit zu solchen Gesprächen bereit, allerdings müßten sie ernsthaft, sachlich und ohne doppelten Boden geführt werden. Rußland sei nicht an einer internationalen Sonderrolle interessiert und wolle kein Imperium wiedererrichten, distanzierte sich Putin ausdrücklich von Weltmachtbestrebungen. Allerdings beanspruche es, daß seine Argumente gehört und seine Interessen berücksichtigt würden. International müsse an die Stelle des „Spiels ohne Regeln“, wie es eingerissen sei, wieder ein System verläßlicher politischer Regelwerke treten. Das sei nach 1945 mit dem Potsdamer Abkommen und ein zweites Mal im Rahmen der KSZE in den 70er-Jahren gelungen. Diese Aufgabe müsse jetzt ein drittes Mal gemeistert werden.

Wir trauern um einen großartigen Menschen und standhaften Kommunisten

Am 12. Mai 2016 ist Prof. Dr. Georg Grasnick im Alter von 89 Jahren nach langer schwerer Krankheit in Berlin verstorben. Sein großes fachliches und politisches Können stellte der engagierte Journalist in den 60er Jahren als Intendant des Berliner Rundfunks und Chefredakteur des Deutschlandsenders unter Beweis. Am Institut für Politik und Wirtschaft, im Friedensrat der DDR sowie im DDR-Komitee für europäische Sicherheit und Zusammenarbeit leistete Georg Grasnick Wichtiges für unseren sozialistischen Staat. In der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde sowie der Berliner Volkssolidarität war er nach der Konterrevolution lange Jahre aktiv tätig.

Unsere „RotFuchs“-Familie verliert in ihm einen standhaften, aufopferungsvollen, bis zuletzt am „RotFuchs“ Anteil nehmenden Mitstreiter, dessen Beiträge das Profil unserer Zeitschrift maßgeblich prägten.

Er bleibt uns unvergessen.