Yankees wollen Lateinamerika in
seine Hinterhofvergangenheit zurückwerfen
Venezuelas Rechte strebt
argentinische Verhältnisse an
Seit der Wahl vom 6. Dezember 2015 verfügt die Rechte in Venezuela über eine komfortable Mehrheit in der Nationalversammlung und hat jetzt das Ziel anvisiert, die mit der Bolivarischen Revolution seit 1999 erreichten Errungenschaften um jeden Preis zu liquidieren. Momentan bestehen die obersten Anliegen des rechten Bündnisses MUD darin, die Begnadigung und Freilassung der inhaftierten Oppositionsführer zu erreichen. Sie waren aufgrund ihrer Schlüsselrolle während der gewaltsamen Proteste gegen die sozialistische Regierung, bei denen es 43 Todesopfer gegeben hatte, verurteilt worden.
Die in der MUD versammelte Reaktion „prüft“ zur Zeit die „wirtschaftliche Effizienz“ der verfassungsgemäß legitimierten Vergesellschaftung von Grund und Boden und dessen Übergabe an wirtschaftliche Kooperativen mit der Zielsetzung einer Reprivatisierung. Der von der Rechten verdeckt gelenkte Wirtschaftskrieg, der zu einer nun schon vier Jahre anhaltenden Verschlechterung der Versorgungslage im Lande geführt hat, wird als Vorwand zu „neoliberalen Reformen“ von extremer Sozialfeindlichkeit herangezogen. Diese seien zur Überwindung der brisanten Situation angeblich unverzichtbar.
Schließlich dürfte nach der Absage der rechten Parlamentsmehrheit an Präsident Maduros Plan zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise, in den alle gesellschaftlichen Akteure einbezogen werden sollten, eines definitiv klar sein: In Venezuela tobt ein erbitterter Klassenkampf zwischen Revolutionären und Konterrevolutionären um die künftige Entwicklung des Landes. Dabei ist eine von vielen lateinamerikanischen Intellektuellen herbeigesehnte Versöhnung zwischen der Rechten und den Chavisten mehr als illusorisch. Ob der neu berufene Nationale Rat der Produktiven Wirtschaft, dem neben Sozialisten, Basisorganismen und Akademikern auch Vertreter der Privatwirtschaft angehören, funktionieren wird, mag unter diesen Umständen zumindest in Zweifel gezogen werden.
Blicken wir nach Argentinien: Dort gibt der neue Staatschef Mauricio Macri derweil das beste Beispiel dafür ab, in welche Richtung sich auch Venezuela entwickeln würde, sollte es der Rechten gelingen, Maduro durch ein Referendum zu stürzen und in Caracas die Regierungsgewalt zu übernehmen.
Im November 2015 setzte sich Macri in der Präsidentschaftswahl gegen den designierten linksperonistischen Kirchner-Nachfolger Daniel Scioli durch. Seitdem erließ er ein Dekret nach dem anderen, um den öffentlichen Dienst „abzuspecken“ und die Wirtschaft zu „liberalisieren“. Dadurch haben bereits Zehntausende Lohnabhängige ihre Arbeitsplätze verloren. Die Aufhebung der Devisenkontrolle führte zu einer Abwertung des argentinischen Peso, was bereits eine erhebliche Steigerung der Lebenshaltungskosten zur Folge hatte.
Überdies führt die Regierung neue Verhandlungen mit internationalen Investmentfonds zur Rückzahlung der Schulden, was von Macris Vorgängerin strikt abgelehnt worden war. Während die imperialistischen Unterstützer jubeln, hat die Frente para la Victória – ein Mitte-Links-Bündnis, welches von den beiden vorherigen Präsidenten ins Leben gerufen wurde –, dem wenig entgegenzusetzen, obwohl es immer noch über eine parlamentarische Mehrheit verfügt. Auf der Straße regt sich hingegen seit Macris Amtsantritt der Widerstand sehr unterschiedlicher politischer und sozialer Kräfte gegen den autoritären Führungsstil, den der neue Staatschef mit brachialer Polizeigewalt durchsetzen läßt. Längst wird in Argentinien von der „Revolution der Gummigeschosse“ gesprochen.
Während sich dort erst eine große soziale Bewegung unter sozialistischem Einfluß wird bilden müssen, welche die spontanen Proteste in einen dauerhaften Kampf gegen das nationale und internationale Kapital überführt, kann Venezuelas Linke bereits auf mehrere Jahre erfolgreicher Zusammenarbeit verschiedener Parteien, Gewerkschaften und sozialer Kräfte zurückblicken. Dort gilt es nun, diese klassenkämpferische Allianz zu bekräftigen.
Sie dürfte die einzig mögliche Antwort auf die rabiaten Angriffe der Rechten sein. Zugleich geht es um die Überwindung eines nicht zu unterschätzenden Maßes an Verbürokratisierung in der regierenden Vereinigten Sozialistischen Partei (PSUV), deren linker Flügel marxistischen Positionen mit echter Sympathie begegnet. Soll ihre Losung von der Entwicklung des „produktiven Landes“ – also der Entwicklung der Produktivkräfte – künftig mehr als eine Proklamation sein, müßte die Verstaatlichung von Banken und Schlüsselstrukturen zielstrebiger vorangetrieben werden. Derzeit befinden sich noch die meisten Kommandohöhen unter der Kontrolle einer mit den USA und anderen imperialistischen Mächten eng verbundenen Kompradoren-Bourgeoisie, die das Land in die Vergangenheit zurückführen will.
Um den Bedürfnissen der Bevölkerung entgegenzukommen, ist eine weitaus rationellere Nutzung der reichen Erdöleinnahmen notwendig, die vor allem den sozial Schwächsten ihre Lage erleichtern sollte. Private Großfirmen wie der Lebensmittelkonzern Polar dürften dann nicht wie bisher von den Subventionen des Staates profitieren und dadurch Ultraprofite einfahren, die größtenteils wieder ins Ausland gelangen. Der Kapitalflucht müßte dringend Einhalt geboten werden.
Zugleich geht es um die Wiederbelebung der alten chavistischen Losung „comuna o nada“ (Kommune oder nichts). Der schrittweise Rückzug der PSUV aus den Kommunalen Räten müßte unbedingt gestoppt werden. Darüber hinaus sollten deren Strukturen eine wesentliche Stärkung erfahren, um einer künftigen sozialistischen Demokratie, die den bis heute weitgehend intakten bürgerlichen Staatsapparat ersetzen müßte, den Weg zu bahnen. Längerfristig wird die Weiterführung des Bolivarischen Prozesses und dessen Verteidigung gegen den konterrevolutionären Ansturm im Rahmen eines bürgerlich-parlamentarischen Systems kaum möglich sein.
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