Die Bundesregierung boykottierte die Verhandlungen
Vertrag zu Atomwaffenverbot verabschiedet
Lange wurde die Idee belächelt, jetzt ist ihre Verwirklichung zum Greifen nah: ein internationales Verbot von Atomwaffen. Die offiziellen Verhandlungen auf UN-Ebene haben in diesem Jahr begonnen, möglicherweise gelingt in wenigen Tagen die Einigung auf einen Vertragstext.
In der letzten März-Woche sind Delegierte von rund 130 Staaten am UN-Sitz in New York zusammengekommen, um über „ein rechtsverbindliches Instrument zum Verbot nuklearer Waffen“ zu beraten. Die erste Verhandlungsrunde dauerte fünf Tage. Die nächste Konferenz fand Mitte Juni statt. Präsidentin der Verhandlungen ist Elayne Whyte Gómez aus Costa Rica.
Daß überhaupt über ein Atomwaffenverbot geredet wird, ist bereits eine kleine Revolution: Eine überwältigende Mehrheit der Staaten will der nuklearen Aufrüstung nicht mehr tatenlos zusehen und hat sich im vergangenen Jahr zu offiziellen Verbotsverhandlungen entschlossen – gegen den erklärten Willen der mächtigen Atomwaffenstaaten. Erwartungsgemäß blieben die Atommächte den Gesprächen in der März-Woche fern. Auf Druck der USA boykottierten die meisten NATO-Staaten und weitere Staaten, die unter dem nuklearen „Schirm“ der USA stehen, ebenfalls die Verhandlungen. Daß auch die deutsche Bundesregierung nicht bereit ist, auf UN-Ebene über ein Atomwaffenverbot zu diskutieren, hatte innenpolitisch zu deutlicher Kritik geführt. Die Opposition im Bundestag sowie ein Bündnis aus Friedens-, Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen hatte von Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) eine Teilnahme an den Verhandlungen gefordert. Auch Friedensforscher haben öffentlich der Bundesregierung geraten, an den Verhandlungen teilzunehmen.
Am ersten Verhandlungstag protestierte die US-Regierung sogar gegen die UN-Gespräche, zusammen mit einigen Verbündeten. Vor dem Konferenzsaal gab die US-amerikanische UN-Botschafterin Nikki Haley ein Pressestatement ab. Daß sich die US-Regierung dazu genötigt fühlte, zeigt, daß bereits die Verhandlungen eine Wirkung entfalten und die Atomwaffenstaaten mit ihrer Abschreckungsdoktrin unter Druck geraten.
In der Öffentlichkeit wird gelegentlich in Frage gestellt, was ein Verbot bringt, wenn bloß atomwaffenfreie Staaten darüber verhandeln und am Ende unterschreiben. Doch wirkt ein Verbotsvertrag auch dann, wenn die Nuklearwaffenstaaten fehlen. Die Mehrheit der internationalen Staatengemeinschaft macht somit deutlich, daß die Androhung ultimativer Gewalt kein akzeptables Mittel für die Sicherung der eigenen weltordnungspolitischen Stellung ist. Dies wird den Status der Atommächte nachhaltig ändern. Ein Vertrag wird den Druck auf nukleare Abrüstung erhöhen.
Ein Verbot wird darüber hinaus auch ganz praktische Folgen haben. So kann es beispielsweise sein, daß US-Atombomben aus anderen Ländern abgezogen werden müssen, wenn diese den Vertrag unterschreiben und dann auf ihrem Boden keine Atombomben mehr gelagert werden dürfen.
Das Fernbleiben der Nuklearwaffenstaaten vereinfacht die Verhandlungen sogar in gewisser Weise. Ohnehin können sie den UN-Prozeß nicht aufhalten. In der ersten Verhandlungsrunde wurde deutlich, daß sich die Staaten in vielen Fragen weitgehend einig sind. So gibt es zu der grundlegenden Ausrichtung des Vertrags kaum Meinungsunterschiede. Es besteht weitestgehend Einvernehmen darüber, daß Lagerung, Einsatz, Besitz, Erwerb, Entwicklung, Produktion und Weitergabe von Atomwaffen verboten sein sollten.
Auch in folgenden Punkten herrscht nahezu Einigkeit: Beinahe alle Staaten befürworten den Vorschlag, daß der Vertrag nicht erst von bestimmten, festgelegten Ländern ratifiziert werden muß, bevor er in Kraft tritt und damit auch erst für die anderen Länder gilt. Allerdings könnte es eine Mindestanzahl an Unterzeichnern geben. Und die meisten Staaten sind sich einig, daß sich die Vertragsparteien jährlich treffen und alle fünf Jahre eine Überprüfungskonferenz abhalten sollten.
Weil das Verbot derzeit fast ausschließlich von Staaten verhandelt wird, die Atomwaffen für ihre eigene Sicherheitsstrategie ablehnen und keine Atomwaffen besitzen oder lagern, ist davon auszugehen, daß der Vertrag zunächst nur von diesen Ländern unterzeichnet wird. Damit stellt sich die Frage, wie die atomar bewaffneten Staaten eingebunden und zur Abrüstung bewegt werden können.
Dazu wurden auf der März-Konferenz zwei Ansätze diskutiert: Entweder müssen die Atomwaffenstaaten zunächst abrüsten und können erst dann dem Vertrag beitreten. Oder sie dürfen sich schon vorher dem Vertrag anschließen, sofern sie sich vertraglich zur Abrüstung verpflichtet haben. Für jede der zwei Positionen gibt es Unterstützer. Unklar ist auch, ob der Vertrag bereits Bestimmungen zur Vernichtung der Bestände enthalten oder diese im Rahmen von späteren Verhandlungen mit den Atomwaffenstaaten geklärt werden sollten.
Allerdings ist fraglich, ob es zielführend ist, in der jetzigen Konstellation – ohne Beteiligung der Atomwaffenstaaten – über Zeitrahmen und Überprüfungsmechanismen zur nuklearen Abrüstung zu entscheiden. Bei späteren Gesprächen hätten sowohl die abrüstungswilligen Atomwaffenstaaten als auch die nuklearwaffenfreien Staaten ein Mitspracherecht in der Frage, wie die Vernichtung erfolgt.
Darüber hinaus blieben folgende Fragen ungeklärt:
Wie soll das Verbot überprüft werden? Argentinien und die Schweiz haben angedeutet, daß der Vertrag in ihren Augen nur eine geringe Bedeutung habe, wenn es keine eindeutigen Bestimmungen zur Verifikation gäbe. Bei der breiten Mehrheit der Staaten scheint jedoch Einigkeit zu bestehen, daß die existierenden Überprüfungsmechanismen des Atomwaffensperrvertrags und der atomwaffenfreien Zonen für den Vertrag ausreichend seien.
Wie kann den Opfern von Atomwaffen geholfen werden? Mehrere Staaten, darunter die Fidschi-Inseln, forderten institutionelle Mechanismen, um die Opfer von Atomwaffentests und Atomwaffeneinsätzen zu unterstützen. Mexiko und andere Staaten begrüßen zwar die Idee, äußerten aber Bedenken zu der Frage, wie diese Unterstützung konkret aussehen könne.
Soll es ein Transitverbot geben? Viele Staaten, insbesondere aus der Karibik, wollen Bestimmungen zur Transit- und Umschlagskontrolle in den Vertrag aufnehmen. Österreich dagegen argumentiert, daß es zu kompliziert sei, Meeres- und Luftraum territorial abzugrenzen.
Wie kann die Finanzierung von Atomwaffen verhindert werden? Die Forderung nach einem expliziten Verbot der Finanzierung von atomwaffenbezogenen Aktivitäten wird zwar weitgehend geteilt, allerdings haben einige Staaten Fragen zur Umsetzung aufgeworfen.
Insgesamt verlief die erste Verhandlungsrunde durchaus erfolgreich. Auch die Beteiligung der Zivilgesellschaft wurde sehr positiv bewertet – sowohl von Friedensorganisationen als auch von Konferenzpräsidentin Elayne Whyte Gómez.
Aus „Friedensforum“ 4/2017
Nach Redaktionsschluß:
Die intensiven Verhandlungen waren erfolgreich:
Am 7. Juli 2017 haben 122 Länder in New York
für die Annahme des völkerrechtlich verbindlichen
Vertrags zum Atomwaffenverbot gestimmt
(die Niederlande stimmten dagegen, Singapur enthielt sich).
Damit dokumentiert eine große Mehrheit der
UN-Mitglieder, daß sie die Atomwaffenpolitik
der Nuklearmächte nicht weiter dulden will.
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