RotFuchs 192 – Januar 2014

Akzentverschiebungen bei der „Totalitarismus“-Doktrin

Volle Pulle gegen Rot

Fritz Dittmar

Während des Zweiten Weltkriegs blickten die Völker mit Entsetzen auf den Faschismus, der die Menschheit seiner Barbarei zu unterwerfen drohte. Sechs Jahre lang hatten sich die Regierungen der Westmächte als unfähig und unwillig erwiesen, der wachsenden Stärke und Aggressivität des Faschismus zu begegnen. Ein Bündnis mit der Sowjetunion gegen Hitler hintertrieben sie von Beginn an, wobei sie ihre Hoffnungen auf einen militärischen Zusammenprall zwischen Faschisten und Kommunisten setzten. Innerhalb dreier Jahre – von 1939 bis 1942 – gelang es Nazideutschland, sich nahezu ganz Kontinental-Europa zu unterwerfen. Als Hitler die Sowjetunion überfallen ließ, zeigte sich bald, daß diese keineswegs jener „Koloß auf tönernen Füßen“ war, als den man sie dargestellt hatte. Trotz enormer Anfangserfolge mußte die Wehrmacht bald schwere Verluste hinnehmen. Nach einem halben Jahr konnte sie vor Moskau zum Stehen gebracht werden. Die UdSSR wurde im Verlauf des Krieges zum Hoffnungsträger der Völker ganz Europas.

„In der Einigkeit des russischen Volkes gegen einen machtvollen äußeren Feind und in den grenzenlosen Opfern und der beispielhaften Selbstlosigkeit jedes einzelnen sehe ich den Beweis eines starken und umfassenden Willens, das zu verteidigen, was sie gewonnen haben. Wir schulden dem russischen Volk für die erlittenen riesigen Verluste und Leiden großen Dank“, erklärte Albert Einstein 1942.

Doch die führenden Politiker des Westens behielten ihre Interessen weiter fest im Auge. Für Dankbarkeit war da kein Platz. Sie schlossen zwar ein Bündnis mit Moskau, ließen die Rote Armee aber die Hauptlast des Kampfes tragen. Auf den Konferenzen von Jalta und Potsdam (1944/1945) wurde der bestimmende Einfluß der Siegermächte in den ihnen zuerkannten Besatzungszonen geregelt.

Churchill erregte sich über das gewachsene Prestige der Sowjetunion und erklärte unverblümt: „Wir haben das falsche Schwein geschlachtet.“ Auch Präsident Truman sorgte dafür, daß die USA schon bald nach dem gemeinsam errungenen Sieg zum Kalten Krieg gegen die UdSSR übergingen. Noch während der Potsdamer Konferenz ließ er Hiroshima und Nagasaki mit Atombomben auslöschen, obwohl Japan bereits in Kapitulationsverhandlungen einzutreten bereit zu sein schien. Es handelte sich vor allem um eine Machtdemonstration gegenüber der UdSSR. Während Stalin darauf bestand, daß alle Verbündeten die zwischen ihnen geschlossenen Verträge einhielten, führte Truman im März 1946 den Begriff des Eisernen Vorhangs ein.

Churchill stellte die politische Ordnung in den von der Roten Armee befreiten ost- und mitteleuropäischen Staaten als „kommunistische Diktatur“ dar, während zur gleichen Zeit die britischen Imperialisten in Griechenland die von Kommunisten geführte Befreiungsarmee ELAS brutal zerschlugen.

Um das Ansehen der sowjetischen Befreier zu untergraben und zurückzudrängen, bedurfte es einer entsprechenden Theorie. Diese wurde 1951 durch Hannah Ahrendt geliefert. Sie dehnte den zur Kennzeichnung faschistischer Diktaturen eingeführten Begriff „totalitär“ auf die volksdemokratisch-sozialistischen Staaten aus, wobei die Herrschaftsformen von Faschisten und Kommunisten gleichgesetzt wurden. Die Klasseninhalte und sozialen Bedingungen in beiden politischen Systemen sowie die Macht- und Eigentumsverhältnisse blieben dabei außer Betracht. Obwohl absolut unwissenschaftlich, wurde der Kampfbegriff Totalitarismus zur zentralen Leitlinie antikommunistischer Ideologie.

„Wer auf dieser Gleichstellung (von Kommunismus und Faschismus als totalitär) beharrt … (ist) in Wahrheit im Herzensgrund damit bereits Faschist und wird mit Sicherheit den Faschismus nur unaufrichtig und zum Schein, mit vollem Haß aber allein den Kommunismus bekämpfen“, stellte einst Thomas Mann fest.

Während seit den Tagen Adenauers behauptet wird, die Bundesrepublik bekämpfe jeden Extremismus ob von links oder rechts in gleicher Weise, wurden in Wahrheit die Nazi-Eliten fast bruchlos übernommen, die KPD erneut verboten, die Beziehungen zu faschistischen Staaten wie Spanien und Portugal drei Jahrzehnte lang fortgesetzt und durch faschistische Putsche an die Macht gelangte rechtsradikale Diktaturen wie in Griechenland, Chile und Argentinien seitens der BRD geduldet und begrüßt.

Nach wie vor wird der Kommunismus als Hauptfeind von Demokratie und Menschenrechten verunglimpft, während man zugleich die von Faschisten ausgehende Gefahr bewußt bagatellisiert.

Im August 2013 wurde bei „arte“ der Film „Churchills großes Spiel“ gezeigt. Haupttendenz war es, die Rolle der Sowjetunion und Stalins im Zweiten Weltkrieg zu verteufeln und „neu aufzuarbeiten“.

Der Streifen beginnt mit Szenen von der Potsdamer Konferenz. Dem Kommentar zufolge „pokerten“ Churchill, Truman und Stalin dort um Macht und Land. Wörtlich heißt es: „Stalin bastelte an seiner Kommunisten-Welt.“ Dieser wird als Cartoon-Figur gezeigt, wobei seine Pupillen ihre Farbe zu einem „teuflischen Rot“ verändern. Am Ende des Films zogen dessen Macher „Bilanz“: Es sei „eine schreckliche Enttäuschung“ gewesen, „daß wir Stalin geholfen haben – einem Regime, das noch schrecklicher war als jenes, was wir bekämpft hatten“.

Noch ein weiteres Beispiel für eine „künstlerische“ Variante der Totalitarismus-Doktrin. 2010 erschien „Bloodlands“ von Timothy Snyder. Der Autor verharrt zwar noch auf der „normalen“ Position der Totalitarismus-Doktrin, indem er Hitler und Stalin gleichsetzt, bemüht sich aber bereits, die Verantwortung für bisher den Faschisten zugeordnete Bluttaten ebenfalls „auf gleiche Schultern“ zu verteilen. Durch den Überfall Nazideutschlands – hier als „Überraschungsangriff“ dargestellt – seien der Wehrmacht drei Millionen Rotarmisten in die Hände gefallen. Die Tatsache, daß diese in den Lagern verhungerten, müsse man „als Resultat der Interaktion beider Systeme“ betrachten. „Deutsche und Sowjets provozierten einander zu immer größeren Verbrechen wie in den Partisanenkämpfen um Weißrußland und Warschau“, heißt es dort. Damit soll der Eindruck einer Mitschuld der Roten Armee am faschistischen Massenterror gegen die Zivilbevölkerung erweckt werden.

Inzwischen spielt die Gleichsetzung von Faschismus und Kommunismus kaum noch eine Rolle. Während die Kanonade aus antikommunistischen Rohren ständig an Intensität zunimmt, werden die braunen Kohorten immer offensichtlicher geschont.

Diesem Trend muß seitens aller Antifaschisten eine Abfuhr erteilt werden.