Vom Gegner nichts Falsches erwarten!
„Warum wurde die gesellschaftlich notwendige Preiskorrektur nicht konsequent durchgesetzt? Es gab Befürchtungen der Führung, daß dabei Probleme auftreten würden, die zeitweilig zu scharfen Spannungen führen könnten. … Eine … Korrektur der Preise nach oben wäre politisch nicht denkbar gewesen, zumal die westlichen Medien daraus einen Propagandaschlager ersten Ranges gemacht hätten. Also unterblieben gesellschaftlich notwendige Maßnahmen, die für die Volkswirtschaft außerordentliche Bedeutung gehabt hätten“, schrieb Dr. Dieter Krause in seinem Beitrag „Schwarzbrote für Rindermägen“ im August-RF (Hervorhebungen H. W.).
In diesen Sätzen steckt die ganze Crux unserer Sicht der politischen Ökonomie des Sozialismus. Der Autor sagt, die Führung – gemeint ist das Politbüro der SED in wenig wechselnder Zusammensetzung – habe sich davor gefürchtet, daß es bei Korrekturen (der Einzelhandelsverkaufspreise für Waren des täglichen Bedarfs und selbstverständlich auch bei Mietenveränderungen) „Spannungen“ in der Bevölkerung geben würde und die „westlichen Medien“ das propagandistisch ausnutzen könnten.
Dazu wäre zu sagen, daß – erstens – „Spannungen“ in der marxistisch-leninistischen Dialektik als Widersprüche bezeichnet werden, die ganz normal aufzudecken und zu lösen sind. Zweitens: Was erwarteten wir eigentlich von den „westlichen“ Medien – den Mietmäulern der in Westeuropa und den USA herrschenden Kapitalisten? Etwa wohlwollende Begleitung unseres Tuns? Wozu sind diese denn da? Doch nicht etwa, um freudestrahlend zu verkünden: „Die sozialistischen Ökonomen haben wieder ein Problem gelöst!“
Unsere „Führung“ hätte auf die eigenen Medien achten müssen. Wie stellen wir das Problem, die reale „Spannung“ dar? Und wie machen wir klar, daß eine Korrektur von Preisen etwas mit gesellschaftlicher Notwendigkeit, Realitätserkenntnis und Beherrschen der Produktionsverhältnisse zu tun hat? All das haben wir doch theoretisch auf der Hochschule gelernt.
Nun kommt der schwierigere Teil, der für Ökonomen der Landwirtschaft, zu denen ich mich zähle, vielleicht etwas leichter erkennbar ist als für solche Experten anderer Wirtschaftszweige. Ich meine den Prozeß des kontinuierlichen Ersetzens der lebendigen Arbeit durch vergegenständlichte, also durch Maschinen in großen Hallen, später durch elektronische Steuerungen unterstützt und per Software berechenbar gemacht. Dieser Prozeß verlief eben nicht auf einer „Insel der Seligen“, sondern in einer nach wie vor untereinander verknüpften Weltwirtschaft. Während auf dem Weltmarkt die Preise für Rohstoffe, automatische Bearbeitungsmaschinen usw. seit Anfang der 70er Jahre kontinuierlich stiegen, hielten unsere Politökonomen dogmatisch am Preisniveau früherer Jahrzehnte fest. Ein Webfehler der sozialistischen Ökonomie bestand darin, daß wir unsere Grundmittel „auf Abnutzung“ zu Einstandspreisen abschrieben, obwohl zum Zeitpunkt ihres Ersatzes (nach 10 oder vielleicht 30 Jahren) weitaus höhere Kosten entstanden.
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