RotFuchs 232 – Mai 2017

Vorstellung eines neuen Kinderbuchs und Trauer um die Autorin Ingeborg Rapoport

RotFuchs-Redaktion

Über unsere Leserin, die Genossin Rapoport, haben wir zuletzt im September-„RotFuchs“ berichtet. Am 23. März  ist sie mit 104 Jahren gestorben. Wir verneigen uns vor einer großartigen Frau – und stellen zugleich ihr nunmehr letztes Werk vor, ein gemeinsam mit Gertrud Zucker geschaffenes Kinderbuch.

Als ältester Mensch der Welt, der ein Promotionsverfahren abschloß, wurde Ingeborg Rapoport seit 2015 erneut berühmt. Im Alter von 102 Jahren verteidigte sie im Prüfungsgespräch vor Professoren der Universität Hamburg ihre Doktor­arbeit, die sie vor fast 80 Jahren verfaßt hatte. Weil ihre Mutter Jüdin war, verweigerte ihr die Universität damals während des Naziregimes die Zulassung zur Promotion. Am 9. Juni 2015 erhielt die renommierte Professorin – die seit den 50er Jahren weit über die Berliner Charité hinaus auch international einen ausgezeich­neten Ruf als Kindermedizinerin und Begründerin der Neonatologie genoß –, die offizielle Promotionsurkunde mit der Gesamtnote „magna cum laude“.

Das Kinderbuch „Eselsohren“ ist das jüngste Werk der beliebten und berühmten Kinderärztin, Mutter von vier Kindern und Oma von zahlreichen Enkeln und Urenkeln. Ingeborg Rapoport kam am 2. September 1912 in Kamerun (Afrika) zur Welt, damals eine deutsche Kolonie. Sie wuchs in Hamburg auf und schloß dort 1937 ihr Medizinstudium mit dem Staatsexamen ab. Während ihrer Tätigkeit als Assistenzärztin von 1937 bis 1938 fertigte sie ihre Dissertationsschrift über Lähmungserscheinungen infolge von Diphtherie an. 1938 flüchtete sie vor den Nazis in die USA. Dort spezialisierte sie sich später im Fachgebiet Pädiatrie. 1946 heiratete sie Samuel Mitja Rapoport, einen Biochemiker von Weltrang. Wegen ihrer politischen Gesinnung mußte die Familie während der McCarthy-Ära erneut emi­grieren und kehrte nach Europa zurück; zunächst nach Österreich, wo ihr viertes Kind geboren wurde. 1952 gingen sie in die DDR, weil Samuel Mitja Rapoport eine Professur an der Charité in Berlin bekam.

Ingeborg Rapoport war als herausragende Fachärztin für Kinderheilkunde u. a. in der Forschung an der Humboldt-Universität tätig und wurde dort 1959 habilitiert. Noch über ihre Emeritierung im Jahr 1973 hinaus wirkte sie an der Kinderklinik der Charité, u. a. als ordentliche Professorin für Pädiatrie. 1969 wurde sie Inhaberin des Lehrstuhls für Neonatologie – ein wichtiger Zweig der Kinderheilkunde für Früh- und Neugeborene – und baute an der Charité das Perinatalzentrum auf. Nach unzähligen bedeutenden wissenschaftlichen Publikationen erschien 1997 unter dem Titel „Meine ersten drei Leben“ die beeindruckende Autobiographie dieser außergewöhnlichen Jahrhundert-Zeugin.

Die Illustratorin: Gertrud Zucker

Ingeborg Rapoport / Gertrud Zucker: Eselsohren - Ein Lesebuch weint

Mittlerweile wächst schon die dritte Generation junger Leser mit den zauberhaften Zeichnungen der bekannten Illustratorin und Grafikerin Gertrud Zucker auf, deren vergnügliche und farbenfrohe Illustrationen aus Kinderzeitschriften wie „Bummi“ ebenso bekannt sind wie aus Bilderbüchern oder Schulbüchern. Ihre Popularität und Beliebtheit verdankt die Künstlerin ganz besonders ihren mehr als 100 liebevoll und heiter bebilderten Büchern für Kinder, in denen sie mit scheinbar leichtem Strich, überraschenden Details und fröhlicher Farbigkeit die Phantasie der jüngsten Leser anregt und ebenso vorlesende Erwachsene erfreut. Gertrud Zucker wurde am 3. Januar 1936 in Berlin geboren. Nach dem Abitur studierte sie an der Hochschule für bildende und angewandte Kunst in Berlin-Weißensee, u. a. bei den Professoren Werner Klemke, Arno Mohr und Paul Rosié. Seit 1960 lebt die vielfach ausgezeichnete Künstlerin als freischaffende Illustratorin in Bad Saarow am Scharmützelsee. Neben originellen Pressezeichnungen und vielseitiger Gelegenheitsgrafik illustrierte die Mutter von drei erwachsenen Kindern zahlreiche Werke unterschiedlichster Art, vor allem Kinder­bücher, aber auch Romane und Schulbücher. Mehrere der von Gertrud Zucker illustrierten Bücher wurden mit der Auszeichnung als „Schönstes Buch des Jahres“ gewürdigt, u. a. „Ilse Bilse“ und „Weshalb bekommt man eine Ohrfeige?“ Weitere von Gertrud Zucker wundervoll bebilderte Kinderbuchtitel sind beispielsweise „Vom Riesen Timpetu“, „Der Dackel Oskar“, „Das Schulgespenst“, „Abc, lesen tut nicht weh“, „Carolas Flucht nach Denkdirwas“, „Das Mädchen hieß Gesine“, „Komm lieber Mai und mache“, „Die Hasen und der Wilddieb Waldemar“, „Das Hexenhaus“. Zu ihren jüngsten Werken zählen die Scharmützli-Bücher (mit Thomas Hellmann) und „Greta und ihr Krickel-Krakel“ (mit Peter Abraham). Schließlich gehört sie seit 2012 (siehe auch RF Dez. 2012, S. 10) zu denjenigen, die das künstlerische Gesicht des „RotFuchs“ prägen. 

Bereits ein Jahr her ist es, daß Gertrud Zucker sich am Schreibtisch in ihrem Haus in Bad Saarow an die Arbeit machte. „Anfang 2016 habe ich die Zeichnungen angefer­tigt“, erzählt die 81jährige, „und zwar in fliegender Eile“. Dieser Zeitdruck, den sie sich damals machte, hatte einen ganz speziellen Grund.

Denn die Geschichte, die sie illustrieren wollte, ist verfaßt von Ingeborg Rapoport. „Leider geht es ihr mittlerweile nicht mehr so gut, und das Buch sollte unbedingt noch zu ihren Lebzeiten fertig werden“, sagt Gertrud Zucker.

„Eselsohren. Ein Lesebuch weint“ handelt von einem Buch, das weint, weil viele seiner Seiten umgeknickt wurden. Daraufhin überlegen die Geschwister Joshi und Jam, wie sie Bücher künftig besser behandeln könnten – was gar nicht so einfach ist. Gertrud Zucker zeichnete nicht nur den Jungen und das Mädchen, sondern auch unzählige andere Figuren, die in der Handlung auftauchen – Tiere, aber auch eine freundliche Oma, eine Verkäuferin, einen dünnen Geschäftsführer und einen dicken Unternehmer.

Die Illustratorin arbeitete wieder wie von ihr gewohnt mit Feder und Aquarelltechnik. Vorgezeichnet wird dabei nie, und dennoch kommt es nur selten vor, daß sie noch einmal neu beginnen muß. „Es hat Spaß gemacht. Nach ein paar Wochen war ich fertig“, erzählt sie. Für das Mädchen Jam, in der Geschichte fünf Jahre alt, nahm sie dabei ihre gleichaltrige jüngste Enkeltochter Anna, die in Moskau lebt, als Vorbild. „Auch das Aussehen aller anderen Figuren habe ich mir selber ausgedacht. Aber natürlich habe ich mich mit dem Inhalt der Geschichte vorher vertraut gemacht.“ Erschienen ist das Buch Ende Februar. „Einige Fans haben mich seitdem schon angerufen, nachdem sie von der Veröffentlichung erfahren hatten“, erzählt Gertrud Zucker. Geeignet ist die Geschichte ihrer Einschätzung nach für Kinder ab etwa acht Jahren.

Auch der Autorin Ingeborg Rapoport, mit der Gertrud Zucker seit langem über ihren mittlerweile verstorbenen Ehemann Gerd und Kontakte unter Medizinern bekannt ist, hat sie ihre Zeichnungen natürlich gezeigt. „Ich habe mich mit ihr getroffen“, berichtet Gertrud Zucker. „Aber leider sieht sie seit einiger Zeit sehr schlecht, und so konnte sie meine Bilder nicht mehr richtig erkennen. Aber sie hat sich gefreut.“

Unter Verwendung eines Artikels von Bernhard Schwiete aus der „Märkischen Oderzeitung“ vom 23. März 2017

Ingeborg Rapoport / Gertrud Zucker:

Eselsohren
Ein Lesebuch weint

Verlag Märkische LebensArt, Storkow (Limsdorf) 2017, 80 Seiten
ISBN 978-3-943614-12-1

14,95 Euro