Die NATO verwandelte Afrikas reichsten Staat in ein Armenhaus
Was in Libyen mit Gaddafi unterging
Im Jahr 1969 übernahm Oberst Gaddafi – ein antiimperialistischer Offizier – die Staatsgeschäfte in einem der ärmsten Länder Afrikas. Als er 2011 im Auftrag der USA ermordet wurde, war Libyen der wohlhabendste und sozial am meisten fortgeschrittene Staat des schwarzen Kontinents mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen und der längsten Lebenserwartung. Dort vegetierten weniger Menschen unterhalb der Armutsschwelle als in den Niederlanden.
Nach der NATO-Intervention zerbarst der nordafrikanische Staat in Fragmente. Seine zuvor hochentwickelte Wirtschaft wurde zu einem einzigen Trümmerhaufen. Die Regierungsgewalt ging an örtliche, stammeseigene, regionale, islamistische oder einfach kriminelle Milizen über. Die Ölproduktion kam fast gänzlich zum Erliegen.
Die Entwicklung führte dazu, daß Libyen heute zwei einander nicht anerkennende Regierungen mit eigenen Premiers, Parlamenten und Armeen besitzt.
Im Westen des Landes, vor allem um die Hauptstadt Tripolis, übernahmen mit Islamisten verbundene Kommandos die politische und militärische Kontrolle. Die gewählten Vertretungskörperschaften und deren Vollzugsorgane wurden einfach auseinandergejagt. Die Staatsmacht erinnert dort, soweit überhaupt vorhanden, an Anarchie.
Im libyschen Osten mit Tobruk als Zentrum etablierte sich 1200 Kilometer von Tripolis entfernt eine nicht minder „legitime“ Regierung aus Anti-Islamisten, die allerdings kaum etwas zu sagen hat.
Der Sturz Gaddafis schuf Raum für die allerschlimmsten Szenarien: Während sämtliche westlichen Botschafter das Land verließen, wurde der Süden zum Schutzhafen für Terroristen. Die nördliche Küstenregion gilt längst als ein Zentrum des Menschenhandels der Schleuserbanden. Ägypten, Algerien und Tunesien haben ihre Grenzen zu Libyen geschlossen. Morde, Vergewaltigungen und Folter vervollständigen das alltägliche Bild eines Landes, dessen Staatsmacht total zusammengebrochen ist. Washington, das auf Kontakte zu beiden gleichermaßen nicht funktionsfähigen Regierungen kaum Wert legt, unterstützt indessen eine dritte Kraft: den langjährigen CIA-Kontaktmann General Khalifa Hifter, der für sich die Rolle eines Diktators anstrebt. Er brach in den 80er Jahren mit Gaddafi und lebte eine Zeitlang unweit des CIA-Hauptquartiers Langley im USA-Bundesstaat Virginia, wo er auf ganze Serien von Verschwörungen gegen den ersten Mann Libyens vorbereitet wurde, darunter den 1996 gescheiterten Putschversuch. Schon 1991 berichtete die „New York Times“, Hifter sei „einer von 600 libyschen Militärs, die unter US-Präsident Reagan durch Spezialisten der CIA für Sabotageakte und andere Formen des Guerillakampfes gegen das Gaddafi-Regime ausgebildet“ worden seien.
Derzeit sind Hifters Leute bemüht, gemeinsam mit der durch die U.S. Army ausgerüsteten Al-Quaida-Gruppe Ansar-al-Sharia die Kontrolle über Bengasi, Libyens zweitgrößte Stadt, zu erringen. Die beteiligten Terroristen der Al Quaida stehen übrigens im dringenden Tatverdacht, US-Botschafter Stevens ermordet zu haben.
Hifter erhält nicht zuletzt auch deshalb logistische und Luftwaffen-Unterstützung seitens der USA, weil seine Fraktion ein weitgehend säkulares Libyen anstrebt, das sich westlichem Kapital maximal zu öffnen bereit ist. Denn aus Sicht der NATO bestand Gaddafis größtes „Verbrechen“ darin, die Interessen der Bevölkerung seines Landes über die des ausländischen Kapitals gestellt zu haben. Im August 2011 ließ US-Präsident Barack Obama mehr als 30 Mrd. Dollar bei Libyens Zentralbank beschlagnahmen, die Gaddafi für die Gründung eines Afrikanischen Internationalen Währungsfonds und einer Afrikanischen Zentralbank vorgesehen hatte.
Mehr als 40 Jahre setzte sich der später ermordete libysche Staatsmann für Wirtschaftsdemokratie ein. Er nutzte den durchweg nationalisierten Ölreichtum des Landes, um ein fortschrittliches soziales Wohlfahrts-programm für alle Libyer zu verwirklichen. Unter Gaddafi waren Gesundheitsfürsorge und Volksbildung gebührenfrei. Das galt auch für den Bezug von Elektroenergie und die Aufnahme von Bankkrediten, für die keine Zinsen erhoben wurden.
Jetzt steht das libysche Gesundheitswesen vor dem totalen Zusammenbruch. Am meisten aber leiden unter dem 2011 erfolgten Sturz des in sozialpolitischer Hinsicht progressiven Regimes die libyschen Frauen. Sie hatten das uneingeschränkte Recht auf Bildung, gleichberechtigte Arbeit, Ehescheidung, persönliches Eigentum und eigenes Einkommen.
Als Gaddafi 1969 ans Ruder kam, besuchte nur eine Handvoll Frauen die Universitäten. Er sorgte dafür, daß sich ihr Anteil auf die Hälfte aller Studierenden erhöhte. Einer der ersten legislativen Akte, für den er Verantwortung trug, war das 1970 eingeführte Gesetz über gleichen Lohn für gleiche Arbeit.
Der UN-Menschenrechtsrat würdigte nachdrücklich die Förderung der Frauenrechte in Libyen. Heute tritt das diffuse Regime diese mit Füßen. Die neuen Stammesregeln sind durch und durch patriarchalisch.
Auch in Syrien, wo die Gleichberechtigung der Frau noch immer einen hohen Stellenwert besitzt, unternehmen die Gegner Präsident Assads alles, um das in dieser Hinsicht progressivste Land des arabischen Raums wie zuvor Libyen weiter in Stücke zu schlagen.
RF, gestützt auf „the Beacon“, Melbourne und „Global Research“, Kanada
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