Was uns der 11. September hinterlassen hat
Der 11. September ist eigentlich nur ein weiteres Kästchen im Kalender. Aber die Geschichte hat es sich zur Aufgabe gemacht, gerade diesen Tag mit Ereignissen zu füllen, die dem Schicksal ganzer Völker ihren Stempel aufdrücken: vom Mord am chilenischen Präsidenten Salvador Allende, der Ermordung des kubanischen Diplomaten Felix Garcia in unmittelbarer Nähe der UNO bis hin zu den terroristischen Angriffen auf die Zwillingstürme in New York und das Pentagon. Trotz der geographischen und zeitlichen Distanz besteht ein Zusammenhang zwischen ihnen, und dies ist die irrationale Anwendung von Gewalt zur Erzielung vermeintlich politischer Ziele. Welche Lehren können wir aus diesen Vorfällen ziehen?
1. Man bekämpft Feuer nicht mit Feuer. Als die Feuerwehrleute und die Bergungstrupps noch zwischen den Trümmern des World Trade Center nach Überlebenden suchten, und lange vor den kriegstreiberischen Reden des Präsidenten George W. Bush, sagte Comandante en Jefe Fidel Castro in Havanna: „Keines der aktuell in der Welt bestehenden Probleme läßt sich mit Gewalt lösen, es gibt weder eine globale noch eine technologische, noch eine militärische Macht, die die totale Immunität gegen solche Taten garantieren kann.“
2. Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Die Folterungen, Morde und Verfolgungen, die die chilenische Militärdiktatur und andere auf dem Kontinent einsetzten, wurden mit dem angeblichen Ziel gerechtfertigt, der Ausbreitung des Kommunismus Einhalt zu gebieten. Die kürzlich in den Vereinigten Staaten freigegebenen Dokumente über die argentinische Diktatur deuten darauf hin, daß sich Washington über alles, was geschah, bewußt war und nichts tat, um es aufzuhalten. Die Fotografien der Folterungen in Abu Ghraib oder die Hunderttausende von Toten, die als „Kollateralverluste“ katalogisiert wurden, zusammengenommen mit dem Schmerz ihrer Familien, beantworten die Frage, ob der Zweck die Mittel heiligt.
3. Die Welt ist nicht sicherer als 2001. Nach einer Datenanalyse der Universität Maryland wurden im Jahr 2000 weltweit weniger als 4000 Tote durch Terrorakte registriert. Ein von der Regierung der Vereinigten Staaten ausgearbeiteter Bericht beziffert für das Jahr 2014 die Zahl der durch Terrorismus verursachten Todesfälle auf 32 700. Im vergangenen Jahr war die Lage nicht günstiger.
4. Es gibt keinen guten oder schlechten Terrorismus. Am 11. September dieses Jahres ist es 36 Jahre her, seit der kubanische Diplomat Felix Garcia in der Nähe des UNO Sitzes in New York von einem Terroristen ermordet wurde. Zuvor, im Jahr 1973, verabschiedete sich Salvador Allende an jenem Tag von der Moneda aus von seinem Volk. Aufeinanderfolgende US-Administrationen haben der Welt beizubringen versucht, daß die Gewalt, welche gegen sie selbst oder ihre Verbündeten ausgeübt wird, Terrorismus ist. Wenn diese jedoch gegen Länder angewandt wird, die sich nicht ihren Interessen beugen, handelt es sich um „Kampf um Demokratie“.
5. Politische Systeme kann man nicht aufnötigen. Präsident Wladimir Putin sagte kürzlich in einem Interview mit der Website Bloomberg, die Ereignisse des letzten Jahrzehnts hätten bewiesen, daß Versuche von außen, um ein Land zu „demokratisieren“, zum Anstieg des Terrorismus und zur Zerstörung des Staates führen. „Wenn ich höre, ein Präsident müsse gehen, und ich das nicht aus dem Land selbst, sondern von außen höre, kommen mir große Fragen in den Sinn“ sagte er.
6. Der Terrorismus hat keine Religion. Millionen über die Welt verstreuter Muslime erleiden Diskriminierung und Zurückweisung aufgrund der Handlungen einiger Hundert. Die kürzlich in westlichen Ländern von „einsamen Wölfen“ durchgeführten Angriffe machen die Vielfalt an politischen und sozialen Traumata deutlich, die zum Extremismus führen und die weit über die Religion hinausgehen.
7. Der Terrorismus verteidigt keine Sache. Es ist auffällig, daß die Pläne und Vorhaben der terroristischen Gruppen entweder nicht vorhanden oder selbst für die eigenen Landsleute unverständlich sind – ebenso, wie das falsche messianische Projekt eines globalen Kalifats niemandem zu vermitteln ist. Der Terrorismus ist seinem Wesen nach irrational, und sein Ziel ist die Gewalt als Selbstzweck.
8. Kein Land ist vollkommen sicher. Die Vereinigten Staaten, Frankreich, Belgien, Rußland, die Türkei, Ägypten, Libyen, Irak, Somalia, Äthiopien, Nigeria … die Liste der in den letzten Jahren von terroristischen Attentaten betroffenen Länder ist lang und wird jeden Tag länger. Mauern und Sicherheitsmaßnahmen haben sich als unwirksam erwiesen, wenn es darum geht, die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten.
9. Die Bevölkerung ist immer am meisten betroffen. Berechnungen zufolge haben allein während des Krieges im Irak eine Million Zivilisten ihr Leben verloren. Der Krieg trifft am Ende immer diejenigen am meisten, die niemals ein Gewehr in den Händen hielten.
10. Armut und Ausschluß von gesellschaftlicher Teilhabe sind sein wichtigster Treibstoff. Es ist sehr vereinfachend, das Phänomen des islamischen Fundamentalismus anzusprechen, ohne die Evolution einer Region mit tausendjähriger Geschichte zu analysieren, die jedoch in jüngster Vergangenheit einem kolonialen und neokolonialen Regime unterworfen war. Gleichermaßen reagieren die „einsamen Wölfe“, die in den westlichen Hauptstädten Panik verbreiten, auf eine Dynamik des Ausschlusses und der Verdrängung, die sich über Generationen hinweg immer weiter verstärkt hat.
11. Der schlimmstmögliche Terrorismus ist der Staatsterrorismus. Auch wenn die Propaganda der großen bürgerlichen Medien keine Anstrengung scheut in der Darstellung des Terrorismus als Domäne radikaler Gruppen, Tausende Kilometer von westlicher Zivilisation entfernt (oder lokaler Wahnsinniger, die von jenen gewonnen wurden), hat die Geschichte unzählige Beweise dafür geliefert, daß die tödlichsten Terrorakte von Staaten ausgegangen sind. Washington rüstete die Faschisten des Maidan in der Ukraine aus und entfachte einen Konflikt, der kein Ende zu haben scheint. Es destabilisierte Libyen, ein Land mit den besten sozialen Indikatoren jener Region, arbeitet auf den Sturz der syrischen Regierung hin und schwächt so den Kampf gegen die wirklichen Terroristen. Außerdem werden die Mittel des nichtkonventionellen Krieges, die in jedem Sinne mit denen der Terroristen vergleichbar sind, ohne zu zögern gegen Länder mit progressiven Regierungen wie Venezuela, Ecuador und Bolivien angewandt.
Nach „Granma“, Oktober 2016
Wer den Terror verhindern will, muß den Krieg beenden!
„Man hofft, daß man irgendwann den Fernseher anstellt oder die Zeitung öffnet und irgend jemand einem sagt, daß es Frieden gibt, daß einfach Frieden auf der Welt einkehrt …“
Das sagte eine junge Frau am 20. Dezember 2016 zu einem ob dieser Antwort sichtlich verblüfften und sprachlosen rbb-Reporter auf die Frage nach ihren Gedanken zu dem Anschlag am Berliner Breitscheidplatz.
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