RotFuchs 196 – Mai 2014

Was will die „Erinnerungsbibliothek DDR“?

Dr. Rolf Funda

Im August 2012 haben wir den Verein „Erinnerungsbibliothek DDR“ gegründet. Er hat sich die Aufgabe gestellt, möglichst viel biographisches Material von einstigen Bürgern der DDR oder über sie zu sammeln und für die Nachwelt sicher zu verwahren.

Entstanden war die Idee, nachdem das Leben in dem untergegangenen Staat – dem ersten Versuch des Aufbaus einer sozialistischen Gesellschaft auf deutschem Boden – von Politikern wie Medien auf Kampfbegriffe wie Mauer, Stasi und Unrecht reduziert wurde.

Die das Ende der DDR herbeiführenden Ereignisse der Jahre 1989/90 hatten zur Folge, daß zahllose Menschen in zuvor verantwortlichen Positionen, oft gerade auf dem Höhepunkt ihres Leistungsvermögens, von heute auf morgen in die „Wüste“ geschickt wurden: Botschafter, die am

2. Oktober 1990 noch als hochangesehene Diplomaten galten, waren am nächsten Tag arbeitslos. Hochschullehrer, Schuldirektoren und Pädagogen, Betriebs- und Kombinatsdirektoren, Generäle und Offiziere der NVA, der Volkspolizei, des Zolls und des MfS saßen plötzlich ohne jede Absicherung auf der Straße. Nicht anders ging es Funktionären der Parteien und Massenorganisationen, Chefs von Krankenhäusern und Polikliniken, Kreistierärzten, LPG-Vorsitzenden und Leitern volkseigener Betriebe.

Manch einer ist an dieser Situation zerbrochen. Doch viele haben sich hingesetzt und vor sich selbst wie vor ihren Angehörigen Rechenschaft über ihren Lebensweg abgelegt.

Als am Heiligabend 2011 in der Wochenendbeilage des ND ein Beitrag über den „Traum von einer ganz besonderen Bibliothek“ erschien, in dem ich mitteilte, ich wollte möglichst viele Autobiographien sammeln, um diesen wertvollen Schatz für spätere Generationen aufzubewahren, brach eine wahre Flut von Anrufen, E-Mails und Briefen über mich herein. Niemals hatte ich mit einer derart überwältigenden Reaktion gerechnet. Und so zeichnete sich bald ab, daß dieses Projekt einen einzelnen hoffnungslos überfordern würde, so daß sich nur ein gemeinnütziger Verein dieser großen Aufgabe stellen könnte.

2012 kam es zur Gründung des Vereins „Erinnerungsbibliothek DDR“. Wir haben einen arbeitsfähigen Vorstand und inzwischen rund 100 Mitglieder. Über 500 Bücher sind bereits in unserem Besitz und ein Großteil davon auf unserer Homepage unter erinnerungsbibliothek-ddr.de anzuschauen.

Wer sich mit unseren Autoren und deren Büchern vertraut macht, wird schnell erkennen, daß wir durchaus keine Märchenbuchsammlung zusammenstellen, in der alles verherrlicht wird, was DDR gewesen ist. Nein, Bürger haben authentisch über ihr Leben geschrieben, und das war ja nicht immer nur konfliktfrei. Mancher hat sich heftige Beulen geholt und berichtet darüber in großer Ehrlichkeit. Man kann aber auch immer wieder lesen, wie Mädchen und Jungen nach dem verheerenden Zweiten Weltkrieg vor dem Nichts standen, die Entwicklungs- und Bildungschancen, die ihnen geboten wurden, nutzten, die ABF oder andere Schulen und dann die Universitäten besuchten und in der Folge zu hoch geachteten Persönlichkeiten heranwuchsen.

Ich möchte mich an all jene wenden, die gleich uns Aufzeichnungen über die DDR zu Papier gebracht haben, und sie bitten, mit uns Kontakt aufzunehmen und uns möglichst ihre Autobiographien zukommen zu lassen.

Dr. Rolf Funda, 1. Vorsitzender des Vereins - Telefon: 0 39 25 / 30 03 12