RotFuchs 224 – September 2016

Wem die Bundesregierung Renten gewährt

Reiner Stenzel

Die Bundesregierung überweist ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS, die im Baltikum oder anderswo leben und seinerzeit an Untaten des NS-Regimes beteiligt waren, regelmäßig eine Rente.

Nach 1990 erhoben etwa 100 000 ehemalige „Kriegsfreiwillige“ in der BRD einen Rentenanspruch für sich. Dies konnten sie tun, weil immer noch das Dekret des Hitler-Nachfolgers Karl Dönitz von 1945 gilt, nach dem Kriegsrenten zu gewähren sind. Sich berufend auf den Grundsatz „Verträge sind einzuhalten“ bezogen gemäß dem Bundesversorgungsgesetz im Jahre 2012 insgesamt 900 000 Personen eine „deutsche Kriegsrente“.

Was sind das für Menschen, für die die BRD bereit ist, jährlich weit mehr als 12 Milliarden Euro auszugeben? Zwei Beispiele von in der DDR verurteilten Kriegsverbrechern mögen das verdeutlichen.

Am 1. Januar 1979 verurteilte das Bezirksgericht Potsdam den ehemaligen Offizier der lettischen Waffen-SS Stanislavs Steins alias Alexander Schrams wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Steins, Jahrgang 1916, stammte aus einer Bauernfamilie in Rogali/Lettland und arbeitete in einer Amtsverwaltung, bis er 1939 zur lettischen Armee einberufen wurde. Er war entschiedener Gegner der Sowjetmacht und meldete sich im Juli 1940 zum Lettischen Selbstschutz, versah Wachdienst in Riga. Von der Sicherheitshilfspolizei übernommen, diente er im berüchtigten „Kommando Arjajs“, das der deutschen faschistischen Sicherheitspolizei und dem SD unterstand. Dabei war er davon überzeugt, daß die physische Vernichtung der Gegner der Besatzungsmacht der nationalen Sache Lettlands diene, und wirkte in diesem Sinne im Lettischen Ordnungsdienst als Leutnant und Adjutant des Kommandeurs des lettischen Schutzmannschafts-Bataillons 27. 1944 wurde er als SS-Untersturmführer von der Waffen-SS übernommen. 

Im Bewußtsein der von ihm begangenen Massenmorde beschaffte sich Steins auf dem Rückzug andere Personalpapiere. Unter Nutzung seiner russischen Sprachkenntnisse erschlich er sich als Alexander Schrams eine Tätigkeit als Dolmetscher bei einer sowjetischen Baueinheit in Potsdam, dann im Spezialbaukombinat Potsdam. Ihm gelang es meisterhaft, seinen Haß auf das Volk seiner früheren Mordopfer bis zu seiner Festnahme am 23. September 1977 zu verbergen.

Verurteilt wurde Steins für folgende Verbrechen: Im Juli 1941 beteiligte er sich am Zusammentreiben der Rigaer Juden in das Ghetto und dem Raub ihres Eigentums. Er verfolgte sowjetische Funktionäre und Patrioten, Mitglieder der Kommunistischen Partei und des Komsomol, die später meist ermordet wurden. Vom Juli 1941 bis 1943 war Steins an der Ermordung von Sowjetbürgern und Juden im Bikerniki-Wald beteiligt, wobei in vier Aktionen 40 Personen erschossen wurden, davon vier von Steins eigenhändig. Bei zehn Massakern an insgesamt 1000 Juden bewachte er bei sechs Erschießungen die Mordopfer bzw. trieb sie den Mordschützen zu und gehörte viermal dem Erschießungskommando an, wobei er 40 Personen eigenhändig erschoß. Ende November/Anfang Dezember 1941 nahm er an der Liquidierung des Rigaer Ghettos teil und beteiligte sich im Wald von Rumbula an der Erschießung von 6000 Juden. Dabei trieb er dreimal je 1000 Opfer zur Mordstätte und erschoß selbst zehn Juden.

Am 18. März 1971 verurteilte das Stadtgericht Berlin den ehemaligen Gestapoangehörigen Hans Baumgartner wegen begangener Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen im Raum Libau, Azipute (Hasenpoth) und Schkede nach der faschistischen Okkupation Lettlands zum Tode. Baumgartner war Angehöriger eines der berüchtigten Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei und des SD und der in Libau errichteten Gestapo-Dienststelle, die eng mit rekrutierten lettischen Kollaborateuren zusammenarbeitete. Er war beteiligt an Mißhandlungen sowie Morden an mehreren tausend Juden, Zivilisten, Kriegsgefangenen, Widerstandskämpfern und sowjetischen Funktionären und Patrioten. So beteiligte sich Baumgartner in Libau an der Zusammentreibung und Inhaftierung von mindestens 3000 Juden. Er wirkte ab Juli 1941 mit an der Erschießung von insgesamt 6329 Männern, Frauen und Kindern, meistens Juden, auch Zivilisten, Widerstandskämpfern und Kriegsgefangenen. Unter seiner Mitwirkung wurde vom 14. bis 16. Dezember fast die gesamte jüdische Bevölkerung von Libau getötet. Seine Verbrechen dauerten bis zum Rückzug im September 1943 aus Lettland an.

Baumgartner und Steins waren in der Untersuchungshaftanstalt des MfS Berlin-Hohenschönhausen inhaftiert. Es ist bezeichnend, daß heute in der dortigen „Gedenkstätte“ beide Naziverbrecher in keiner Weise erwähnt werden, wie überhaupt alle dort inhaftierten Nazi- und Kriegsverbrecher anscheinend nur als Geister existierten.