RotFuchs 193 – Februar 2014

Wer Kiew hat, kann Rußland zwingen

Dietmar Hänel

Im Verlauf des 1. Weltkrieges wurden die Beziehungen zwischen Deutschland und der damals noch nicht als Staat existierenden Ukraine besonders von den Aktivitäten und Anschauungen der in der „Zentralstelle für Auslandsdienst“ im Auswärtigen Amt tätigen Paul Rohrbach und Matthias Erzberger geprägt. Vorrang hatten zu diesem Zeitpunkt die dort entwickelten Konzepte, wie der Krieg gegen Rußland zu gewinnen und damit dem deutschen Imperialismus mehr Einfluß auf dieses Riesenreich zu sichern sei. 1914 formulierte Erzberger seine Vorstellungen über das Vorgehen Deutschlands nach der Zerschlagung Rußlands. Rohrbach schrieb in seinem 1916 veröffentlichten „Politischen Wanderbuch“ unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Schwäche Rußlands: „Ohne die Ukraine ist Rußland nichts. Hat es kein Eisen, keine Kohle, kein Korn, keine Häfen! Alles große Leben in Rußland muß versiegen, wenn ein Feind die Ukraine packt. Wenn aber der Tag kommt, an dem Rußland das Schicksal herausfordert, und dann hat zufällig dort, wo bei uns die Entscheidungen getroffen werden, jemand soviel Kenntnis von den Dingen und soviel Entschlossenheit, daß er die ukrainische Bewegung richtig loszubinden weiß – dann, ja dann könnte Rußland zertrümmert werden. Wer Kiew hat, kann Rußland zwingen!“

In der Folgezeit waren die deutschen Aktivitäten gegenüber der Ukraine von der Unterstützung gewaltbereiter nationalistischer Kräfte bestimmt. Sie fanden ihren vorläufigen Höhepunkt in der Gründung der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) im Jahre 1929. Um den Einfluß Deutschlands auf das Entstehen dieser Organisation zu verschleiern, erfolgte die Gründung in Wien.

Nach dem 2. Weltkrieg konnte Rohrbach seine Strategie in Zusammenarbeit mit in die BRD geflohenen ukrainischen Nationalisten bis zu seinem Tod im Jahre 1956 fortsetzen.

Nach dem Zerfall der UdSSR und der Erklärung der Eigenstaatlichkeit der Ukraine gehörte Deutschland zu den ersten Staaten, welche Kiew anerkannten. Nicht zu übersehen ist die Unterstützung der BRD für nationalistische Kräfte in der Ukraine. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an das Treffen des seinerzeitigen Geheimdienstkoordinators der Bundesregierung, Ronald Pofalla, mit „Dissidenten“ aus der Ukraine und Belorußland im Jahre 2012, in dessen Verlauf ihnen jegliche Unterstützung zugesagt wurde.