RotFuchs 232 – Mai 2017

Wie entstand die Maifeier?

Otto Semmler

Der Gedanke, einen proletarischen Feiertag als Mittel zur Durchsetzung des achtstündigen Arbeitstages einzuführen, entstand zum erstenmal in Australien. Dort haben Arbeiter schon im Jahre 1856 beschlossen, einen Tag völliger Arbeitsruhe durchzusetzen, der für Versammlungen und Vergnügungen genutzt werden sollte. Dieser freie Tag wurde auf den 21. April festgelegt. Anfangs war nur an eine einmalige Manifestation gedacht, doch schon die erste Feier übte einen so starken Eindruck auf die proletarischen Massen des Landes aus, wirkte so aufmunternd und kraftgebend, daß man beschloß, sie alljährlich zu wiederholen.

Sowjetische Briefmarke zum 100. Jahrestag der 1.-Mai-Feier

In der Tat, was wäre aufbauender für den Glauben an die eigene Kraft als eine Massen-Arbeitsniederlegung aus eigenem Willen? Was könnte den ewigen Sklaven der Fabrik und der Werkstätten größeren Mut verleihen als das Erlebnis gemeinsamer Aktion? So fand der Gedanke der proletarischen Feier über Australien hinaus seine Ausbreitung in viele andere Länder der Erde.

Als erste folgten amerikanische Arbeiter dem Beispiel der australischen Kumpel. Sie setzten im Jahre 1886 als Tag der allgemeinen Arbeitsruhe den 1. Mai fest. An diesem Tag verließen 200 000 von ihnen die Arbeit und forderten den achtstündigen Arbeitstag. Repressalien und Verfolgung verhinderten für mehrere Jahre die Wieder­holung dieser Manifestation. Doch 1888 wurde der Beschluß, an dieser Tradition festzuhalten, erneuert. Die folgende Feier fand am 1. Mai 1889 statt.

Inzwischen hatte sich die Arbeiterbewegung in Europa mächtig entwickelt und belebt. Ihren gewaltigen Ausdruck fand sie durch den internationalen Arbeiter­kon­greß im Jahre 1889. Auf diesem Kongreß, der 400 Delegierte versammelte, wurde beschlossen, den achtstündigen Arbeitstag zu fordern. Der Delegierte der franzö­sischen Gewerkschaften, der Arbeiter Lavigne aus Bordeaux, stellte daraufhin den Antrag, man möge in allen Ländern diese Forderung durch einen allgemeinen Arbeiterfeiertag zum Ausdruck bringen. Der Vorschlag der amerikanischen Delegation, dafür den 1. Mai festzulegen, wurde vom Kongreß angenommen. Zu präzisieren ist allerdings, daß auch dieser Beschluß von einer einmaligen Aktion ausging, auf der die Arbeiter aller Länder am 1. Mai 1890 geschlossen die Forderung nach einem achtstündigen Arbeitstag erheben sollten.

Dieser Tag wurde jedoch zur Initialzündung für die Etablierung des 1. Mai als Kampf- und Feiertag der proletarischen Massen in aller Welt bis heute. Solange Arbeiter im harten Klassenkampf um ihre Rechte streiten müssen, wird der 1. Mai als Ausdruck ihrer Forderungen nicht aus der Welt zu schaffen sein.