RotFuchs 230 – März 2017

Wie vor 115 Jahren Lenins
„Was tun?“ entstand

RotFuchs-Redaktion

Lenin: "Was tun?", Verlag Dietz, Stuttgart 1902

Vor 115 Jahren, Anfang März 1902, erschien im Dietz-Verlag Stuttgart erstmals Lenins Schrift „Was tun? Brennende Fragen unserer Bewegung“. Diese Arbeit hat zunächst in der russischen Arbeiterbewegung, später in der internationalen kommunistischen Bewegung eine außerordentliche Rolle gespielt. Lenin entwickelte in dieser Arbeit eine Reihe von Grundaussagen des Marxismus über den revolutionären Klassenkampf unter den Bedingungen der damals beginnenden imperialistischen Entwicklungsphase des Kapitalismus weiter. So die Idee von Marx und Engels über die Notwendigkeit einer eigenständigen kommunistischen Partei und ihrer Rolle in der Arbeiterbewegung. Er zeigt in dieser Arbeit die große Bedeutung der revolutionären Theorie und des sozialistischen Klassenbewußtseins für den Kampf der Arbeiterklasse zur Verwirklichung ihrer Ziele, die Notwendigkeit der Vereinigung der Arbeiterbewegung mit dem wissenschaftlichen Sozialismus. Diese Grund­gedanken begründet Lenin in „Was tun?“ in einer gründlichen Auseinandersetzung mit rechtssozialdemokratischen Positionen in der russischen Arbeiterbewegung der damaligen Zeit, vor allem mit dem sogenannten Ökonomismus.

Lenin selbst schrieb zu einer Neuauflage dieser Arbeit im September 1907 im Vorwort: „,Was tun?‘ korrigiert polemisch den ,Ökonomismus‘ “, und er meint damit Auffassungen, nach denen die politische Aufklärungsarbeit unter den Arbeitern lediglich auf die ökonomische Agitation beschränkt werden sollte und Organisationen der Arbeiterbewegung sich nur mit den ökonomischen Belangen der Arbeiterschaft zu beschäftigen hätten. Diese Auseinandersetzung fand zur Jahrhundertwende in einer Situation statt, in der in Rußland ein rascher Aufschwung des Kapitalismus zu verzeichnen war. In der Schwerindustrie, im Bergbau, in der Erdöl- und Hütten­industrie, im Schwermaschinenbau vollzog sich eine schnelle und zugleich hohe Konzentration der Produktion und des Kapitals. Damit war im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts die Verdoppelung der Zahl der Industriearbeiter in Rußland verbunden. Härteste Ausbeutungsmethoden in den Betrieben, Überreste der Leibeigenschaft, die Willkür der zaristischen Herrschaft und Massenarbeitslosigkeit im Gefolge der Weltwirtschafts­krise von 1900 bis 1903 verschärften die Klassenauseinandersetzung. Seit Mitte der 1890er Jahre hatten sich in Rußland Anhänger des Marxismus in einem Dutzend kleiner Zirkel und Gruppen zusammen­gefunden, die hauptsächlich in den Großstädten illegal arbeiteten. Lenin selbst gehörte zu den Gründern des Petersburger „Kampfbundes zur Befreiung der Arbeiterklasse“, der im Herbst 1895 als Zusammenschluß verschiedener marxistischer Zirkel in der zaristischen Hauptstadt entstand. Dieser Kampfbund spielte dann sehr bald eine hervorragende Rolle beim Streik von 500 Webern in der Thorntonschen Fabrik der Stadt und nahm die Herausgabe der Zeitung „Rabotscheje Delo“ (Arbeitersache) in Angriff. Doch dieser Plan wurde zunächst durch die Verhaftung Lenins und anderer Anhänger des Kampfbundes in der Nacht vom 8. zum 9. Dezember 1895 durchkreuzt. Lenin mußte 14 Monate im Gefängnis verbringen, bis ihm das Urteil „drei Jahre Verbannung im Ort Schuschenskoje in Ostsibirien“ mitgeteilt wurde. In der Verbannung beendete Lenin seine klassische Schrift „Die Entwicklung des Kapitalismus in Rußland“ und nahm zahllose Kontakte zu anderen politisch Verbannten auf.

Lenins Verbannung in Sibirien endete am 29. Januar 1900. Er verblieb zunächst – unter Polizeiaufsicht – in Rußland, bis er dann im Juli 1900 ins Ausland ging, um dort die Herausgabe der ersten gesamtrussischen Arbeiterzeitung „Iskra“ (Der Funke) zu leiten. In dieser Zeit arbeitete Lenin auch an seiner Schrift „Was tun?“ Der Untertitel „Brennende Fragen unserer Bewegung“ zielte vor allem auf die innerparteiliche Situation der im März 1898 in Minsk gegründeten Sozialdemokratischen Arbeiter­partei Rußlands (SDAPR). In ihr hatten ökonomistische Auffassungen einen erheblichen Einfluß. Trotz der Gründung der Partei arbeiteten die einzelnen Gruppen relativ isoliert voneinander. Die Partei besaß kein einheitliches Programm, kein Statut, keine einheitliche Taktik, keine Leitung der Bewegung von einem Zentrum aus.

Mit der „Iskra“ und schließlich mit Lenins Schrift „Was tun?“ wurde die Tür zur Schaffung einer einheitlichen marxistischen Arbeiterpartei in Rußland geöffnet. Auf dem II. Parteitag der SDAPR im Juni/August 1903 in Brüssel und London konnten sich in harten Auseinandersetzungen die Auffassungen Lenins und seiner Anhänger bei der Verabschiedung eines Programms und des Statuts der Partei durchsetzen. Damit wurde der historisch so bedeutsame Schritt zur Schaffung einer revolutionären marxistischen Arbeiterpartei in Rußland vollzogen.

Gestützt auf „UZ“