RotFuchs 188 – September 2013

Wird Syrien zu Obamas Irak?

RotFuchs-Redaktion

Barack Obama – zweifellos ein kluger Mann – ist dennoch bei seinem dümmlich-bornierten Vorgänger George W. Bush in die Schule gegangen. Anders ausgedrückt: Erfand der eine Saddam Husseins dann niemals entdeckte „Massenvernichtungswaffen“, die als Vorwand für den Überfall der USA auf Irak dienten, dann will der andere plötzlich „Chemiewaffen“ bei der Armee des syrischen Präsidenten Assad entdeckt haben, was ein direktes Eingreifen der Vereinigten Staaten gegen Damaskus „moralisch“ rechtfertige.

Obamas imaginäre „rote Linie“, die angeblich überschritten worden sei, ist in Wahrheit nichts anderes als eine Neuauflage der Lügenstory des schon jetzt als „Mr. Smallbrain“ in die Geschichte eingegangenen Präsidenten Bush. Vieles deutet darauf hin, daß Washington ein zweites Libyen ins Kalkül ziehen könnte, das sich ohne russisches Stoppschild wohl längst ereignet haben dürfte.

Seit 2011 hat Obamas Pentagon den auf die Liquidierung eines unabhängigen und funktionsfähigen syrischen Staates hinwirkenden „Freiheitskämpfern“ Tausende Tonnen Handfeuerwaffen und Munition aller Typen geliefert. Die „New York Times“ lüftete jetzt ein bisher streng gehütetes Geheimnis: Sie gab preis, daß die CIA mit Hilfe Saudi-Arabiens und Katars eine ständige Nachschublinie für die syrischen „Regimegegner“ eingerichtet habe. Im Klartext heißt das: Zehntausende Menschen auf beiden Seiten – vor allem aber ins Kreuzfeuer geratene Zivilisten – hätten ohne Obamas Einmischung in einen vom Imperialismus angeheizten Bürgerkrieg nicht sterben müssen.

Ihre massive Intervention bezeichnen die USA bis heute als „non-lethal aid (nicht tödliche Hilfe – RF) für oppositionelle Kräfte“.

Wie einst bei der Auslösung des Überfalls auf Irak tragen die bürgerlichen Medien auch durch Verbreitung von Horrorgeschichten über Syrien, die in jeden Winkel der Erde gelangen, schamlos zur Verschärfung der Lage bei. So kolportierten sie Obamas Behauptung über Assads Chemiewaffeneinsatz, obwohl sich unabhängige Experten längst gegen die „Vermutungen“ des US-Präsidenten ausgesprochen hatten.

Übrigens ist es Sache der UNO, einem solchen Verdacht gegen ein Mitgliedsland nachzugehen. Die nicht gerade als antiamerikanisch geltende UN-Topjuristin Carla del Ponte erklärte: „Den Beweisen zufolge, die wir gesammelt haben, setzen die Rebellen diese Waffen ein, wobei sie von Sarin Gebrauch machen.“

Auch der seit Jahren als UN-Generalsekretär amtierende ehemalige südkoreanische Außenminister Ban Ki Moon, der ebenfalls kaum unter den Gegnern der USA angesiedelt sein dürfte, nannte Obamas Option für direkte Waffenlieferungen an die vom Imperialismus erfundene und installierte „Freie Syrische Armee“ eine „schlechte Idee“, die „wenig hilfreich“ sei. Doch wie George W. Bush brüskiert auch „Friedensnobelpreisträger“ Barack Obama weiterhin die Gremien der Vereinten Nationen.

In Washington wurde schon sehr früh die Entscheidung getroffen, eine Handvoll reicher Emigranten in einer durch die USA offiziell anerkannten „Regierung Syriens“ zu versammeln und zugleich Druck auf die „NATO-Partner“ auszuüben, diese sinistre Kreation ebenfalls als „legitimes Kabinett“ zu betrachten.

Zugleich sorgten die USA dafür, daß Syriens Nachbarstaaten Jordanien, Libanon und Türkei, welche mit Damaskus zuvor keinerlei ernste Differenzen gehabt hatten, ihre diplomatischen Beziehungen zum „Assad-Regime“ abbrachen. Sie taten das unter massivem Druck aus Übersee. Dieser Schritt trug zur weiteren Destabilisierung einer Region bei, die sich noch nicht von den schrecklichen Folgen des Irak-Krieges zu erholen vermocht hat.

Obama gab die Parole „Assad muß fallen!“ – verbunden mit der Ankündigung unverhüllter eigener US-Nachschublieferungen an die „Rebellen“ – zu einem Zeitpunkt aus, in dem die syrische Armee die Lage in weiten Teilen des Landes militärisch unter Kontrolle zu bringen begann.

Der frühere US-General Wesley Clark erläuterte in der „New York Times“ einige Gründe für Obamas „Brinkmanship“, wie man in den Vereinigten Staaten seit den Tagen des berüchtigten Außenministers John Foster Dulles einen Kurs des Balancierens am Rande des Abgrunds bezeichnet. „Präsident Obamas Entscheidung, den Rebellen Handfeuerwaffen und Munition zu liefern, ist möglicherweise nur der erste Schritt zu einer direkten amerikanischen Intervention … Wir bedienten uns einer ähnlichen Strategie 1999 gegen den serbischen Führer Slobodan Milosevic in Kosovo, wo ich damals die US-Streitkräfte befehligte, und zeigten, daß die NATO die Fähigkeit zur Eskalation besitzt.“

Obamas Vorschlag zur Einrichtung einer längst angedachten Flugverbotszone über Syrien sei nur ein euphemistischer Ausdruck für einen Krieg ohne Einschränkungen, da solche Zonen erfahrungsgemäß die totale Vernichtung der gegnerischen Luftstreitkräfte, sämtlicher Boden-Luft-Raketen und anderer Teile der Infrastruktur des betroffenen Landes zur Voraussetzung hätten.

In Libyen hatten die USA und andere NATO-Mächte die unter Bruch des Völkerrechts gegen Tripolis verhängte Flugverbotszone in kürzester Frist zu einem großen Krieg ausgeweitet, der im Sturz der Regierung Gaddafi mündete. Dieses „Modell“ scheint dem US-Präsidenten auch im Hinblick auf Syrien vor Augen zu schweben.

Übrigens ist der arabische Staat wie die USA einer der 51 Gründer, welche am 26. Juni 1945 in San Francisco die Charta der Vereinten Nationen unterzeichnet haben. Deren Artikel 2 besagt: „Alle Mitglieder sollen sich in ihren internationalen Beziehungen der Drohung mit oder des Gebrauchs von Gewalt gegen die territoriale Integrität oder politische Unabhängigkeit irgendeines Staates … enthalten.“

RF, gestützt auf „The Guardian“, Sydney, und „Global Research“, Kanada