Wirklich etwas können
oder „Mehr scheinen als sein“?
Im März-„RotFuchs“ schrieb Nico Jühe, einer der jungen Autoren, die in unserer Zeitschrift jetzt öfter das Wort erhalten, den wichtigen Satz: „… Der ,RotFuchs‘ ist ein erbauliches Medium, wenngleich ich gestehen muß, daß mir der Meinungsstreit, das produktive Austauschen von Standpunkten, noch zu kurz kommt“. Dem stimme ich als 76jähriger Rentner zu. Um die Diskussion zu beleben, will ich ein Problem aufwerfen.
Die derzeit tonangebenden Medien trichtern jungen Menschen beharrlich folgendes ein: „Wenn Ihr etwas werden wollt, dann müßt Ihr Euch gut verkaufen.“ Sogar entsprechende „Weiterbildungsmaßnahmen“ für „richtiges Bewerben“ werden angeboten. Wie in der gesamten „Branche“ heißt die Devise: Mehr scheinen als sein. Dabei muß keineswegs drin sein, was draufsteht. Mit dieser Lebensphilosophie ist an Falschheit alles möglich.
Ein solcher „Stil“, den wir nicht gewohnt waren, wurde 1990 auch einstigen DDR-Bürgern aufgezwungen, mußten wir uns doch nun um eine Arbeitsstelle oder einen Studienplatz bewerben.
Allerdings wäre es wohl kaum einem DDR-Bürger eingefallen, sich um eine Leitungsfunktion – heute nennt man das Managerposten – in der Wirtschaft oder um ein politisches Amt zu bewerben. Die Besetzung freier Stellen wurde ganz anders geregelt.
Meist lud die jeweilige Leitung von sich aus Kollegen ein, die aufgrund ihres Gesamtverhaltens und bisheriger Arbeitsergebnisse ins Auge gefaßt worden waren. Man fragte sie, ob sie die angebotene Position übernehmen wollten. Die Betreffenden konnten verhandeln, ablehnen oder zusagen. –Häufig stellten Verantwortliche auch fest, daß hier oder dort aus diesem oder jenem Grunde eine Neubesetzung erforderlich sei. Waren die in Erwägung Gezogenen SED-Mitglieder, dann konnte es durchaus passieren, daß sie den Parteiauftrag erhielten, eine bestimmte Aufgabe zu übernehmen. Um ein solches Angebot abzulehnen, bedurfte es überzeugender Argumente oder begründeter Einwände.
Was ist nun besser: sich gut zu verkaufen oder auf Grund seiner Persönlichkeit und gezeigter Leistungen „aufzusteigen“? Im ersten Fall ist immer damit zu rechnen, daß die Betreffenden Erwartungen nicht erfüllen können, wenn sie „zu dick“ aufgetragen haben, was zur Angst vor Entdeckung führt. Im zweiten Fall ist man in der Regel bemüht, ohne Furcht sein Bestes zu geben.
Natürlich gab es auch in der DDR hier und dort „Vetternwirtschaft“, bei der frei gewordene Positionen an persönliche Freunde oder Bewunderer ihrer Chefs vergeben wurden. Doch ganz überwiegend spielten bei der Auswahl von Kandidaten sachliche Kriterien die entscheidende Rolle. Auf Defizite hat ja Rudolf Krause in seinem Beitrag „Als das ,Ohr an der Masse‘ taub wurde“ im April-RF zu Recht verwiesen.
Bei einem neuen sozialistischen Anlauf müßten Garantien dafür geschaffen werden, daß sachlich oder charakterlich ungeeignete Funktionsinhaber sowie Personen, die ihre Macht mißbrauchen, generell rasch ersetzt werden können.
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