„Wer lernen will, kann diskutieren“
Wissenschaftliche Weltanschauung erlebt
Die Karl-Liebknecht-Schule der DKP befindet sich in einem Gebäude der Arbeiterbewegung in Leverkusen. Es wurde Anfang der 30er Jahre als „Volkshaus“ von revolutionären Arbeitern errichtet und von den Faschisten enteignet. Nach 1945 kam das Haus in den Besitz der Kulturvereinigung Leverkusen. Mieter und Hauptnutzer dieser Einrichtung ist die Karl-Liebknecht-Schule.
Seit mehreren Jahren gehört marxistische Bildungsarbeit zu den vorrangigen Aufgaben der Schule. Angeboten werden Wochenend- und Grundlagenseminare über mehrere Tage. Die Schule gibt außerdem der SDAJ Raum für ihre regelmäßigen Zusammenkünfte und ermöglicht Treffen ausländischer Genossinnen und Genossen. Unser „Hausmeister“, Mustafa, sagte einmal: „Haus gehört Arbeiterklasse.“ Für mich ist es ein Ort gelebter Solidarität.
Als ich vor sieben Jahren das erste Mal dieses Gebäude betrat, fühlte ich mich dort sofort heimisch. Weil die Schule genügend Übernachtungsmöglichkeiten bietet, geht man nach den Seminaren nicht wieder auseinander. Bei Bier, Wein und guter türkischer Küche sitzen die Genossinnen und Genossen oft lange zusammen, um zu diskutieren und Erfahrungen auszutauschen oder einfach mal gemeinsam herzlich zu lachen.
Das Seminar, das am 17. und 18. September stattfand, war dem marxistischen Philosophen Hans Heinz Holz gewidmet, der sich die Erforschung und Weiterentwicklung der dialektisch-materialistischen Philosophie zur Lebensaufgabe gemacht hatte und mitbeteiligt war an der Ausarbeitung des aktuellen Parteiprogramms der DKP.
Er gehörte bis zu seinem Tod im Dezember 2011 dem „RotFuchs“-Autorenkreis an. Das Seminar war Teil der Reihe „Politische Philosophie und philosophische Politik“ und gab eine Einführung in Holz’ Buch „Kommunisten heute – Die Partei und ihre Weltanschauung“ (hier nachzulesen). Wie wir erleben durften, ein alles andere als trockener Stoff! Es kommt nämlich darauf an, wie man an Texte herangeht, welche gedanklichen Verbindungen geschaffen werden, was jeder einzelne in die Diskussion einbringen kann. Unser Referent Andreas Hüllinghorst schlug vor, den Text Schritt für Schritt durchzuarbeiten – ein Vorgehen, das sich aufgrund der unterschiedlichen Erfahrungen der Teilnehmer als richtig erwies. Aber gerade diese führten zu der gelungenen und alle bereichernden Schulung. Wir waren erstaunt, was durch gemeinsame Arbeit aus einem philosophischen Text von hohem Abstraktionsniveau herauszuholen ist. Unser Schulleiter Jürgen Lloyd, der auch dabei war, formulierte: „Wer lernen will, kann diskutieren.“
Hans Heinz Holz schrieb das Buch nach der Niederlage des realen Sozialismus in Europa. Es ging ihm darum, in einer Zeit der Unsicherheit kommunistisches Selbstverständnis wiederzugewinnen und zu zeigen, wie wichtig dabei „die Frage der theoretischen Grundlagen in den kommunistischen Parteien in der Zukunft ist“. Denn wir haben eine Weltanschauung, die uns ermöglicht, selbst dann, wenn eine grundlegende Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse noch in großer Ferne liegt, nicht wie ein Blatt im Wind zu stehen. Politisches Handeln heißt nach Holz „gemeinsames Handeln gemäß ein und derselben Idee“, und „Kommunisten werden in ihrem politischen Handeln dadurch bestimmt, daß sie eine in ihren Grundzügen klar umrissene Auffassung von den Bedingungen haben, unter denen sich die Gesellschaft geschichtlich entwickelt hat“.
Zu den Schwerpunkten, die wir im Seminar diskutierten, gehörten die Frage der Bedingungen menschlicher Entwicklung und das Verhältnis zwischen Mensch und Natur. Die Natur unterliegt Gesetzmäßigkeiten. Wenn man das nicht erfaßt, hat das Folgen. Wir klärten Begriffe wie Selbstbewußtsein und fragten: Wie wird die Welt erkannt? Worin liegt der Unterschied zwischen Kant und Hegel? Was unterscheidet die idealistische von der materialistischen Philosophie? Es wurde eingehend diskutiert über das Verhältnis zwischen allgemeinen Begriffen und persönlicher Wahrnehmung. Nur dem Menschen ist es gegeben, Sachverhalte anderen nahezubringen, die sie so nicht erlebt haben. Der Text führte uns immer wieder in den politischen Alltag zurück. Meinungen auszutauschen ist etwas anderes als Situationen einzuschätzen. Diskussionen sollten von Sachlichkeit getragen werden, und kontrovers diskutieren heißt zu versuchen, sich durch Argumente zu verständigen. Dazu benötigen wir oft viel Geduld – auch die Einsicht, daß Fehler machen und Fehler korrigieren zum politischen Alltag gehört. Der dialektisch-historische Materialismus ist eine Weltanschauung und eine wissenschaftliche Methode zur Wahrheitsfindung, deren Blick auf die gesellschaftlichen Veränderungen gerichtet ist. Man denke nur am Marx und die elfte Feuerbachthese!
„Was gibt uns die Gewißheit, die richtige Theorie zu vertreten?“ fragt Hans Heinz Holz. Seine Antwort: „allein die geschichtliche Wahrheit“. Denn das Besondere einer kommunistischen Partei ist, daß ihre Theorie nicht die Interessen irgendeiner Gruppe vertritt, sondern „nur dann kommunistisch ist, wenn sie das Wohl aller anstrebt“. Damit wird erklärt, daß Arbeiterinteressen „allgemeine Menschheitsinteressen“ sind. Der Text ist auch ein Appell an uns, diese Theorie nicht zugunsten eines Jonglierens mit beliebigen Meinungen aufs Spiel zu setzen.
Die Krise der Partei, so Holz, ist nicht die Krise des Marxismus. Doch wie schwierig ist es, Menschen von der notwendigen Veränderung dieser Gesellschaft zu überzeugen, in einer Welt, in der alle Bereiche des Lebens dem Erhalt des Kapitalismus dienen, dessen Mechanismen nur schwer zu durchschauen sind. Gerade deshalb „erfordern viele neue Entwicklungen in der Welt unsere Antworten“.
Holz’ Ausarbeitung wirft auch einen Blick auf Lenins Schrift „Was tun?“, die eine Antwort auf Theorien wie die von Bernstein gibt. In der Auseinandersetzung zwischen Opportunismus und Dogmatismus in der russischen Sozialdemokratie entwickelte Lenin den „demokratischen Zentralismus“. Auch hier warnt Holz vor falsch verstandener Umsetzung des Begriffs des Prinzips innerhalb der Partei. Sie dürfe ihr Konzept „nicht als vorgegeben übernehmen“, sondern müsse es „aufgrund theoretisch sauberer Analysen in ihren eigenen Reihen erarbeiten und dauernd überprüfen“.
In unserer Auswertung wurde vor allem die konstruktive Gruppensituation betont. Das Seminar zeigte, daß Denken Freude machen und gemeinsame Arbeit am Text im Diskutieren schulen kann. Die unterschiedlichen Erfahrungen der Teilnehmer förderten die Zusammenarbeit. Sie zeigten, wie innerparteiliche Probleme gelöst werden können. Zwei erkenntnisreiche Tage ermutigten alle, sich auch künftig systematisch mit Fragen unserer wissenschaftlichen Weltanschauung zu befassen.
Es sei noch angemerkt: Die Teilnahme an den Kursen ist nicht nur DKP-Mitgliedern möglich. Die Tür steht allen Sozialisten und Kommunisten offen, die mit anderen diskutieren und etwas dazulernen möchten. Keine Angst: Das Angebot ist sehr breit und nicht nur philosophisch.
Wer mehr über die Karl-Liebknecht-Schule erfahren möchte,
wird auf der Website der KLS fündig:
http://www.karl-liebknecht-schule.org
Karl-Liebknecht-Schule der DKP
Am Stadtpark 68, 51373 Leverkusen
Telefon: 0214/45418, E-Mail:
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