RotFuchs 190 – November 2013

Brief eines deutschen „RotFuchs“-Lesers aus Portugals Süden

Wo die CDU noch Vertrauen verdient

Hermann Hans Janssen

Liebe Genossen!

Wenn ich Zeit dafür finde, bin ich ein fleißiger „RotFuchs“-Leser. Außer dem RF erhalte ich regelmäßig auch noch die UZ aus Essen. Ich habe Euch gerade 100 Euro überwiesen. Falls der Betrag für ein Jahr nicht ausreichen sollte, laßt es mich bitte wissen.

Seit 41 Jahren bin ich organisierter Kommunist. In der BRD gehörte ich 18 Jahre der DKP an, seit 23 Jahren bin ich nun bereits Mitglied der Portugiesischen Kommunistischen Partei – der PCP.

Ende September – also nach Eurem Redaktionsschluß für die Oktoberausgabe – finden bei uns Kommunalwahlen statt. Die Coligação Democrática Unitária – unsere Demokratische Einheitskoalition, kurz CDU – hat mich als ihren Spitzenkandidaten für die Munizipalkammer des Kreises Aljezur aufgestellt. Das ist für unser Linksbündnis insofern ein Novum, als sich zum ersten Mal ein Ausländer bei hiesigen Wahlen um ein solches Amt bewirbt.

Da ich unser schlechtes Abschneiden vor vier Jahren natürlich gerne wettmachen und die derzeitige absolute Mehrheit der rechtssozialistischen PS brechen möchte, gibt es allerhand zu tun.

Ich schicke Euch ein Flugblatt mit, welches wir bei der Vorstellung unserer Liste am 15. August auf dem Markt von Aljezur – direkt vor der Kirche – verteilt haben. Dort war ich übrigens auch gezwungen, die erste Wahlrede meines Lebens zu schwingen. Auf unserem Blättchen steht bemerkenswerterweise ein Verlangen, das in Deutschland völlig undenkbar wäre: Confiança na CDU – Vertrauen in die CDU!

Schon in den nächsten Tagen werde ich mit der drittplazierten Kandidatin der CDU-Liste, der 31jährigen Restauratorin und Schauspielerin Maria do Carmo da Cruz, das Industrierevier von Aljezur besuchen, wo wir uns vor Ort über die Sorgen und Nöte der kleinen Unternehmer informieren, um – wenn es sich anbietet – einige von ihnen unterbreitete Vorschläge in unseren Forderungskatalog einfließen zu lassen. In vier Freguêsias – wie die Gemeinden hier heißen – haben wir bereits Versammlungen unter Teilnahme unserer CDU-Kandidaten durchgeführt und im Ergebnis freimütiger Diskussionen eine Reihe von konkreten Ideen für unsere jeweiligen lokalen Vorhaben erarbeitet. Zur Zeit befasse ich mich mit einer Konzeption, wie wir in der Munizipalkammer – es handelt sich dabei um das Vollzugsorgan, das von einem Präsidenten (Bürgermeister) geführt wird – im Falle unserer Wahl vorgehen würden.

Anders als in Deutschland müssen sich unsere CDU-Vorstellungen in Sprache und Zielsetzung von den Konzepten der übrigen Parteien deutlich unterscheiden. Im Mittelpunkt steht dabei der Kampf gegen Armut, für die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Erhaltung unserer natürlichen Umwelt. Dabei geht es vor allem um den hiesigen Naturpark. Die Sprache, derer wir uns bedienen, darf nicht der Jargon von Bürokraten sein, sondern muß der Ausdrucksweise des Volkes entsprechen.

Ob wir nun gewinnen oder nur ein einigermaßen respektables Ergebnis einfahren – in jedem Falle werden wir einen langen Atem brauchen.

So, jetzt wißt Ihr, was in nächster Zeit so oder so auf uns zukommt. Mit 63 bin ich vielleicht schon etwas zu alt, um den Stier noch bei den Hörnern zu packen. Aber ich will einfach in Erfahrung bringen, ob man dieser kapitalistischen Barbarei nicht auch im Kleinen entgegenwirken kann. Es darf doch nicht sein, daß wir unser ganzes Leben – hier wie dort – vergeblich gekämpft haben. Die Hymne der portugiesischen Kommunisten beginnt mit den ermutigenden Worten: Avante camarada – Vorwärts Genosse! Sie spornt auch mich an.

Ich empfinde große Achtung vor Euch, die Ihr beim „RotFuchs“ versammelt seid, um unsere Sache in Deutschland aus dem Tal der Niederlage herausführen zu helfen. Es imponiert mir, wie Ihr die Kraft aufbringt, eine solche Zeitschrift als neuen Sammelpunkt für viele zu schaffen, die den Mut schon fast verloren hatten.

Herzliche Grüße aus Portugals Süden.

Nach Redaktionsschluß: Grândola zurückerobert!

Bei den portugiesischen Kommunalwahlen am 29. September konnte die CDU ihren Stimmenanteil landesweit von 9,9 auf über 11 %  steigern. Sie hielt sämtliche Hochburgen im industriellen Ballungsgebiet um Lissabon und Setúbal, während sie den schwächelnden Sozialisten die beiden alentejanischen Bezirkshauptstädte Beja und Évora sowie die vorübergehend von ihnen verwaltete Kreisstadt Grândola – Symbol der Nelkenrevolution – wieder abnahm.

Die Ausstrahlung des von den Faschisten Caetanos verbotenen José-Afonso-Liedes „Grândola, vila morena“ durch einen Rundfunksender war in der Nacht vom 24. zum 25. April 1974 das Aufstandssignal für die von antifaschistisch gesinnten Offizieren der Bewegung der Streitkräfte (MFA) geführten Armee-Einheiten. Noch in der Stunde ihrer Erhebung eilte den Soldaten das Volk mit der PCP an der Spitze zu Hilfe.

Im Algarve-Kreis Aljezur verfehlte die CDU leider den Einzug in die Exekutive, ist aber mit zwei Abgeordneten in der Munizipalversammlung vertreten.

K. St.