RotFuchs 216 – Januar 2016

Wolfgang Bittner:
Worte wider den Wahnsinn

Harry Popow

Das eindrucksvolle Sachbuch des in Göttingen lebenden Erfolgsautors Wolfgang Bittner „Die Eroberung Europas durch die USA“, dessen erste im Oktober 2014 herausgekommene Fassung einigen Lesern noch in guter Erinnerung sein dürfte, ist im November 2015 als wesentlich erweiterte Neuausgabe in einem anderen Verlag erschienen. Die analytisch-polemische Schrift ist durch den Autor um 45 Seiten bereichert worden. Es handelt sich um eine durchschlagende Nachladung in der Wortschlacht gegen die Kriegsgelüste der USA und der NATO, vor allem im Zusammenhang mit der von ihnen geschaffenen brisanten Krisensituation in der Ukraine.

Wolfgang Bittner stellte in der Erstausgabe fest, es werde mit Gewißheit weiter an der Eskalationsschraube gedreht. Jetzt bemerkt er, die Kritik am Aggressionskurs der westlichen Allianz gegen Rußland, der NSA-Spionagetätigkeit, den skrupellosen Lügen von Politikern und ihnen hörigen Medien habe „kaum Auswirkungen“, was immer auch geschrieben werde.

Der Kurs der Verschleierung, der Hetze, der Provokationen, der Kriegsgefahr sowie regionaler Krisen und Aggressionen werde weiterverfolgt. „Das Vorrücken der von den USA dominierten NATO bis unmittelbar an die Grenzen Rußlands hat zu einer Rüstungsspirale und permanenter Kriegsgefahr für Europa geführt“, resümiert Wolfgang Bittner. Das seien Gründe genug, um die entlarvende Polemik mit neuer verbaler Munition fortzusetzen.

Eingangs des zusätzlich erarbeiteten und der Leserschaft im Rahmen der Neuausgabe präsentierten Teils führt der Autor demaskierende Aussagen Brzezinskis, Kissingers und George Friedmans ins Feld, die eindeutig beweisen: Die Ukrainekrise wurde durch die USA, die NATO und die EU inszeniert, „um weiterhin gegen Rußland vorgehen zu können“. Das Hauptaugenmerk Washingtons aber sei darauf gerichtet, eine Koalition zwischen Deutschland und Rußland um jeden Preis zu verhindern. Die westliche Allianz wolle die Russen als Machtfaktor der Weltpolitik ausschalten und ökonomisch ruinieren, um ihr Land wie bereits ganz Osteuropa den westlichen Kapitalinteressen zu erschließen und den imperialen Zielen der USA unterzuordnen.

In diesem Zusammenhang wendet sich Bittner gegen die Täuschungsvokabel „Antiamerikanismus“. Sie sei ein „von der CIA geprägter Kampfbegriff“.

Aufschlußreich seien auch die inhaltlich konträren Reden Putins vom 24.10.2014 und Obamas vom 24.09.2014. Der Autor vergleicht beide miteinander. Während Putin zur humanitären Zusammenarbeit vom Atlantik bis zum Stillen Ozean aufrufe, behaupte Obama, Rußland stelle die Ordnung der Nachkriegszeit infrage, während den USA Recht vor Macht gehe. Deshalb werde man Rußland die Kosten für sein aggressives Handeln aufbürden. In einer Rede vor der US-Militärakademie behauptete Obama mit Weltherrschaftsanspruch: „Von Europa bis Asien sind wir der Dreh- und Angelpunkt aller Allianzen …“

Die in der Berichterstattung dominierenden Falschmeldungen der bürgerlichen „Qualitätsmedien“ zum Ukraine-Konflikt ins Visier nehmend, stellt Wolfgang Bittner die Frage, was mit dieser extensiven Feindbild-Propagierung bezweckt werden solle. Gehe es darum, die deutsche Bevölkerung wirklich auf einen großen Krieg in Europa vorzubereiten?

Auf die Krim-Problematik eingehend, verdeutlicht er den gravierenden Unterschied zwischen Annexion und Sezession – der Loslösung einzelner Landesteile aus einem bestehenden Staat mit dem Ziel, einen neuen souveränen Staat zu bilden oder sie mit einem anderen Staat zu vereinen. Gewissen Medien macht Bittner den Vorwurf, eine wirkliche Aufklärung über die tatsächlichen Verhältnisse in der Westukraine bewußt zu unterlassen und in bezug auf Rechtsextremismus, Korruption und Gewalttaten zu schweigen.

Unter dem Zwischentitel „Kriegsvorbereitungen“ wird nicht nur auf den berüchtigten Satz Poroschenkos vom 20. Mai 2015 verwiesen. man befinde sich in einem Krieg mit Rußland, sondern auch auf die Äußerung des seinerzeitigen polnischen Verteidigungsministers, die Periode des Friedens in Europa sei Vergangenheit. Im Juli 2015 habe General Joseph Dunford bei einer Anhörung im US-Kongreß behauptet, Putin stelle die größte Bedrohung für die Vereinigten Staaten dar. NATO-Strategen – so Wolfgang Bittner – schlössen inzwischen „begrenzte taktische Atomschläge“ gegen Rußland nicht mehr aus. Frau von der Leyen sei froh darüber, am Aufbau eines multinationalen Landstreitkräftekontingents aus 5000 Bundeswehrangehörigen bei deutscher Führung der Truppe beteiligt zu sein.

Und wie steht es mit Rußlands Verteidigungsfähigkeit? Der Autor verschweigt nicht, daß Moskau seit Beginn des Ukrainekonflikts ebenfalls aufrüste, allerdings defensiv. Er vermerkt, daß Präsident Putin im Juni 2015 bekanntgegeben habe, Rußland verstärke angesichts der Bedrohung durch die NATO sein Arsenal an Interkontinentalraketen, die mit Atomsprengköpfen versehen werden können. Fest installierte und mobile Interkontinentalraketen mit einer Reichweite von 11 000 km gehörten zum russischen Verteidigungsarsenal. Die sogenannten Topol-M-Raketen seien als Gegenstück zum US-Raketenabwehrschild zu betrachten.

Man muß deshalb die Meinung Wolfgang Bittners unbedingt unterstreichen, daß Westeuropa ohne einen Politikwechsel zum uneingeschränkten Einflußgebiet der USA werde. Nicht zuletzt auch dann, wenn es nicht gelinge, TTIP auszubremsen. Die Spaltung Europas von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer – einer Region, die sich erneut in einem Kalten Krieg mit Rußland befinde – sei „eine Jahrhunderttragödie“. Zur Zurückdrängung solchen Wahnsinns reichten Wortgefechte allein nicht aus. Entschlossene Gegenwehr sei das Gebot der Stunde.

Wolfgang Bittner:

Die Eroberung Europas durch die USA
Zur Krise in der Ukraine

Taschenbuch, 192 Seiten, Westend-Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2015
ISBN-978-3-86489-120-5 (überarbeitete und erweiterte Neuausgabe)

14,99 €

Siehe hierzu auch die „RotFuchs“-Buchbesprechung von Harry Popow.