Wie örtliche PDL-Funktionäre einen Rüstungsgroßauftrag feierten
Wolgaster „Teufelstanz“
Die etwa 12 000 Einwohner zählende alte Hafenstadt Wolgast in Vorpommern ist durch ein Wandgemälde in der Petrikirche, das als „Der Teufelstanz“ bezeichnet wird, weithin bekannt. Unentrinnbar holt der Tod jeden ein, ungeachtet seiner Lebensführung oder gesellschaftlichen Stellung – eine drohend-realistische Aufforderung zur Akzeptanz des mittelalterlichen Glaubens. Es heißt aber auch, „Wer mit dem Teufel tanzt, verfällt der Sünde.“ Und das ist, so könnte man meinen, auch heute noch nicht von der Hand zu weisen.
Am 2. März erteilte der geheime „Bundessicherheitsrat“ mit Frau Merkel und Herrn Gabriel einem 1,5-Milliarden-Euro-Rüstungsexportauftrag mit staatlich garantierter Hermes-Bürgschaft für Saudi-Arabien seinen Segen. Das ist fette Beute für die Bremer Lürssen-Werft, die im Dezember 2013 en passant die P & S-Werften aufgekauft hatte. Zu ihnen gehört die Peenewerft in Wolgast. Sie soll 100 Patrouillenboote an den erzreaktionären Feudalstaat – einen der wichtigsten Bündnispartner des US-Imperialismus im Mittleren Osten – liefern. Damit kann der Klüngel um König Saud, der die Menschenrechte mit Füßen tritt, seine restriktiven Maßnahmen fortan mit noch mehr Waffengewalt auch auf See ausüben und in den Schiffahrtsverkehr vom Suez-Kanal eingreifen. Das Pentagon bezeichnet den 15 000 Mann starken Küsten- und Grenzschutz der Saudis verharmlosend als „paramilitärische Einheiten“.
Nach der Washingtoner „Freedom-House“-Skala für politische Rechte und bürgerliche Freiheiten schneidet Saudi-Arabien in der gesamten Region am schlechtesten ab und wird als „völlig unfrei“ charakterisiert. Riad finanziert und organisiert seit einigen Jahren die systematische Destabilisierung Syriens und anderer Staaten dieses Teils der Welt.
BRD-Kanzlerin Merkel rechtfertigt die zahlreichen Waffenlieferungen an das üble Regime mit „Sicherheitsinteressen der westlichen Wertegemeinschaft an einem wichtigen Stabilitätsfaktor“. Die Grünen-Politiker Roth und Trittin wetterten seinerzeit mächtig dagegen, obwohl ihre Partei in solcherlei Dingen nicht ganz unbefleckt ist. Die SPD sprach zwar von Bedenken und „sorgsamem Abwägen“, steht aber voll hinter der Position Gabriels im „Bundessicherheitsrat“.
Die Partei Die Linke hält sich bisher in der Öffentlichkeit an die Forderung ihres Erfurter Programms, ein Verbot für Rüstungsexporte in das Grundgesetz aufzunehmen. Selbst ihre „Reformer“ spielen in dieser Frage taktisch mit. Der Grund: Nach dem schändlichen Votum solcher Mandatsträger wie Dietmar Bartsch, Stefan Liebich und Roland Claus bei der Bundestagsabstimmung über die BRD-Fregatte – immerhin bevorzugten 35 PDL-Bundestagsabgeordnete trotz Gysis anderslautender Empfehlung ein Nein – will man die Dinge nicht auf die Spitze treiben. Denn in der Öffentlichkeit stellt man die Frage „Weicht die friedenspolitische Position der Linken jetzt auf?“
Schuld an solchen Zweifeln sind außer den Jasagern im Parlament vor allem auch der Stadtverband und die PDL-Ratsfraktion in Wolgast. Sie überschritten sogenannte Haltelinien der eigenen Partei und veröffentlichten eine äußerst unerfreuliche Presseerklärung. Darin begrüßten sie ausdrücklich den milliardenschweren Rüstungsauftrag und suchten die Lieferung der Schiffe an Saudi-Arabien zu rechtfertigen. Es handele sich bei den Patrouillenbooten um keine Kriegswaffen. Sie seien vielmehr nur gegen Terroristen und Piraten einzusetzen. Der Auftrag sichere „die Zukunft junger Menschen in Ausbildung und Arbeit“.
Einmal mehr scherte sich eine Sektion der Linkspartei in keiner Weise um die eigene Programmatik und trabte munter Konzepten von CDU, SPD, FDP und AfD hinterher. Und das in einer Region mit besonders vielen Nazistimmen!
In jedem kapitalistischen Land dienen nicht wenige Beschäftigungsverhältnisse den Zielen imperialistischer Strategien, vor allem auch im Bau und Export von Schiffen. Die Arbeiter müssen ohne Auswahlmöglichkeiten zur Sicherung ihrer Existenz fast jede Art von Produktion ungeachtet der oftmals unerfreulichen Zwecke akzeptieren. Das war so in der Weimarer Republik, im Dritten Reich und in der alten BRD. Heute trifft diese für frühere DDR-Bürger völlig neue Situation auf ganz Deutschland zu.
Im Verlauf der Maritimen Konferenz, die am 3. Oktober 2010 in Wismar stattfand, verlangten die Vertreter der IG Metall und der PDL deshalb mit Fug und Recht Konversionsprogramme im technologisch hochwertigen Spezialschiffbau. Dessen Mißbrauch für militärische Zwecke müsse unbedingt verhindert werden.
„Realismus“ und „Zurückhaltung“ mahnen demgegenüber gewisse PDL-Politiker an, wie das Beispiel Wolgast zeigt. Von anderer Seite wird in der Linkspartei aber betont, daß man nie darauf verzichten dürfe, die Menschen unablässig über die verheerenden Auswirkungen kapitalistischer Rüstungsproduktion und daraus resultierender Waffenexporte aufzuklären. Soziale Defizite seien auf diesem Wege nicht behebbar.
Die Anerkennung der Existenzberechtigung eines menschenverachtenden Systems und seiner Kriegsproduktion ist kein politischer Realismus, sondern Kapitulantentum, das zu Kollaboration und Mitschuld führt. „Wer mit dem Teufel tanzt“, wird bald zu seinesgleichen. Wo liegt die Grenze? Wenn wir darauf verzichten, im Bewußtsein arbeitender Menschen Haltelinien in der Ethik und Vernunft zu ziehen, dann verfallen wir in die Denkweise jener Deutschen im Westen, die nach 1945 zu ihrer Verstrickung in Naziverbrechen erklärten, sie hätten ja schließlich nur ihre Familien ernähren müssen. Da sei ihnen gar nichts anderes übriggeblieben, als in SS, Polizei oder Naziwehrmacht „mitzumachen“.
Als Beispiel mag hier Irma Grese genannt sein, die als armes Mädchen vom Lande ihre Chance im NS-Justizvollzugsdienst gesehen hatte. Wegen grausamer Folter von Gefangenen im KZ Bergen-Belsen wurde sie am 14. Dezember 1945 hingerichtet. Zuvor wurden ihr von Gleichgesinnten Briefe mit der Anrede „Mein armes Irmchen“ und Pakete mit Cadbury-Schokolade ins Gefängnis geschickt.
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