RotFuchs 224 – September 2016

Worte zur Zeitgeschichte
aus „Leipzigs Neue“

RotFuchs-Redaktion

Im Nachwort seines Buches „Mein Wort zur Zeitgeschichte“ schreibt der Historiker und Publizist Prof. Dr. Kurt Schneider: „Dem Verlauf und dem Ergebnis nach war das, revolutionstheoretisch bewertet, der Vollzug einer modifizierten Konterrevolution. In den sogenannten Fehlern der Einheit widerspiegelt sich das tatsächliche Wesen des Vollzugs der staatlichen Einheit. Die DDR war entstanden mit dem Anspruch, nicht nur Antipode zum Faschismus und Militarismus zu sein, sondern auch als Alternative zum Imperialismus zu fungieren. Die am 23. Mai 1949 gegründete BRD gab vor, der alleinige rechtmäßige deutsche Staat zu sein, dem das Recht zustünde, für ganz Deutschland zu sprechen und zu handeln. Sie anerkannte nicht die DDR-Staatsbürgerschaft, da es aus ihrer Sicht nur eine deutsche Staatsbürgerschaft – die der BRD – gäbe, womit sie de facto den territorialen Anspruch auf ganz Deutschland erhob. Die ökonomische und politische Entwicklung der DDR, ihre Resonanz und Anerkennung zu behindern, war ihr oberstes Gebot, dem die ,Hallstein-Doktrin‘ diente. Über lange Zeit vermied sie die Staatsbezeichnung DDR, für die der Begriff ,Zone‘ galt. Eine ausgefeilte psychologische Kriegsführung diente dem Ziel, die DDR ideologisch zu unterwandern. Heute dienen gleichartige Methoden dazu, die Geschichte der DDR zu diffamieren, um in der Bevölkerung ein Geschichtsbewußtsein zu manifestieren, das in der BRD die Krönung der deutschen Geschichte sieht, die das Gute in Geschichte, Gegenwart und Zukunft verkörpert. In dieser Geschichtsbetrachtung haben Leistungen, die für die DDR erbracht worden sind, keinen Platz. Damit werden gesellschaftliche Lebensleistungen insbesondere der DDR-Aufbaugeneration als im ,falschen System‘ verbrachtes Leben entwertet. In diesem Sinne ist auch die seit nahezu 25 Jahren Bundesrepublik praktizierte Rentenpolitik gegenüber ehemaligen DDR-Bürgern zu bewerten.

Der vorliegende Sammelband erscheint in einer höchst beunruhigenden Zeit. Die EU und die USA führen einen kalten Krieg gegen Rußland. Die Nato als das weltweit stärkste Militärbündnis verfolge die Philosophie, so wird erklärt, aus der Position der Stärke den Dialog zu führen, auch gegenüber Rußland. Deutschland sei gewillt, innerhalb von EU und Nato in stärkerem Maße Führungspositionen zu übernehmen, stärker als bisher die ,deutsche Farbe‘ in die Bündnisse einzubringen. Das geschehe ,nicht tollkühn und um jeden Preis‘, sondern mit ,deutscher Gründlichkeit und Beharrlichkeit‘. Dazu gehöre die Bereitschaft, ,wenn nötig, im Kampf für Menschenrechte auch zu den Waffen zu greifen‘. Und mit aller Deutlichkeit verkündete die deutsche Stimme auf der Sicherheitskonferenz in München 2014: ,Manchmal muß ein junger Mensch alles geben, und wenn es das eigene Leben ist.‘

Das ist ein Spiel mit dem Feuer. Es ist das der Vernunft total Zuwiderlaufende. Das geschieht in einer Zeit, in der die Weltfriedensbewegung so schwach wie nie in ihrer Geschichte ist. Das trifft auch zu auf die Linke als internationale Kraft, die den Schock, der für sie mit dem Untergang des Sozialismus in Europa verbunden war, längst noch nicht überwunden hat.“

Kurt Schneider:

Mein Wort zur Zeitgeschichte in „Leipzigs Neue“ 1993–2015

Leipzig 2015, 390 Seiten
ISBN 978-3-00-048-479-7

19,90 €