Wozu Dopingvorwürfe
instrumentalisiert werden
Wenn es gegen Rußland geht, wird selbst der Sport mißbraucht, um das Land an den Pranger zu stellen. Olympischen Spielen kommt dabei eine besondere Rolle zu. Sie sind seit jeher ein beliebtes Mittel, politischen Druck gegen die „andere Seite“ auszuüben. 1952 in Helsinki konnte nur eine deutsche Mannschaft – die der BRD – an den Spielen teilnehmen, da die DDR auf Betreiben bundesdeutscher Politiker im IOC nicht anerkannt war. 1980 boykottierten die USA sowie die Bundesrepublik Deutschland die Olympischen Spiele in Moskau wegen des Einmarsches sowjetischer Truppen in Afghanistan. Auch die DDR war davon betroffen. Dieser Beschluß, den wir sehr bedauerten, platzte mitten in die Vorbereitungen auf Olympia 1984 in Los Angeles. Die Sportler damit zu konfrontieren, war nicht einfach. Wir erlebten, wie bei erwachsenen Männern die Tränen flossen, da sie viele Jahre äußerst hart trainiert hatten, um bei diesem sportlichen Höhepunkt dabeisein zu können. Wir erinnern auch daran, daß in jener Hoch-Zeit des kalten Krieges gerade Sport und Olympia geeignet gewesen wären, Völkerverständigung und ein friedliches Miteinander sowohl im Wettkampf wie auch in Gesprächen zu fördern und dazu beizutragen, daß sich Menschen und Völker näherkommen.
Heute wird Politik – man denke nur an das Stichwort Doping – erneut auf dem Rücken der Sportler ausgetragen. Natürlich sollten überführte Dopingsünder ausgeschlossen werden. Aber ganze Verbände oder gar ganze Länder auf Grund einzelner Verfehlungen die Teilnahme zu verweigern, ist Sippenhaft, ungerecht und verfolgt in Wahrheit nur das Ziel, Rußland politisch wie gesellschaftlich zu schwächen und so auch mehr Medaillen für sich zu gewinnen, wie der abschließende Medaillenspiegel unschwer erkennen läßt.
In diesem Zusammenhang hat sich besonders der Journalist Hajo Seppelt – ein ausgewiesener Rußlandhasser – exponiert. Er sollte besser die Dopingproblematik in der BRD aufarbeiten. Mit seinen unbewiesenen Veröffentlichungen schadet er der Leichtathletik und dem gesamten Sport. Was ist z. B. mit Dopingpraktiken der Freiburger Ärzte, was mit Dr. Armin Klümper, vom Innenministerium finanziell unterstützt? Was ist mit Evi Sachenbacher während der Olympischen Spielen in Sotschi, was ist mit dem Ringer Leiphold, dem man die Goldmedaille bei Olympia in Sydney wegen Doping aberkannt hat? Was ist mit der Leichtathletin Birgit Dressel, die in Behandlung von Dr. Klümper war und nach einem „Medikamentenmix“ verstorben ist?
Was ist mit den Radsportlern Jan Ullrich, Erik Zabel, Rolf Aldag und anderen? Was ist mit den US-Amerikanern, die nachweislich im Radsport und in der Leichtathletik gedopt haben? Was ist mit den Sportlern anderer Länder, die bei Nachproben ermittelt wurden, oder was ist mit Kenia, wo massiv gegen die Dopingregeln verstoßen worden sein soll? Es ist kein russisches Problem allein.
Niemand kann im Ernst glauben, daß in Rußland gedopt werde und im Rest der Welt nicht. Inzwischen wurde Rußland auch von den Paralympics ausgeschlossen. Hier bestraft man die bereits durch ihre Behinderung betroffenen Sportler noch einmal, egal ob sie sich den Regeln entsprechend verhalten haben oder nicht. Zusätzlich verabschiedete das IOC einige Sofortmaßnahmen. Unter anderem werden vorerst keine lOC-Sportveranstaltungen in Rußland mehr organisiert. Auch die Planung möglicher Europaspiele 2019 in Rußland wurde auf Eis gelegt.
Das vorläufige Ende der antirussischen Kampagne, die seit den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014 auf Hochtouren läuft und mit der die westlichen Länder auf der sportpolitischen Ebene geschafft haben, was sie auf der geopolitischen nicht vermochten: die Isolierung der Russischen Föderation, neben China das größte Hindernis zur Durchsetzung ihrer ökonomischen Interessen. Solange die Welt des Spitzensports kommerzialisiert bleibt, wird es immer Doping geben.
Willi Tepper / Erhard Richter†, Berlin
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