Zärtlicher Vater
1961 zeichnete ich ihn auf Kuba, in Havanna, der großen Stadt. Eigentlich wollte ich nicht ihn, sondern seine junge Frau zeichnen. Da sah ich ihn mit seinem kleinen Mädchen im Arm. Es war eine solche jubelnde, elementare Zärtlichkeit, die mich sehr bewegte. Er sprach zu dem Kind Liebesworte, voller Stolz und überströmendem Gefühl.
Gestern noch verelendet, gestern noch verachtet, von den Unteren der Unterste – heute ein stolzer, glücklicher Vater. Und seine Kinder bedeuten ihm sein neues, freies Leben, seine Zukunft. So schnell ich nur konnte, mußte ich zeichnen, mußte ich diesen köstlichen Schatz menschlichster Gefühle einfangen und festhalten. Wie lange liegt ein kleines temperamentvolles Negerkind still, wenn es nicht schläft, auch wenn seine Wiege Vaters gute, starke Arme sind! Und weil ich Rafael liebhabe, in seinem fröhlichen Stolz eines Menschen, der für seine Befreiung gekämpft hat, so wollte ich seine schwarze, glänzende Haut so schön malen, wie ich nur konnte, in Glanz und reichen Tönen. Meine Tusche sollte all ihre Pracht hergeben.
Schön ist das Zueinander der Hände. Wie zart können Rafaels schwere Arbeitshände sein! Und zutraulich und lieblich ruht die kleine runde Hand auf seinem Arm. Soll ich zeigen, daß Rafael sorgfältig gekleidet ist, einen Schlips trägt? Das heißt, daß er jeden Tag Arbeit hat, daß die Arbeitslosigkeit der verfluchten Batista-Diktatur mit ihr vergangen ist. Nein, alles, was vom Wichtigsten ablenkt, muß wegbleiben. Aber ich zeichne die Haarschleifen der Kleinen, ihr schönes Kleidchen – dafür hat der Vater gearbeitet. Und die Mutter hat sie gepflegt, die krausen Haare gebändigt, die Zöpfchen geflochten – ein geliebtes, versorgtes Kind des neuen, freien Kuba.
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