RotFuchs 194 – März 2014

Zartrosa ist nicht Rot

Wolfgang Mäder

Unsere Sprache lebt, und ihr Wortschatz verändert sich ständig. Das ist ganz natürlich und hat vielfältige Ursachen. Manches ist dabei auch vom sich heute als neoliberal vermarktenden Herrschaftsklüngel politisch so gewollt, also Teil des Klassenkampfes von oben. Das erleben wir nicht zuletzt beim Umgang der bei uns tonangebenden politischen Kräfte und ihrer Medien mit dem Begriff „Faschismus“, den man zu umgehen oder zu vermeiden sucht. Wenn es um den Charakter des in Deutschland zwischen 1933 und 1945 herrschenden Terrorregimes geht, wurde er aus dem Sprachgebrauch verdrängt und durch den einst von den Hitlerfaschisten in demagogischer Absicht selbst geprägten Terminus „Nationalsozialismus“ ersetzt.

Konsequent linke Kräfte leisten dagegen Widerstand, wie das z. B. auf einer diesem Thema gewidmeten wissenschaftlichen Tagung der DKP-nahen Wuppertaler Marx-Engels-Stiftung im Februar 2013 geschah. Dort hielt der namhafte DDR-Faschismusforscher Prof. Kurt Pätzold ein Grundsatzreferat über die besonders auch im Bildungswesen zu beobachtende Renaissance der irreführenden Vokabel „Nationalsozialismus“.

Der „neoliberale“ Kampf um diesen Terminus ist alles andere als ein bloß sprachlicher Lapsus. Allein die phonetische Nähe der Worte „Sozialismus“ und „Nationalsozialismus“ läßt sich bestens für die Totalitarismusdoktrin von den zwei angeblich gleichartigen Diktaturen ausschlachten. Das Ganze gipfelt dann im antikommunistischen Slogan „Rot gleich Braun“. Damit kann man besonders in Wahlkampfzeiten irregeführte Bundesbürger vor den eigenen Karren spannen.

All das setzt sich dann in der praktizierten Politik fort. Nicht ohne Hintergedanken bedient man beim Parlaments- und Regierungstreiben mit besonderer Vorliebe eingebürgerte „Signalfarben“, darunter auch das traditionsschwere „Rot“. Die einst als Partei der Arbeiterklasse gegründete, aber seit spätestens 1914 in das Lager des deutschen Chauvinismus überwechselnde SPD verkauft sich – ihre Wähler zum Narren haltend – noch immer als „rote“ Partei. Die manipulierte Medienkundschaft der BRD greift solche Signale gierig auf. Regierungskoalitionen nennt man entweder „Rot-Grün“ oder „Schwarz-Rot“, seitdem das „Gelb“ der FDP unter den Tisch gefallen ist. Ohne das „Rot“ der SPD, das in der Realität eher an „Zartrosa“ erinnert, funktioniert auch keine „Ampel“.

Apropos „Rot“: Über das von Beigedrehten und Angepaßten, aber auch Illusionen Nachjagenden vorsorglich schon jetzt für die Bundestagswahlen 2017 ins Spiel gebrachte „Rot-Rot-Grün“ kann man hier getrost hinweggehen.

Beim historisch zwar fälligen, in der gesellschaftlichen Wirklichkeit der BRD aber noch keineswegs herangereiften künftigen Entrümpeln wird auch das antiquiert-skurrile, buntschillernde Kaleidoskop auf der politischen Müllhalde landen – zusammen mit dem ganzen System.

Dafür kämpfen wir illusionslos und mit langem Atem. Unsere Siegeszuversicht, die auch durch die bisher schwerste Niederlage der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung nicht erloschen ist, folgt keiner der genannten Schattierungen von Farbenblindheit. Sie ist „fuchsrot“.