Zur Einheit von Bildung und Erziehung
Am 25. April 2013 fand im Plenum des Bundestages eine Diskussion über die Möglichkeiten zur Verbesserung der Qualität der Bildung an den allgemeinbildenden Schulen der BRD statt. Kaum berührt wurde dabei die Aufgabe der Erziehung, wobei seriöse Pädagogen davon ausgehen, daß Bildung und Erziehung eine Einheit darstellen. In der DDR galt dieses Prinzip auf allen Ebenen.
Als Bildung betrachtet man die Summe und Art von Wissen, Kenntnissen, Erkenntnissen und Methoden. Unter Erziehung sind die Ausprägung von Verhaltensweisen und die politische Positionierung zu möglichen Optionen zu verstehen. Dazu gehören vor allem: Demokratieverständnis, Sozialverhalten, Freiheitsinhalte, Solidarität, Toleranz und Friedfertigkeit.
Es geht um die Unterrichtskultur in ihrer Einheit von Bildung und Erziehung.
Eine kurze Charakterisierung der heute noch weitverbreiteten Unterrichtsmethoden soll den Kontrast zu neueren Lösungen deutlich machen. Allgemein bekannt ist der „Frontalunterricht“, der darin besteht, daß „ein fertiges Produkt“ vom Lehrer an den Lernenden weitervermittelt wird. Das ist Aneignung von Erkenntnissen und Ergebnissen der Wissenschaft, die aufbereitet, systematisiert, logisch aufgebaut mehr oder wenig verständlich dargeboten werden. Gedächtnisbeanspruchung und -leistung haben Priorität.
Neuartige Unterrichtsmethoden, die praktiziert oder angesteuert werden, stützen sich auf Ideen, die bereits 1792 durch Wilhelm Humboldt propagiert wurden. Bildung heißt da: „… sich selbst zu bilden“ in der Auseinandersetzung mit der Welt.
Der 1977 verstorbene William Chomsky – Vater von Noam Chomsky – sah das Hauptziel seines Lebens in der „Erziehung von Individuen, die ausgewogen, frei und unabhängig denken, sich um die Verbesserung der Welt sorgen und sich eifrig daran beteiligen, das Leben für alle sinnvoller und lebenswerter zu gestalten“.
Es geht zunächst einmal vor allem darum, das Denkvermögen zu schulen, sich Denkoperationen anzueignen, die für eine kreative Tätigkeit unabdingbar sind.
Hierzu gehören Fähigkeiten zur Analyse von Sachverhalten, zum Aufdecken kausaler Zusammenhänge, zur komplexen Betrachtung und Beurteilung eines Problems. Ziel ist das Erkennen logischer Folgewirkungen, das Verallgemeinern von Fakten und das Herauskristallisieren von Definitionen. Behauptungen sind nicht als Sachverhalte zu akzeptieren. Stets muß nach Ursachen oder Abhängigkeiten und Lösungen nach gesellschaftlichen Kriterien gesucht werden.
Isabel Allende charakterisiert diese Gedankengänge in ihrem Buch „Porträt der Sepia“ wie folgt:
„Da meine Großmutter nun darauf verzichtet hatte, mich in die Schule zu schicken und der Unterricht bei Señora Pineda zur Gewohnheit wurde, war ich sehr glücklich. Jedes Mal wenn ich eine Frage stellte, zeigte mir die großartige Lehrerin den Weg, die Antwort selbst zu finden. Sie lehrte mich, die Gedanken zu ordnen, zu forschen, zu lesen und zu lauschen, Alternativen zu suchen, alte Probleme mit neuen Lösungen zu klären, logisch zu diskutieren. Vor allem lehrte sie mich, nicht blind zu glauben, sondern zu zweifeln und zu fragen, auch das in Frage zu stellen, was unumstößliche Wahrheit zu sein schien, wie etwa die Überlegenheit des Mannes über die Frau oder einer Rasse oder einer Gesellschaftsklasse gegenüber einer anderen …“
Steht die Wissensaneignung im Vordergrund, was wohl heute noch am häufigsten der Fall ist, dann ist zu erwarten, daß die Wertevermittlung darunter leidet. Manchem mag diese Version genehm sein, weil sie ihn der Auseinandersetzung über Wertungen enthebt. Wird Bildung aber mehr im Sinne von Persönlichkeitsbildung gesehen, dann ist die Chance für eine positive Werteaneignung gegeben. Diese Diskrepanz in der Umsetzung des Bildungsbegriffes kann gerade unter den Gegebenheiten der kapitalistischen Gesellschaftsordnung mit vielfach umstrittenen Wertvorstellungen bei den Lehrenden nicht konfliktlos sein.
Weitere Gesichtspunkte neuer Unterrichtskultur sind komplementär zu den bisher dargelegten Sachverhalten von Bedeutung. Aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben bietet Möglichkeiten zur Praxisanwendung der erworbenen Fähigkeiten und Haltungen. So hat sich am Gymnasium Neukloster (MV) ein Schüler/Lehrer-Projektkurs „Schule ohne Rassismus“ auf Initiative eines Schülers gebildet. Offene Auseinandersetzung und Aktionen gegen Gewalt und Rassismus werden gefordert und vertreten. Solche Aktivitäten werden sinnvoll ergänzt durch die Förderung der musischen Anlagen der Kinder. Musik und Sport gehören zu einer aktiven Erlebniswelt in der Schule. Überhaupt kommt es darauf an, das Denken in all seinen Variationen nicht isoliert zu sehen. Lösungen finden, neue Wege erkunden und aktiv sein, was auch Spaß machen kann!
Es geht darum, das Verhältnis Lehrer – Schüler auf neuer Basis zu gestalten. So, daß mehr die gemeinsame Arbeit zum Unterrichtsprinzip erhoben und der traditionelle Autoritätsstatus der Lehrer abgebaut wird. Mehr Diskussion als Belehrung. Auch die Gruppenarbeit der Lernenden als Projektarbeit gehört dazu.
Praktika – aktive Gestaltung – gehen ebenfalls in diese Richtung. Lenkung des gemeinsamen Arbeits-Bildungsprozesses und individuelles Eingehen auf die Lernenden sind charakteristisch für diese Unterrichtskultur.
Für alle erfolgreich kann diese Version von Bildungs- und Erziehungsprozeß werden, wenn die notwendigen gesellschaftlichen Grundbedingungen dafür gegeben sind: Chancengleichheit, Gebührenfreiheit, Lehrende ohne Existenznöte und hilfreiche Partnerschaft mit dem Elternhaus.
Nicht konform mit dieser Konzeption sind solche Aktivitäten, wie sie von Unternehmen, Stiftungen und derlei wirtschaftsabhängigen Organisationen vorangetrieben werden. Als Beispiel sei das Projekt von „Vattenfall“ genannt, das im Land Brandenburg unter der Schirmherrschaft des dortigen Bildungsministers stattfand. Vertreter des schwedischen Energiekonzerns unterrichteten in Brandenburger Schulen nach einem Bericht von „Frontal 21“ über Umweltprobleme und gesunde Ernährung. An ausgewählten Beispielen wird die technologische Seite der Konzernstrategie erläutert, soweit diese dem Trend erneuerbarer Energie gerecht wird. Mit ähnlichen Aktivitäten hat sich auch die Bertelsmann-Stiftung in den Bildungsprozeß eingemischt. Solche Eingriffe sind das Pendant zur neoliberalen Privatisierungspolitik. Sie können nicht hingenommen werden, weil sie vor allem diesen Unternehmen den Nimbus gesellschaftlichen Engagements verleihen sollen, der im Widerspruch zu ihren sonstigen profitorientierten Handlungsweisen steht.
Es gilt, dem „Tatendrang“ der Konzerne entgegenzutreten und in der Öffentlichkeit eine Schule zu befürworten, die Mitglieder der Gesellschaft heranbildet, welche sich von Humanismus, Toleranz und Solidarität leiten lassen. Ihr Zukunftsideal ist eine sozialistische Gesellschaft.
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