Zur Kriegsbegeisterung erzogen
Supermanöver „Anakonda 16“ Anfang Juni in Polen – „nach dem kalten Krieg“
(ZDF, 7. Juni 2016) / Grafik: Gertrud Zucker
Als mein Vater im Jahre 2012 starb, erbte ich zwei alte Schränke, die in der Abstellkammer verstaubten. In einer Schublade entdeckte ich mehrere Schulhefte, in die mein Vater ab 1940 geschrieben hatte. Sie enthalten neben Arbeiten auf dem Gebiet der Naturkunde und Mathematik auch Niederschriften zur Rassenlehre und zur Verherrlichung des Krieges. Ein Diktat trug den Titel: „Die Tat eines mutigen Soldaten“:
„Es ist kurz vor Beginn des Westfeldzuges. Alle Soldaten liegen in ihren Bunkern. Plötzlich schrillt die Pfeife des Offiziers. Alle Mann springen von ihren Plätzen. Die Skatkarten bleiben liegen, und alles jagt hinaus. In wenigen Sekunden sind sie draußen angetreten. Der Hauptmann macht ihnen in kurzen Sätzen klar, um was es sich handelt. Heute noch in der Nacht soll ein Stoßtruppunternehmen ausgeführt werden. Es gilt, einen feindlichen Bunker zu vernichten, der uns gegenüber auf einem Berg liegt. Nun wird fieberhaft gearbeitet, denn der Stoßtrupp muß ausgerüstet sein. Handgranaten und Maschinenpistolen müssen mitgenommen werden. Jetzt ist es genau 24 Uhr. Der Stoßtruppführer, ein junger Leutnant, gibt den Abmarschbefehl. Wir marschieren los. Jetzt können wir noch ohne größere Vorsicht gehen, wir befinden uns ja innerhalb der deutschen Linien. Da ist der kleine Bach. Hier beginnt also das Niemandsland. Und drüben am Waldrand, der noch als dunkler Streifen sichtbar ist, liegt der Bunker, dem unser Auftrag gilt. Jetzt müssen wir auch in Deckung vorgehen, denn der Feind ist nahe. Bald haben wir uns so weit an den Bunker herangearbeitet, daß wir ihn vor uns liegen sehen. Unser Maschinengewehr lassen wir zur Flankendeckung zurück. Da plötzlich klingt zu uns ein fremder Laut herüber. Der französische Posten hat uns also schon bemerkt. Jetzt gilt es, schnell zuzupacken, sonst stoßen wir auf Abwehr, und auf unserer Seite würde es dann auch Verluste geben. Diese aber wollen wir vermeiden. Jetzt schnell vor. Aber der Feind ist bereits wach. Ein Hagel von Geschossen peitscht uns entgegen. Es gibt einige Verwundete auf unserer Seite. Wir ziehen uns in unsere Deckung zurück. Da ist unser Stoßtruppführer plötzlich weg. Jetzt sehen wir ihn uns gegenüber zum Bunker laufen. Schon ist er heran und schwingt sich auf den Bunker. Schnell wirft er die geballte Ladung in die Schießscharten und springt schnell wieder herunter. Jetzt eine große Explosion im Innern, und schon schweigen die feindlichen Waffen. Wir stürmen in den Bunker. Dicker Qualm schlägt uns entgegen. Hier hauste der Tod. Niemand vom Gegner lebt mehr. Hiermit ist der Bunker unser.“
Ich war erschrocken. Das soll mein Vater geschrieben haben? Ich begriff aber bald, daß solche Arbeiten sicher millionenfach in den Schulen des faschistischen Deutschlands diktiert wurden, und daß mein Vater damals ein Kind war, dessen unschuldiges Gemüt mißbraucht wurde. Unwillkürlich mußte ich an die Bundeswehr denken, die heute wieder an Schulen für neues Kanonenfutter wirbt. Die Methoden, die dabei angewendet werden, mögen psychologisch geschickter sein als die der Faschisten. Aber die Grundrichtung der Kriegshetze und Gewaltverherrlichung hat sich im Grunde nicht geändert. Wieder sind Lügen über eine angebliche Bedrohung aus dem Osten das Salz in der blutigen Suppe der Kriegstreiber. Wieder geht es in Wahrheit um den Profit derselben Profiteure wie einst. Und wie damals wird das Recht zum Morden mit einer angeblichen Überlegenheit westlicher Kultur und westlicher Werte gegenüber anderen Völkern begründet. Man benutzt nur nicht mehr das Wort Rasse, sondern spricht von einer „Wertegemeinschaft“, deren höchstes Gut, nämlich Frieden und Demokratie, ganz nebenbei herbeigebombt werden muß. Dabei setzt man sie ganz unbescheiden mit der Meinung der „Weltöffentlichkeit“ gleich, wenn ein neuer Krieg moralisch gerechtfertigt werden soll, obwohl die G7-Staaten gerade einmal 10,5 Prozent der Weltbevölkerung repräsentieren.
Jeder, der sein Kind dem Einfluß der Bundeswehrpropaganda in den Schulen, auf Rüstungsmessen wie der ILA oder anderen Veranstaltungen der deutschen Kriegsarmee aussetzt, sollte sich Aufsätze wie den hier wiedergegebenen anschauen.
Es wird hohe Zeit für eine Friedensbewegung, die aufrüttelt und die Kriegstreiber beim Namen nennt! Gerade Linke sollten das offen aussprechen. Wer aber von Regierungsbeteiligungen in den Kabinetten der Kriegsparteien träumt, wie es Führungskräfte in der Partei Die Linke tun, hat sich mit neuen Kriegsopfern schon längst abgefunden.
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