Zur Lüge vom Abzug der ISAF-Truppen
Experten sind nicht selten Leute, die genau erklären können, warum es nicht so gekommen ist, wie sie es selbst vorausgesagt haben. Zu diesem illustren Kreis gehört jetzt auch BRD-Kriegsministerin Ursula von der Leyen. Angesichts der erneuten Eskalation der Kämpfe und der zeitweiligen Eroberung von Kundus durch die Taliban erklärte sie, daß der Abzug der Bundeswehr vor zwei Jahren viel zu früh geschehen sei und man die dort verbliebenen, als Ausbilder und Berater firmierten Kontingente auf unbestimmte Zeit, zumindest aber länger als 2016, im Land belassen und sogar aufstocken müsse.
Bombardierter Tanklastzug
in Kundus
Dabei hatte man doch aus Afghanistan die ISAF-Truppen gerade mit der Begründung abgezogen, daß sich die „Sicherheitslage“ seit Ende 2014 ganz wesentlich verbessert habe, so daß man es der regulären afghanischen Armee zutrauen könne, selbst für Stabilität im Lande zu sorgen. Auf einmal galt das Motto: „Außer Spesen nichts gewesen.“ So übergab man der äußerst fragwürdigen Armee des mittelasiatischen Landes die ehemaligen Bundeswehrstützpunkte und einen Großteil der Waffen. Andere Staaten handelten ähnlich.
Während der zur „Verteidigung Deutschlands am Hindukusch“ betriebene Aufwand von rund 11 Milliarden Euro gerechtfertigt und die „auf dem Felde der Ehre“ Gefallenen mit überschwenglichem Heldenlob bedacht wurden, führte man die Hauptkontingente nach „Wahrnehmung ihres Auslandseinsatzes“ in die BRD zurück. Von den 4500 traumatisierten Soldaten, die als psychische Krüppel zurückkehrten, woran viele ihrer Familien zerbrachen, war bestenfalls beiläufig noch die Rede.
An früher Gesagtes konnte man sich kaum noch erinnern. Dabei soll der Überfall auf Afghanistan ursprünglich nur ein einziges Ziel verfolgt haben: die Gefangennahme Osama bin Ladens. Doch nicht einmal 150 000 Soldaten aus 48 Ländern konnten seiner habhaft werden. 45 Mann einer Sondereinheit der U.S. Army reichten schließlich aus, um ihn in seinem Versteck in Pakistan innerhalb von Sekunden zu überwältigen. Die Weigerung der Taliban, bin Laden an die USA auszuliefern, diente seinerzeit als Anlaß, deren Regime unter Mullah Oman zu stürzen und eine imperialistischen Maßstäben entsprechende „demokratische Ordnung“ in Afghanistan zu etablieren. Sie brachte 850 000 Zivilisten den Tod und verwandelte das ganze Land in einen einzigen Trümmerhaufen.
Washingtons Herrenmenschen-Illusion, man könne ein Land, das seit Jahrhunderten von Stammesfürsten, Clan-Chefs und Königen autoritär geführt wurde und dann ein kurzes Aufleben volksdemokratischer Verhältnisse unter linksgerichteten antifeudalen Kräften erlebte, eine „Demokratie“ westlichen Stils aufzwingen, richtete am Hindukusch einen irreparablen Schaden an. Die Greuel und Kriegsverbrechen der ISAF-Okkupanten bereiteten den Taliban einen fruchtbaren Boden. Ihr neuer Anführer Mullah Akhtar Mansoo, der mit logistischer Hilfe des pakistanischen Geheimdienstes ISI seine 15 000 Kämpfer vereint und organisiert hat, verfolgt das Prinzip: „Den westlichen Armeen gehören die Uhren, uns gehört die Zeit. Und es wird so lange gewartet, bis die ‚Allianz der Willigen‘ von alleine geht.“ Dabei hätte ein Blick auf Vietnam erkennen lassen, wie eine derartige Besatzung ihr Ende findet: Die U.S. Army, die in den 70er Jahren ihr Gesicht wahren wollte, das sie spätestens beim Massaker in My Lai (Son My) verloren hatte, „vietnamisierte“ ihren auf Napalmbomben und die angebliche Entlaubungschemikalie „Agent Orange“ gestützten Indochina-Krieg. Sie übergab der Satellitenarmee Südvietnams die Waffen, bevor sie sich in panischer Flucht aus dem Staub machte. Am Ende stand der Sieg des vietnamesischen Befreiungsheeres!
Die Teilnahme aller deutschen Kriegsparteien in Afghanistan unter Einschluß von SPD wie Grünen, die schon an der Aggression im Kosovo und in Jugoslawien bekanntlich aktive Mittäter waren, entlarvte sie als Gegner jeglicher Friedenspolitik. Für die Partei Die Linke muß das Verlangen nach Austritt aus dem Kriegspakt NATO eine zwingende Grundforderung sein, ohne deren Erfüllung jegliches Gerede über eine Koalition mit anderen Parteien geradezu grotesk ist. Ein Ende der Gewalt in Afghanistan ist – so wie die Dinge liegen – nur mit den Taliban zu erreichen. Diese dürften – wenn auch nach längerer Frist – wieder die Macht übernehmen. Um das zerstörte Land und dessen Strukturen aus Ruinen wieder erstehen zu lassen, ist echte und wahre Hilfe dringend nötig. Dabei muß die Tatsache in Rechnung gestellt werden, daß der überwiegende Teil der Bevölkerung (man spricht von 90 %) Paschtunen sind – wie die Taliban.
Noch wird der strategisch bedeutsame Staat von korrupten USA-Marionetten, bei denen man von Zeit zu Zeit die Puppen austauscht, regiert. Es gilt, einen Rückfall ins tiefste Mittelalter zu verhindern und – auch durch internationale Solidarität – dafür zu sorgen, daß dieses wunderschöne Land für die Afghanen wieder begehrenswerte Heimat wird und kein ewiger Kriegsherd bleibt.
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