Washingtons Marshallplan zielte auf Erhalt des Kapitalismus in Europa
Zur Mär vom Wohlstandsbringer
Noch immer spukt die Vorstellung, der Marshallplan habe der BRD-Bevölkerung zu „Wohlstand“ verholfen, in etlichen Köpfen herum. Dabei ging es seinen Erfindern um etwas ganz anderes: „Das deutsche Volk soll sich keinen Illusionen hingeben. Der Marshallplan ist die konsequenteste Restauration des Privateigentums“, erklärte damals ein Berater der US-Militärregierung in Deutschland.
„Es handelte sich um eine Interessenpolitik, die mit der Lieferung von Roh- und Brennstoffen, aber auch Lebensmitteln sowohl den angeschlagenen Kapitalismus in den Empfängerländern als auch deren Abhängigkeit vom amerikanischen Imperialismus stärken wollte“, liest man in „Milliarden für den Geier“ von Manfred Ohlsen.
Was waren die Ursachen dafür, daß es in der Alt-BRD bis zum Beginn der 50er Jahre zu einem „Wohlstand“ kam, dessen entscheidende Nutznießer ungenannt blieben?
- Landwirtschaft und Industrie konnten große Teile ihres wertlosen Geldes noch vor der Währungsreform in Sachwerte umwandeln.
- Es gab einen partiellen Lohn- und Preisstopp.
- Vor Einführung der D-Mark erfolgte eine enorme Hortung von Rohstoffen, Halbfertigprodukten und industriellen Erzeugnissen.
- Weltunternehmen und ganze Industriezweige wurden systematisch nach Westdeutschland verlagert, was für die weitere Entwicklung der dortigen Wirtschaft und des Exports von großer Bedeutung war.
- Den BRD-Firmen wurde vor der Währungsreform gestattet, vorhandene Produktionskapazitäten nur teilweise einzusetzen, hergestellte Güter nicht auf den Markt zu werfen und umfangreiche Reserven an Halb- und Fertigprodukten anzulegen. Diese bedurften oft nur eines Montagevorgangs, um ausgeliefert werden zu können. So war die westdeutsche Wirtschaft bereits vor 1948 dazu in der Lage, genausoviel zur Verfügung zu stellen wie für die Bedürfnisse zu Friedenszeiten nach 1936.
- Die Warenhortung hatte im Mai/Juni 1948 ihren Höhepunkt erreicht. Die Unternehmen produzierten, ohne zu verkaufen, wobei sie die Herstellung bisweilen sogar drosseln mußten. Die Zurückhaltung von Gütern lag im Bereich zwischen 10 und 80 %.
- Am 20. Juni 1948 – dem Stichtag der Währungsreform – erhielt jeder westdeutsche Bürger 40 DM, zwei Monate darauf weitere 20 DM. Bei 50 Millionen Einwohnern standen dem Wirtschaftskreislauf auf einen Schlag drei Milliarden DM an aufgestauter Kaufkraft zur Verfügung. Diese enorme Summe wechselte in kürzester Frist den Besitzer, was weitere Investitionen ermöglichte.
- Das Anlagekapital der Unternehmer blieb erhalten und wurde sogar noch aufgewertet. Das gestattete eine verlustlose Umstellung von Reichsmark auf DM. Viele Firmen konnten ihr Aktienkapital, in dem riesige Kriegsgewinne steckten, im Verhältnis 1:1 oder 1:3,1 (wie im Falle der Klöckner-Werke AG und der Gutehoffnungshütte) umtauschen.
- Sämtliche Schulden wurden im Verhältnis 100:10, Bankeinlagen im Verhältnis 100:6,5 abgewertet. Die Firmen waren auf einen Schlag von 90 % ihrer Verbindlichkeiten befreit worden.
- Sach- und Produktionsmittel-Eignern wurde deren Besitz gesichert.
- Gehortete Warenvorräte konnten mit beträchtlichen Gewinnen abgesetzt werden.
- Der Korea-Krieg wirkte sich für die Unternehmer profitsteigernd aus.
- Die Preise stiegen zwischen 1948 und 1951 um bis zu 75 %, während die Löhne dahinter zurückblieben.
- Das DM-Bilanz-Gesetz gestattete, das gesamte Anlagevermögen der Unternehmer einschließlich ihrer Vorräte zum Wiederbeschaffungswert zu berechnen und von diesen neuen Bilanzwerten abzuschreiben.
- Infolge der Zurückhaltung der Gewerkschaften konnten die westdeutschen Unternehmer billiger produzieren als ihre Konkurrenten im Ausland.
- Mit dem Londoner Schuldenabkommen von 1953 wurden bis zu 60 % aller Verbindlichkeiten erlassen.
- Nach dem Luxemburger Abkommen vom September 1952 sollten zwei Drittel der als Wiedergutmachung an Israel festgelegten Summe von 3,45 Mrd. DM in Form von Gütern und Dienstleistungen erbracht werden, was den Wirtschaftsboom jener Zeit nicht unwesentlich beeinflußt haben dürfte.
- Während Millionen deutscher Sparer und Kleinunternehmer den Krieg abermals mit völliger Geldentwertung bezahlen mußten und bei der unvermeidlichen Währungsreform lediglich mit winzigen Beträgen pro Kopf ausgestattet wurden, verfügte Friedrich Flick – Hitlers größter Rüstungslieferant – nach wie vor über ein Vermögen von Hunderten Millionen DM, als er das Landsberger Kriegsverbrechergefängnis verließ. Bereits am Tag nach der Währungsreform erhöhte er das Grundkapital der Hartener und Essener Gesellschaft aus bisher versteckt gehaltenen Gewinnen von 142 Mill. RM auf 262 Mill. DM.
- Das Wichtigste zum Schluß: Der vielgepriesene „Wohlstand“ beruhte auf enormer Staatsverschuldung, die vom ersten Tag des Bestehens der Alt-BRD eingegangen werden mußte. Sie betrug Ende 1950 bereits 10 Mrd. DM und stieg bis Ende 1953 auf 30 Mrd. DM.
Die Propagandaparole, mit dem Marshallplan sei im Westen „der Wohlstand ausgebrochen“, diente allein zur Ablenkung der Massen, denen nicht bewußt werden sollte, daß sie gerade ihre Enteignung hinnehmen mußten. Mit dem Slogan „Die Amerikaner helfen uns mit dem Marshallplan zu neuem Wohlstand“, während „der Russe die Deutschen im Osten mit seinen Reparationsforderungen schröpft“, sollte die Tatsache verschleiert werden, daß die Profiteure des faschistischen Raubkrieges ihre Schäfchen ins trockene gebracht hatten. Überdies bedeutete der Marshallplan die Festschreibung der deutschen Teilung.
Was hätte mit den 6,4 Mrd. des Marshallplans alles finanziert werden können?
Allein die Pensionen ehemals hoher NS-Funktionäre und Hitlergeneräle betrugen jährlich 1,3 Mrd. DM. Die Kriegsverbrecher bezogen in nur fünf Jahren so viel wie die gesamte Marshallplan„hilfe“, erhielten aber weiterhin ein bis zwei Milliarden DM an Pensionsgeldern im Jahr.
Auch für Zwecke der Wiederaufrüstung hätte die Summe verwendet werden können. Schon 1956 betrug der Bundeswehretat nämlich 9 Milliarden DM. Die Armee des deutschen Imperialismus verpulverte damals bereits den Gesamtbetrag des Marshallplans innerhalb von acht Monaten.
Wunder – auch Wirtschaftswunder – gibt es nur so lange, wie man an sie glaubt. Werden sie erst einmal hinterfragt, lösen sie sich oft in nichts auf.
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