Politisches Versagen, Spiegelfechterei
und „humanitäres“ Manövrieren
Zur selektiven Asylpolitik der BRD
Am 25. Juli präsentierte „Der Spiegel“ nüchterne Fakten: Die Zahl der Asylanträge erhöhte sich von 19 164 im Jahr 2007 auf 173 072 im Jahr 2014. Im ersten Halbjahr 2015 waren es etwa 160 000, doch inzwischen wird mit mindestens 450 000 gerechnet. Die enorme Steigerung bezeugt die Dramatik des Geschehens.
Wo liegen Ursachen für diese Entwicklung?
Eine Teilantwort erhält man, wenn man die Herkunftsländer und die von den Flüchtlingen angegebenen Motive in Betracht zieht. Laut „Spiegel“ kamen im 1. Halbjahr 2015 mehr als 32 000 Asylbewerber aus Syrien (inzwischen dürfte die Zahl wesentlich höher liegen), fast die Hälfte aus Balkanländern. Den Spitzenrang nimmt dabei Kosovo ein, woher fast 29 000 Antragsteller kamen. Auch Afghanistan und Irak haben vordere Plätze.
Bei Syrern muß nicht gerätselt werden, was sie dazu veranlaßt hat, jedes Risiko auf sich zu nehmen. Sie fliehen wie Iraker und die meisten Afghanen vor dem Krieg. Wie aber kam dieser in ihr Land?
Tatsache ist auch, daß die Übergriffe auf Asylantenheime rasant zugenommen haben. „Der Spiegel“ veröffentlichte eine Karte, aus der hervorging, daß seinerzeit in Sachsen und dem Ruhrgebiet eine besonders hohe Konzentration der Anschläge festzustellen war. Und was ist mit Bayern?
Zur Rechtslage des Grundgesetzes der BRD heißt es im Artikel 16: „Politisch Verfolgte genießen Asyl.“ Es wird indes nicht definiert, wer, unter welchen Umständen „politisch Verfolgter“ ist, und auch nicht festgelegt, wie das Asylrecht praktiziert werden soll.
In der DDR waren die Dinge überschaubar: Die vom faschistischen Pinochet-Regime verfolgten Chilenen oder die Griechen, die unter der Militärdiktatur der Schwarzen Obristen litten, hatten gute Gründe, vorwiegend im sozialistischen deutschen Staat Schutz zu suchen. Doch auch unter den heutigen Bedingungen gilt es, das grundgesetzlich festgelegte Asylrecht gezielt anzuwenden.
Um das Verständnis für die Lage der Asylanten zu fördern, wird in der BRD oft auf jene Generationen verwiesen, die 1945 „ebenfalls vertrieben“ worden seien. Dabei arbeitet man bewußt dem Revanchismus in die Hände und häuft neuen Konfliktstoff in den Beziehungen zu östlichen Nachbarn der BRD an. Deutsche aus Ostpreußen und Schlesien wurden durch die Nazis „vertrieben“, die ihre „Volksgenossen“ nicht der anrückenden Roten Armee überlassen wollten. Die Sudetendeutschen hatten sich 1938 fast hundertprozentig dafür entschieden, „heim ins Reich“ zu wollen. Die Beneš-Dekrete erfüllten ihnen diesen Wunsch. Die Aussiedlung der Deutschen beruhte auf einem Beschluß der Siegermächte. Sie wurden von ihren „Brüdern und Schwestern“ im Westen keineswegs mit offenen Armen empfangen. Der von bestimmter Seite angestellte Vergleich mit der heutigen Situation ist pure Demagogie.
In den Medien wurde eine Kampagne gegen Schleuser geführt, die allein für die Toten von Lampedusa verantwortlich seien. Mindestens zweierlei wird dabei völlig vergessen: Als „Schleuser“ der BRD keineswegs aus Not fliehende DDR-Bürger in den Westen brachten, waren sie Helden und ihr Lohn verdient. Wenn jetzt Afrikaner bitterster Not entkommen wollen, beweist das nur den Bankrott der neokolonialistischen „Entwicklungspolitik“ des Westens. Afrika ist für den Imperialismus lediglich als Rohstoffquelle interessant. Wer sich dem widersetzt, wird umgebracht – von Lumumba bis Gaddafi.
Manche Politiker und Journalisten verweisen darauf, daß qualifizierte Flüchtlinge dem BRD-„Arbeitsmarkt“ Vorteile bringen könnten. Zu wessen Nutzen aber ist es, wenn sie als Billigst-Lohnarbeiter von ihren deutschen Kollegen lediglich als „Konkurrenten“ wahrgenommen werden?
Ein Vertreter der TU Dresden verkündete Ende Juli, fast 10 % der Studenten seien Ausländer. Er äußerte die Hoffnung, daß viele von ihnen das BRD-Wissenschaftspotential stärken würden. Was wäre die Konsequenz? Deutschland stiehlt den Herkunftsländern der ausländischen Studenten ihre künftige Intelligenz. In den 80er Jahren hieß das „brain drain“ (Abzug der Köpfe) und wurde von der UNO scharf verurteilt. In der „Sächsischen Zeitung“ vom 4. August las man: „Der palästinensische Arzt Haitem Masri hatte schon vor seiner Einreise einen festen Job. Denn gerade Ärzte sind als Zuwanderer sehr gefragt.“ Herrscht bei den Palästinensern etwa ein Überfluß an Medizinern?
Die USA und deren NATO-Verbündete haben mit ihren Kriegen gegen Afghanistan, Irak, Libyen und Syrien die Flüchtlingswelle unkontrollierbar hochgetrieben, schotten sich aber wie auch andere Staaten gegen Flüchtlinge weitgehend ab. Im Recht gilt: Wer Schaden verursacht, muß dafür aufkommen! Gehört die BRD etwa nicht zu den Hauptverursachern?
Europa rühmt sich seiner offenen Grenzen. Vor 1990 proklamierten bestimmte Leute ein „Menschenrecht auf uneingeschränkte Freizügigkeit“. Das richtete sich in erster Linie gegen die DDR. Wo sind die „Freizügler“ heute? In der EU wird um Aufnahmequoten gefeilscht, als ob es um Fischbestände gehe. Niemand aber packt das Problem an der Wurzel!
Ständig konsumiert der Bürger Bilder und Berichte, die Übergriffe und Brandstiftungen Rechtsextremer zeigen. Dabei ist – trotz zeitweiligen Vortäuschens von Humanität – zweierlei unschwer erkennbar: Die Staatsmacht reagiert insgesamt hilflos. So entsteht ein Klima, das von Haß und Intoleranz geprägt ist. In ihm gedeiht Faschismus, woran auch die Tatsache nichts ändert, daß unter dem Zwang der Ereignisse bisweilen gewisse Schleusentore geöffnet werden. Da man nur Symptome und Folgen der Flüchtlingswelle diskutiert, niemand von den Regierenden aber die im Imperialismus liegenden Ursachen ergründen will und kann, ist eine echte Lösung nicht zu erwarten.
Wer einen Ausweg sucht, muß die Koordinaten der Außenpolitik neu festlegen: weg vom Aggressions- und Ausplünderungskurs hin zu Frieden, Abrüstung, Völkerverständigung und wirklicher Zusammenarbeit. Billiger geht es nicht!
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