Kuba will kein Paradies für ausländische Unternehmen werden
Zur Sonderwirtschaftszone Mariel
In Kuba wird derzeit an der lange angekündigten Neufassung des Gesetzes über ausländische Investitionen gearbeitet. Pedro San Jorge, Leiter der wirtschaftspolitischen Abteilung beim Ministerium für Außenhandel und Investitionen, erklärte unlängst einer Gruppe britischer Geschäftsleute: „Auslandsinvestitionen werden jetzt über eine rein ergänzende Funktion zu den heimischen Investitionen hinausgehen, ihnen wird eine wichtige Rolle in Sektoren wie der Landwirtschaft zukommen, wo ausländische Direktinvestitionen bislang selten waren.“ In der kubanischen Zeitschrift „Opciones“ hatte San Jorge zuvor angekündigt, daß das kubanische Parlament auf einer Sondersitzung das neue Gesetz beschließen werde.
Das bislang gültige Gesetz für Auslandsinvestitionen stammt aus dem Jahr 1995 und sieht eine Staatsquote von mindestens 51 Prozent bei Joint-ventures vor. Auch sind bestimmte Sektoren der Wirtschaft für ausländische Investitionen gesperrt. Diese konzentrierten sich bislang vor allem auf den Tourismus. „Es wurde entschieden, das neue Gesetz deutlich tiefergehend zu gestalten und an die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Landes anzupassen“, sagte der führende Ökonom der Zeitschrift.
Bereits auf der Sitzung des kubanischen Parlaments im Dezember hatte Präsident Raúl Castro angekündigt, daß ausländische Investitionen eine Schlüsselrolle bei der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des Landes spielen werden. San Jorge sagte jetzt, daß sich ein Teil der neuen Investitionsbedingungen in Übereinstimmung mit den Regeln der Sonderwirtschaftszone Mariel befinden werde. Diese sehen unter anderem vor:
- Bis zu 100 Prozent ausländischer Anteil an den Unternehmen
- niedrige Export- und Importzölle
- Befreiung von lokalen Abgaben sowie der Lohnsteuer
- 14 Prozent Sozialabgaben
- 12 Prozent Gewinnsteuer (Befreiung in den ersten zehn Jahren)
- 1 Prozent Steuer auf Verkäufe und lokale Dienstleistungen
- Einzahlung von 0,5 Prozent des Gewinns an einen Fond zum Erhalt und Ausbau der Zone.
Insbesondere im Bereich der Landwirtschaft sind Auslandsinvestitionen in jüngster Zeit besonders erwünscht. Der Sektor ist seit Jahrzehnten unterkapitalisiert und ineffizient, weshalb Lebensmittelimporte in Milliardenhöhe eine schwere Bürde für Kubas Staatshaushalt darstellen. Aus diesem Grund wurde bereits 2012 eine Zuckermühle von der brasilianischen Firma Odebrecht übernommen und mit einer Anfangsinvestition von 60 Millionen US-Dollar modernisiert. Der kubanische Staat verfügt auch in vielen anderen Bereichen derzeit nicht über das notwendige Kapital, um bestehende Fabriken aufzurüsten oder neue zu errichten und ist deshalb auf ausländische Investitionspartner angewiesen. „Wir müssen die Kapazitäten des Landes erhöhen, um Produkte selbst herzustellen, die wir derzeit importieren müssen“, faßt Jorge das Ziel dieser Investitionen zusammen. Obwohl bisher bevorzugt befreundete Länder wie Venezuela, Brasilien und China zum Zuge kommen, zeigten auch britische Unternehmer und EU-Staaten wie die Niederlande in jüngster Zeit Interesse daran, in Kuba zu investieren.
Dabei ist die absolute Zahl der Joint-ventures seit Jahren rückläufig. Nach der wirtschaftlichen Erholung im ersten jahrzehnt des 21. Jahrhunderts setzte man in Havanna verstärkt auf Kooperation mit Venezuela, das nicht nur Öl zu Vorzugskonditionen liefert, sondern sich auch an der Modernisierung wichtiger Raffinerien beteiligt hat. Wohl auch aufgrund der ungewissen Situation Venezuelas nach dem Tod von Hugo Chávez dürfte sich Kuba in Zukunft stärker auf eine Erweiterung des Kreises seiner Handelspartner orientieren. Brasilien, China, Rußland und Weißrußland sind derzeit die wichtigsten Newcomer auf der Liste, aber auch Länder wie Angola und Iran haben ihre Wirtschaftsbeziehungen mit Kuba in den letzten Jahren ausgedehnt.
Mariel wird dabei eine Schlüsselrolle zukommen. Mit dem Ausbau des Hafens 45 Kilometer westlich von Havanna, wird das Land über einen der leistungsfähigsten Containerports der gesamten Karibik verfügen, durch die Erweiterung des Panamakanals werden ab 2015 auch die weltweit größten Containerschiffe in Mariel anlegen, wodurch es sein volles Potential entfalten kann. Die zugehörige Sonderwirtschaftszone soll befreundete Länder und potentielle Handelspartner zur Eröffnung neuer Fabriken und Betriebe motivieren. Sie umfaßt eine Fläche von 466 Quadratkilometern und lockt mit den (für kubanische Verhältnisse) guten Investitionsbedingungen und hervorragender Infrastruktur. Das 900 Millionen-Dollar-Projekt stellt das größte Bauvorhaben seit Beginn der Revolution dar und wird ebenfalls von Odebrecht ausgeführt. Brasilien gewährte Kuba hierfür einen Kredit von 640 Millionen Dollar.
Die Zuteilung von Arbeitskräften an die Joint-ventures erfolgt allerdings wie bisher ausschließlich durch kubanische Agenturen, mit deren Hilfe der Staat auch weiterhin den Großteil der Löhne direkt abschöpfen wird. Inzwischen ist die Sonderwirtschaftszone (ZEDM, Zona Especial de Desarrollo) offiziell eröffnet worden. Yanet Vázquez, Beamtin in der Verwaltung der Zone, gab Auskunft über deren Struktur. Obwohl nicht bekannt ist, wie viele Firmen sich seit Freigabe der Einschreibungen im vergangenen November um einen Platz in Mariel beworben haben, sind 38 Prozent der Projekte der Industrie zuzuordnen, 21 Prozent der Agrarindustrie und 13 Prozent der Firmen sind im Bereich Infrastruktur und Telekommunikation angedacht. Gute Neuigkeiten für Kuba! Denn genau diese Sektoren nehmen eine Schlüsselstellung für die weitere Entwicklung des Landes ein.
Um die richtigen Rahmenbedingungen für einen effizienteren Außenhandel zu schaffen, wird jetzt auch das dazugehörige Ministerium einer Umstrukturierung unterzogen. Der Handelskatalog soll verbreitert werden. Man wird Staats- und Betriebsfunktionen einer Trennung unterziehen. Ziel ist eine Steigerung und Diversifizierung der Exporte. Durch zusätzliche Joint-ventures kann Kubas Importbedarf weiter sinken: Konsumgüter, Lebensmittel, Baumaterialien, Elektronik und anderes, was bisher teuer aus dem Ausland bezogen werden muß, könnte fortan im Land selbst produziert werden. Allerdings birgt die Öffnung für ausländisches Kapital auch Risiken. Insbesondere war die Korruption unter ausländischen Geschäftsleuten und kubanischen Partnern schon immer ein Problem.
Möglicherweise wurde auch wegen Schwierigkeiten, die sich aus dem dualen Währungssystem ergaben, so lange mit der Überarbeitung des Investitionsgesetzes gewartet, denn bereits 2012 war eine baldige Neufassung angekündigt. Durch die laufende Kampagne gegen Korruption sowie zahlreiche Prozesse versuchte Raúl Castro in den vergangenen Jahren das Haus aufzuräumen, bevor er die Tür öffnet. Daß alle in Mariel geltenden neuen Regeln auf das gesamte Land ausgedehnt werden, ist sehr unwahrscheinlich. Kuba will nicht zu einem Paradies für ausländische Unternehmer werden, sondern versucht vielmehr, durch gezielte Investitionen seine eigene Wirtschaft zu modernisieren und Know-how aus dem Ausland zu erwerben. Es geht auch darum, neue Handelspartner ins Boot zu holen, um weitere Branchen zu erschließen und zusätzliche Exportprodukte zu entwickeln. Daß Kuba seine Tore für ausländisches Kapital mit Augenmaß öffnen wird, steht fest. Flächendeckender Bedarf wie in China ist bei der überschaubaren und stark konzentrierten kubanischen Volkswirtschaft allerdings nicht gegeben. Deshalb dürften auch Vergleiche wenig sinnvoll sein.
Nachricht 1652 von 2043
- « Anfang
- Zurück
- ...
- Erklärung Kommunistischer und Arbeiterparteien Europas
- Eine rote Schärpe an der Märtyrer-Statue
- Türkei: Gülen sägt an Erdogans Ast
- Zur Sonderwirtschaftszone Mariel
- Die Hungerlöhne der Filipinos
- NSA-Opfer: Fliegen auf einem Klebeband
- Spasibo bolschoje, Sotschi!
- ...
- Vorwärts
- Ende »