Zwei für die Friedensarbeit
nützliche Zeitschriften
In den einleitenden Worten zur Sonderausgabe „Feindbilder und Konflikteskalation“ der Vierteljahreszeitschrift für Friedensforschung, Friedensbewegung und Friedenspolitik W&F (Wissenschaft und Frieden) Nr. 4 / 2015, heißt es:
Eskalierende Feindbilder sind wichtige Indikatoren für die Verschärfung von Konflikten bis hin zur Kriegsvorbereitung; in Kriegen sind sie ein wesentlicher Bereich psychologischer Kriegsführung. Gert Sommer erläutert in diesem Dossier wesentliche Merkmale von Feindbildern, Bedingungen für ihr Entstehen, zudem ihre wesentlichen Funktionen – von Selbstwerterhöhung über das Stabilisieren von Gesellschaften bis zur politischen Manipulation hin zum Krieg. (Mit zahlreichen weiterführenden Literaturangaben.)
Claudia Haydt zeigt auf, wie Politiker und Medien Bedrohungen inszenieren, Kriegsgegner diskreditieren und bei der Vorbereitung von Kriegen schnelle Siege suggerieren. Kriegsfolgen, insbesondere das Ausmaß menschlichen Leids und dessen Urheber, werden hingegen allzu selten thematisiert. In ihrem Beitrag nennt sie Beispiele für unseriöse Berichterstattung über den Ukrainekonflikt, beschreibt die allzu enge Verbindung von Journalisten und politischen Eliten und gibt abschließend Hinweise für Friedensjournalismus.
Die Nahost-Korrespondentin Karin Leukefeld zeigt am Beispiel des Syrienkrieges, wie aus innerstaatlicher Unzufriedenheit ein Krieg entwickelt werden kann, an dem inzwischen viele ausländische Mächte beteiligt sind. Zentral ist dabei die Konstruktion des Feindbildes Bashar al-Assad und – damit zusammenhängend – die Forderung, dieser müsse die Macht abgeben. Ergänzt wird dies durch das Torpedieren jeglicher gewaltfreien Konfliktlösungsversuche, eingeschlossen der der Vereinten Nationen.
Karin Kulow sieht eine wesentliche Funktion des westlichen Feindbildes „Islam“ darin, das Dominanzverhalten gegenüber der islamischen Welt zu rechtfertigen. Sie belegt die doppelbödige Politik des Westens bezüglich Terrororganisationen: Am Beispiel von al Kaida und IS zeigt sie, daß diese als Kooperationspartner galten, solange sie im Interesse des Westens agierten. Entsprechend intransparent erscheint die derzeitige US-Politik. Kulow plädiert für eine Neuausrichtung der westlichen Politik gegenüber der islamischen Welt.
Die Beiträge in diesem Dossier belegen, daß Feindbilder nicht die alleinige Ursache für Konflikte sind. Feindbilder – und damit korrespondierend Selbst- und Freundbilder – können aber bedeutsame psychologische Waffen sein, um Konflikte zu eskalieren und Kriege vorzubereiten.
In seinem Beitrag „Zur Psychologie von Feindbildern“ schreibt Gert Sommer:
Eine große Bedeutung bei Entstehung und Festigung von Feindbildern kommt dabei Medien zu, die neben Fakten – häufig kaum bemerkt – Bewertungen mitliefern. Bildern kommt eine besondere Relevanz zu, da sie intensive Emotionen hervorrufen können, indem sie u. a. menschliches Leiden hervorheben. Überdies werden Kriege häufig mit Lügen begründet. Beispiele:
Ukraine-Konflikt 2014/2015. Die verschärften Sanktionen von USA und EU gegen Rußland wurden wesentlich damit begründet, Präsident Putin bzw. Rußland sei verantwortlich für den Abschuß des Flugzeuges von Linienflug MH17 der Malaysia Airlines. Dafür liegen auch nach Veröffentlichung des abschließenden Ermittlungsberichts des niederländischen Sicherheitsrats keine belastbaren Belege vor.
Jugoslawien-Kosovo-Krieg 1999. Das deutsche öffentlich-rechtliche Fernsehen zeigte vor Beginn des Jugoslawien-Kosovo-Krieges immer wieder kosovo-albanische Flüchtlingsgruppen, und mit dem Argument der „systematischen Vertreibung“ begründete die NATO wesentlich den Krieg gegen Jugoslawien als „humanitäre Intervention“ bzw. als Verhindern einer „humanitären Katastrophe“ (z. B. Sommer 2001). Mit Kriegsbeginn, d. h. als Folge des Krieges, ergriffen erheblich mehr Menschen die Flucht – darüber wurde kaum berichtet. Nach Kriegsende wurden etwa 200 000 Serben und 100 000 Roma von den Kosovo-Albanern vertrieben – darüber wurde nahezu gar nicht mehr berichtet.
Zweiter Golfkrieg 1990/91. Der irakische Diktator Saddam Hussein hatte u. a. Oppositionelle und Minderheiten unterdrückt und ermordet sowie im Krieg gegen den Iran (Erster Golfkrieg 1980–1988) völkerrechtlich geächtetes Giftgas eingesetzt. Vom Westen wurde dies ignoriert oder sogar unterstützt, z. B. mit Waffen, da Hussein als Schutzschild gegen den Iran bzw. Islam galt (er war der Feind „unseres“ Feindes). Erst als er im August 1990 das Nachbarland Kuwait überfiel und damit westliche Interessen (am Erdöl) gefährdete, wurde er vom Westen, insbesondere den USA, zum bedrohlichsten Feind erklärt (Sommer 1991) und in deutschen Medien u. a. als „Irrer von Bagdad“ bezeichnet; er avancierte „gleichsam über Nacht vom hofierten Partner zum neuen Hitler“. Die zunächst zögerliche Kriegsbereitschaft in den USA bekam eine entscheidende Wende durch Berichte über Greueltaten und die dadurch provozierte Empörung: Irakische Soldaten hätten in Kuwait Brutkästen aus Frühgeborenenstationen entfernt und damit 312 Babies ermordet. Diese Berichte wurden u. a. im US-Menschenrechtsausschuß und im UN-Weltsicherheitsrat vorgetragen und von Medien weltweit verbreitet. Erst nach Ende des Zweiten Golfkrieges wurde der „Brutkastenmord“ als Propagandalüge entlarvt, die von der großen US-Werbeagentur Hill and Knowlton im Auftrag der kuwaitischen Regierung produziert worden war.
Dritter Golfkrieg (2003). Der völkerrechtswidrige Krieg wurde von den USA damit begründet, daß Irak Massenvernichtungswaffen besitze und Terrorgruppen unterstütze – beide Behauptungen konnten nicht belegt werden. Es gibt aber Belege dafür, daß die USA nach dem 11. 9. 2001 sieben Kriege planten (gegen Irak, Syrien, Libanon, Libyen, Somalia, Sudan und schließlich Iran), um den Nahen und Mittleren Osten „umzukrempeln“ und US-freundliche Regierungen zu installieren.
Friedensdemonstration,
8. Mai 1981, Westberlin
Im Editorial der Zweimonatszeitschrift „Friedensjournal“ (Nr. 6/2015) schreibt die Redaktion:
Vor kurzem bekannte der frühere britische Premierminister Tony Blair in aller Offenheit, daß der Irak-Krieg 2003 ein Fehler gewesen sei und zur derzeitigen Situation im Nahen Osten beigetragen habe. Die Konsequenzen dieses „Fehlers“ sind: mindestens eine Million Tote, viele Millionen Menschen auf der Flucht und mit dem Irak, Syrien und Libyen mehrere „failed states“ (gescheiterte Staaten). Leider wird dies nicht dazu führen, daß Tony Blair sich dafür gerichtlich als Kriegsverbrecher verantworten muß. Als Entschuldigung führte er an, daß man falschen Geheimdienstinformationen geglaubt habe …
Die früheren CIA-Analysten Elizabeth Murray und Ray McGovern bekannten vor kurzem, daß Sie es in früheren Jahrzehnten als ehrenwerte Aufgabe angesehen hätten, die Weltlage richtig zu analysieren, und das falsche „Briefing“ von Politikern und Medien erst vor dem Irak-Krieg 2003 dominant geworden sei – weshalb sie sich inzwischen von ihrem früheren „Arbeitgeber“ abgewendet haben und dessen Methoden jetzt in Interviews anprangern.
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