Zwingend links
In der Ausgabe des „nd“ vom 5./6. 11. 2016 veröffentlichte Dietmar Bartsch, Kovorsitzender der Fraktion der Partei Die Linke im Bundestag, einen Beitrag unter der Überschrift „Zwingend links. Über Risiken, Bündnisfähigkeit – und die Fähigkeit, zuhören zu können“.
Gabriel könnte in der nächsten Woche Bundeskanzler werden, hatte Bartsch in der „Rheinischen Post“ geäußert. Tatsächlich wäre das vielleicht Gabriels letzte Chance. Denn ob es nach der Bundestagswahl 2017 noch eine rot-rot-grüne Mehrheit gibt, ist unsicher. Die Prognosen verneinen das. Sie sind zwar Teil der Manipulationen, treffen aber doch häufig zu. Bartsch wies auf „zunehmend ernsthaft geführte Debatten um Mitte-Links-Bündnisse hin und meinte, daß die SPD keine Verbotsschilder mehr aufgestellt habe. Als Beispiel führte er an, daß es drei Wochen vorher gelungen war, über 90 Politikerinnen und Politiker von Sozialdemokraten, Linken und Grünen zu einer größeren Verständigung zusammenzubringen. Diese Dynamik lasse sich nicht mehr ignorieren. Sie zwinge die Linkspartei, über Bündnisfähigkeiten ernsthaft und jenseits von Ritualen und Reflexen nachzudenken. Tatsache sei, daß die „neoliberale Modernisierung“ nicht nur von Konservativen und FDP-Liberalen, sondern auch von SPD und Grünen vorangetrieben worden sei. Die negativen sozialen Folgen wären deutlich. Es gäbe über eine Million Leiharbeiter, jeder vierte Arbeitsplatz bei Jugendlichen sei prekär, und jedes siebente Kind wachse in einer Hartz-IV-Familie auf. Angesichts dieser Fakten würde auch bei SPD und Grünen über einen Politikwechsel diskutiert. Doch die SPD lehnte den Vorschlag ab.
Will Die Linke denn wirklich in eine Regierungskoalition unter einem Kanzler Gabriel eintreten, der für TTIP und CETA steht? Ist der Auftritt von Biermann im Bundestag schon vergessen, der die Fraktion der Linken in widerwärtiger Weise beschimpft hat? Danach gratulierte ihm nicht nur Merkel, sondern auch Gabriel.
Bartsch stellte fest, daß das Bündnisangebot der Linkspartei an Bedingungen geknüpft sei. Ein Politikwechsel wird gefordert. Das war aber auch 1998 so, und gleichzeitig wurde verlangt: Kohl muß weg! Kohl war weg, und es kam zu einem Politikwechsel. Unter einer Regierung von SPD und Grünen beteiligte sich Deutschland erstmals wieder an Aggressionskriegen, und es gab den bis dahin größten sozialen Kahlschlag. Bei der Außenpolitik nennt Bartsch die Destabilisierung im Nahen Osten und die Konfrontation mit Rußland. Das habe Auswirkungen, die an der Bundesrepublik Deutschland nicht vorbeigingen. Um die von ihm genannten Forderungen nach Stabilität und Frieden zu erreichen, müßte die Linkspartei aber ein Verbot aller deutschen Rüstungsexporte verlangen, und zwar nicht nur in sogenannte Krisengebiete, sondern auch zum Beispiel in die USA, die für die meisten Krisen weltweit verantwortlich sind. Es müßte einen vollständigen Rückzug der Bundeswehr von allen Auslandseinsätzen geben und einen Austritt Deutschlands aus der NATO. Sonst könnte Deutschland immer wieder in „Bündnisverpflichtungen“ hineingezogen werden, wie zum Beispiel bei der Aggression gegen Afghanistan, die mit einer der vielen Lügen der US-Propaganda begründet wurde. Wenn bei der Konfrontation mit Rußland gemeint ist, daß sich die Bundeswehr von den russischen Grenzen zurückziehen soll, ist das in Ordnung. Dann stünden deutsche Soldaten nicht mehr da, wo sie sich kurz vor dem 22. Juni 1941 befanden. Wahrscheinlich geht es aber um die Krim und die ostukrainischen Gebiete, wo eine Lösung nach den Wünschen der NATO und der ukrainischen Machthaber erfolgen soll.
Ob die SPD einer gerechten Steuerreform zustimmen würde, ist zweifelhaft. Neben der von Bartsch genannten Millionärs-, Vermögens-, Erbschafts- und Kapitalertragssteuer ginge es auch um den Spitzensteuersatz. Durch die Koalition von SPD und Grünen wurde doch die unter der Kohl-Regierung geltende Regelung zugunsten der Reichen verändert.
Wer Regierungsverantwortung ablehnt, erklärt Merkel zur ewigen Kanzlerin, meint Bartsch. Ist denn Gabriel so viel besser? SPD und Grüne könnten zum Koalitionspartner der Partei Die Linke nur werden, wenn sie ihre Politik in allen Bereichen grundsätzlich ändern.
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