Ware und Geld

1.
Die Existenzbedingungen der
privaten einfachen Warenproduktion

Die Warenproduktion besteht, wie wir einleitend mit Karl Marx und Friedrich Engels feststellten, nicht von Anbeginn der menschlichen Gesellschaft. Die Urgemeinschaft kannte so gut wie keine Warenproduktion. Sie war fast ausschließlich eine Naturalwirtschaft. In der Sklavenhalterordnung und im Feudalismus war die Hauptform der gesellschaftlichen Produktion ebenfalls die Naturalwirtschaft. Die Warenproduktion existierte nur neben ihr. Erst in der kapitalistischen Produktion wird die Warenproduktion allgemein.

Die Entstehung und Entwicklung der Warenproduktion war und ist an einen bestimmten Entwicklungsstand der Produktivkräfte und der Produktionsverhältnisse gebunden. Aus diesem Grunde unterlag auch die Warenproduktion einer Entwicklung und nahm verschiedene Formen an. Die private Warenproduktion wiederum existiert in der Form der einfachen Warenproduktion der Bauern und der Handwerker und der kapitalistischen Warenproduktion.

Die älteste, aber auch heute noch bestehende Form der Warenproduktion ist die einfache Warenproduktion. Ihre Analyse gibt die Grundlage für das Verständnis der kapitalistischen Warenproduktion.

Wodurch entstand aus der Naturalwirtschaft der Urgemeinschaft die Warenproduktion? Sie entstand durch die Entwicklung der Produktivkräfte, vor allem in der Form der Arbeitsteilung. Die Arbeitsteilung ist eine gesellschaftliche Produktivkraft der Arbeit. Sie ist Ausdruck und zugleich Triebkraft der Entwicklung der Fähigkeiten der arbeitenden Menschen und ihrer Werkzeuge. Sie führte zu einer Steigerung der Produktion und zur Erzeugung von Überschüssen.

Die Arbeitsteilung erfordert aber zugleich Zusammenarbeit und Austausch der Arbeit und ihrer Ergebnisse. Sie ist demzufolge auch ein gesellschaftliches Produktionsverhältnis, Ausdruck gesellschaftlicher Beziehungen der Menschen in der Produktion der materiellen Güter.

Betrachten wir die Warenproduktion, welchen gesellschaftlichen Charakter sie auch trägt, so ist die Arbeitsteilung eine ihrer Grundlagen und Existenzbedingungen. Die klassischen bürgerlichen Ökonomen, insbesondere Adam Smith, sahen in ihr die einzige Existenzbedingung, und heute identifizieren bürgerliche Ökonomen die Warenproduktion mit der Arbeitsteilung.

Die Arbeitsteilung ist tatsächlich eine der Existenzbedingungen der privaten Warenproduktion. Aber aus der Arbeitsteilung allein ist die Entstehung und Entwicklung der Warenproduktion nicht zu erklären.

Erstens existierte die gesellschaftliche Arbeitsteilung schon in der Naturalwirtschaft der Urgemeinschaft, der Sklavenhaltergesellschaft und des Feudalismus, ohne daß Warenproduktion allgemein oder typisch gewesen wäre. Zweitens besteht die Arbeitsteilung innerhalb der kapitalistischen Betriebe und Konzerne, ohne daß in den Zwischenstufen die Produkte auch immer als Waren erzeugt werden. Erst das Endprodukt ist im Prinzip eine Ware.

Von der Arbeitsteilung als alleiniger Existenzbedingung der Warenproduktion ausgehen heißt, die Warenproduktion als seit eh und je bestehende Form der gesellschaftlichen Produktion zu betrachten und damit anzunehmen, daß sie auch immer fortbestehen wird.

Die Arbeitsteilung als gesellschaftliche Produktivkraft führte nicht nur zur Entfaltung der Produktion, sondern auch zur Umwälzung der urgemeinschaftlichen Produktionsverhältnisse und brachte die zweite Existenzbedingung der privaten Warenproduktion, das Privateigentum an den Produktionsmitteln hervor.

Sie sprengte die alte Form der Produktionsverhältnisse, die Urgemeinschaft mit Gemeineigentum, gemeinsamer Arbeit und gemeinsamer Aneignung und setzte an ihre Stelle das Privateigentum, die Privatarbeit und die private Aneignung.

Mit der durch die gesellschaftliche Arbeitsteilung bewirkten Entwicklung der Produktivkräfte wurden die Produktionsmittel erst gewohnheitsmäßig, dann faktisch und juristisch zum Privateigentum. Dieser Prozeß wurde dadurch beschleunigt, daß mit der gewachsenen Produktivkraft der Arbeit objektiv die Möglichkeit der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen entstand, die in der Sklaverei ihre erste volle Verwirklichung fand.

Das Privateigentum als neues gesellschaftliches Produktionsverhältnis wirkte seinerseits stimulierend auf die Entwicklung der Produktivkräfte. Es bildete die Grundlage sowohl der Produktion der freien Bauern und Handwerker als auch der Sklavenhalterwirtschaft, die, wie die Geschichte lehrt, die einfachen Warenproduzenten ruinierte und damit die Triebkraft zur Weiterentwicklung der Produktivkräfte untergrub.

Die private einfache Warenproduktion ist also an zwei gesellschaftliche Bedingungen gebunden: die gesellschaftliche Arbeitsteilung und das Privateigentum an den Produktionsmitteln. „Nur Produkte selbständiger und voneinander unabhängiger Privatarbeiten treten einander als Waren gegenüber“7, lehrt Karl Marx. Ware zu sein ist demnach nicht eine natürliche Eigenschaft der Produkte, sondern eine gesellschaftliche Eigenschaft, die sie nur unter bestimmten gesellschaftlichen Bedingungen erhalten. Daher ist es möglich, daß ein und dasselbe Produkt einmal Ware und das andere Mal nur Produkt sein kann. Wenn es für den Austausch bestimmt ist, ist es Ware; dient es dem eigenen Verbrauch des Produzenten, ist es nur Arbeitsprodukt.

Die einfache Warenproduktion ist, wie wir schon feststellten, die Produktion freier Bauern und Handwerker. Sie sind die Eigentümer der Produktionsmittel, arbeiten selbst mit ihnen und eignen sich das Produkt ihrer eigenen Arbeit an. Produktion und Aneignung stimmen überein. Das Produktionsverhältnis der einfachen Warenproduzenten ist kein Ausbeutungsverhälnis.

Die kapitalistische Warenproduktion unterscheidet sich, wie wir noch später untersuchen werden8, dadurch von der einfachen Warenproduktion, daß die Produzenten, die Arbeiter, nicht die Eigentümer der Produktionsmittel sind und die Kapitalisten als Eigentümer der Produktionsmittel sich die Ergebnisse der Arbeit der Arbeiter aneignen. Produktion und Aneignung stehen demzufolge in einem antagonistischen Gegensatz. Das Produktionsverhältnis zwischen Kapitalisten und Arbeitern ist ein Ausbeutungsverhältnis.

In der sozialistischen Warenproduktion sind die Produzenten wieder die Eigentümer der Produktionsmittel. Sie sind es aber nicht als Privateigentümer, sondern als gesellschaftliche Eigentümer, demzufolge ist auch die Aneignung eine gesellschaftliche Aneignung. Produktion und Aneignung stimmen überein. In der sozialistischen Warenproduktion ist die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen beseitigt.

Die Existenzbedingungen der privaten einfachen Warenproduktion sind also die gesellschaftliche Arbeitsteilung und das Privateigentum an den Produktionsmitteln. Aus ihnen ergibt sich die Warenform der Produkte und der Doppelcharakter der Waren und der warenproduzierenden Arbeit.