Ware und Geld

4.2.2
Das Geld als Zirkulationsmittel

Der Warenaustausch ist, wie Karl Marx feststellte, einerseits „gesellschaftlicher Stoffwechsel“99, das heißt, er vermittelt die Übertragung der Ware aus der Hand des Produzenten, für den sie Nicht-Gebrauchswert ist, in die Hand desjenigen, für den sie Gebrauchswert ist, der sie produktiv oder individuell konsumiert. Andererseits ist der Warenaustausch der Formwandel oder die Matamorphose der Ware. Im Austausch entfaltet sich der Grundwiderspruch der einfachen Warenproduktion, der Widerspruch zwischen privater und gesellschaftlicher Arbeit, der Widerspruch von Gebrauchswert und Wert.

„Die Waren gehn zunächst unvergoldet, unverzuckert, wie der Kamm ihnen gewachsen ist, in den Austauschprozeß ein. Er produziert eine Verdopplung der Ware in Ware und Geld, einen äußeren Gegensatz, worin sie ihren immanenten Gegensatz von Gebrauchswert und Wert darstellen. In diesem Gegensatz treten die Waren als Gebrauchswerte dem Geld als Tauschwert gegenüber … Die Ware ist reell Gebrauchswert, ihr Wertsein erscheint nur ideell im Preis … Umgekehrt gilt das Goldmaterial nur als Wertmateriatur, Geld. Es ist reell daher Tauschwert … Diese gegensätzlichen Formen der Waren sind die wirklichen Bewegungsformen ihres Austauschprozesses.“100

Die Bewegung des den Waren innewohnenden Widerspruchs zwischen Gebrauchswert und Wert erscheint in zwei entgegengesetzten und einander ergänzenden Metamorphosen: im Verkauf W – G und im Kauf G – W.

Bei der einfachen, der totalen und auch der allgemeinen Wertform liegt noch keine oder nur bedingt Warenzirkulation vor. Wird die Ware gegen Ware ausgetauscht, so ist dieser Tauschakt W – W von anderen Tauschakten isoliert und in sich abgeschlossen.

Erst bei der Vermittlung dieses Tauschaktes durch Geld entstehen wesentlich neue ökonomische Züge in der Warenbewegung. In seiner Funktion als Zirkulationsmittel schiebt sich nun das Geld dazwischen und zirkuliert die Waren: W – G – W. Aus dem vorher isolierten, in sich abgeschlossenen Tauschakt zwischen zwei Partnern wird jetzt eine Kette zahlreicher Kauf- und Verkaufsakte, wird die Warenzirkulation. Es existieren jetzt vielfältige gegenseitige Beziehungen und Abhängigkeiten der verschiedenen Warenverkäufer und -käufer. Über den Austausch und die Zirkulation der Waren werden gesellschaftliche Beziehungen, werden Produktionsverhältnisse hergestellt.

Es findet jetzt bei W – G – W eine Metamorphose, ein Gestaltwandel der Ware statt. Dieser Gestaltwandel vollzieht sich zweimal. Beim Verkauf W – G geht die Ware aus der Hand des Produzenten A in die Hand des Käufers B über. Die Verwandlung der Ware in Geld ist der entscheidende Akt, ist die Realisierung des in ihr enthaltenen Wertes. Hier geht es um ihre Bewährung als Tauschwert. Karl Marx nennt ihn daher den „Salto mortale“, den Todessprung der Ware. Im Ergebnis hat der Produzent A die Ware gegen das allgemeine Äquivalent eingetauscht. Aus W, dem Wert in einem besonderen Gebrauchswert, wurde G, der Wert in seiner allgemeinen Gestalt. Die Ware fällt damit aus der Zirkulation in die Konsumtion.

Beim Kauf G – W benutzt der Verkäufer A, der in der ersten Phase, W – G, Geld erhielt, dieses Geld zum Ankauf einer anderen Ware. Er verwandelt nun Geld in Ware (G – W). Ein Dritter (C) verkauft ihm Waren. Außer A sind also noch zwei andere an der Metamorphose W – G – W beteiligt, nämlich der Käufer B der ersten Phase, der Geld gegeben hat. Für ihn war der Vorgang schon abgeschlossen, als er einen Gebrauchswert zu seiner Bedürfnisbefriedigung erhielt. Der Verkäufer C der zweiten Phase verfügt über Ware. Für ihn ist das noch nicht der Abschluß seines Auftretens auf dem Markt, sondern lediglich die erste Phase, auf die noch die zweite, sein Kauf, folgen muß.

Schon dieses Beispiel zeigt, daß aus dem direkten Warenaustausch zwischen zwei Personen eine endlose Kette von Verschlingungen der Ware-Geld-Bewegungen, Beziehungen und Abhängigkeiten, eben die Warenzirkulation, die gesamtgesellschaftliche Warenbewegung geworden ist.

Für jeden einzelnen Warenbesitzer und Warenproduzenten beschreibt die Ware einen Kreislauf. Nach zweimaligem Gestaltwechsel ist der Kreislauf abgeschlossen und Gebrauchswerte werden konsumiert.

Die Warenzirkulation unterscheidet sich vom unmittelbaren Produktenaustausch und vom direkten Warenaustausch W – W. Sie ist mit einer Weiterentwicklung der Produktivkräfte und der Produktionsverhältnisse verbunden. Ihr liegen kompliziertere Beziehungen in der gesellschaftlichen Produktion zugrunde, und sie schafft die Möglichkeit für neue gesellschaftliche Erscheinungen. Erst die Warenzirkulation schafft durch die Vermittlung des Geldes die Möglichkeit eines vielseitigen gesellschaftlichen Stoffwechsels. Sie bedingt die Verflechtung der Arbeit der Produzenten über größere wirtschaftliche Bereiche und Zeitabstände hinweg, was zweifellos gesellschaftliche Fortschritte sind. Je weiter sich die Arbeitsteilung entwickelt, desto mannigfaltiger und unselbständiger werden die Produkte, desto notwendiger wird gerade deshalb ein allgemeines Tauschmittel.101

Damit entwickelt sich aber unter den Bedingungen des Privateigentums an den Produktionsmitteln auch ein ganzer Bereich unkontrollierbarer Beziehungen und Abhängigkeiten. So braucht zum Beispiel der Verkäufer der Ware das Geld, das er für seine Ware erhielt, nicht oder nicht sofort für einen Kauf zu verwenden. Tritt diese Erscheinung zu einem bestimmten Zeitpunkt häufig auf, kann es zu Absatzkrisen kommen. Die Warenzirkulation birgt also in sich die Möglichkeit von Wirtschaftskrisen. Aber diese Verhältnisse führen noch nicht mit Notwendigkeit zur Krise. Das ist erst im Kapitalismus der Fall.

In seiner Funktion als Zirkulationsmittel bewegt sich das Geld anders als die zirkulierenden Waren. Die Ware beschreibt einen Kreislauf. Das Geld dagegen entfernt sich dem Zweck nach stets aus der Hand des Warenproduzenten. Vom Standpunkt der für die einfache Warenproduktion gültigen Bewegungen W – G – W bleibt daher das Geld stets in der Zirkulation, denn das Geld vermittelt hier nur die Warenbewegung.

Da das Geld als Zirkulationsmittel von Hand zu Hand wandert und jedesmal den Preis einer Ware realisiert, ergibt sich die Frage: Wieviel Geld ist überhaupt zur Realisierung der in die Zirkulation kommenden Waren notwendig? Karl Marx hat als erster die erschöpfende Antwort auf diese Frage gegeben, indem er das den Geldumlauf beherrschende ökonomische Gesetz entdeckte.

Die zur Zirkulation der Waren notwendige Geldmenge wird in der Hauptsache durch folgende Faktoren bestimmt: erstens durch die zirkulierende Warenmasse und deren Preise (je mehr Waren zirkulieren, desto mehr Geld ist notwendig), zweitens durch die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes.

Nehmen wir zur Vereinfachung an, daß sich zu einem bestimmten Zeitpunkt die Preise nicht verändern, dann wird die Menge des zur Zirkulation notwendigen Geldes bestimmt von der Preissumme der Waren, dividiert durch die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes.

Die Preissumme der Waren steht in direktem Verhältnis zu der notwendigen Geldmenge. Die Geldmenge wächst, wenn die Preissumme der Waren wächst. Sie fällt, wenn die Preissumme der Waren sinkt.

Die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes dagegen steht im umgekehrten Verhältnis zu der für die Zirkulation notwendigen Geldmenge. Je höher die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes, das heißt, je mehr Waren mit Hilfe des Geldes innerhalb eines bestimmten Zeitraums ihren Preis realisieren können, desto weniger Geld ist insgesamt notwendig. Je langsamer aber die Umlaufgeschwindigkeit ist, desto mehr Geld ist für die Zirkulation notwendig.

Die zur Zirkulation notwendige Geldmenge wird durch ein ökonomisches Gesetz bestimmt, und zwar durch das Geldumlaufgesetz. Es wurde von Karl Marx folgendermaßen formuliert:

Preissumme der Waren = Masse des als
Zirkulationsmittel
funktionierenden Geldes
Umlaufsanzahl gleichnamiger Geldstücke

Die zur Zirkulation notwendige Geldmenge hängt natürlich auch vom Wert des Geldes selbst ab. Verändert sich der Wert des Geldes, sinkt er zum Beispiel dadurch, daß die Goldproduktion produktiver wird, pro Geldeinheit weniger gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit aufgewendet werden muß, dann steigt bei gleichbleibendem Wert der Waren die zur Zirkulation notwendige Geldmenge. Bei Halbierung des Wertes des Geldes wäre dann doppelt soviel Geld notwendig. Umgekehrt steigt der Wert der Geldware, des Goldes, wenn die Goldproduktion unproduktiver wurde und mehr gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit aufgewendet werden muß, dann verringert sich die zur Zirkulation notwendige Geldmenge. Bei Verdopplung des Wertes des Geldes wäre dann halb soviel Geld notwendig.

Der Wert des Geldes wird, um es noch einmal zu betonen, wie der Wert jeder Ware durch die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit bestimmt, die zur Produktion der Geldware aufgewendet werden muß. „Das Gesetz“, erklärte Karl Marx, „daß die Quantität der Zirkulationsmittel bestimmt ist durch die Preissumme der zirkulierenden Waren und die Durchschnittsgeschwindigkeit des Geldumlaufs, kann auch so ausgedrückt werden, daß bei gegebner Wertsumme der Waren und gegebner Durchschnittsgeschwindigkeit ihrer Metamorphosen, die Quantität des umlaufenden Geldes oder des Geldmaterials von seinem eignen Wert abhängt.“102

Die Verminderung des Wertes des Geldes äußert sich in steigenden, die Erhöhung des Wertes des Geldes dagegen in sinkenden Preisen.

Von den Oberflächenerscheinungen der Wirkung dieses Umlaufgesetzes des Geldes geht die sogenannte Quantitätstheorie der bürgerlichen Ökonomen aus, wie sie auch von David Ricardo vertreten wurde und wie sie von ihm ursprünglich auch Karl Marx übernahm, wie in seinem Werk „Das Elend der Philosophie“ nachzulesen ist.103 Nach dieser Theorie wird der Wert der Waren durch die umlaufende Geldmenge bestimmt. Karl Marx zitiert im „Kapital“ Vertreter dieser Theorie: „Die Preise der Dinge werden sicherlich in jedem Lande so steigen, wie die Menge an Gold und Silber unter den Leuten anwächst; folglich müssen auch, wenn in einem Lande Gold und Silber sich vermindern, die Preise aller Waren einer solchen Verminderung des Geldes entsprechend fallen.“104

Bei dieser Theorie erhebt sich die Frage: Wenn der Wert der Waren durch die in der Zirkulation umlaufende Geldmenge bestimmt wird, wodurch wird dann der Wert des Geldes bestimmt? Die Antwort lautet dann: Durch die Menge der in die Zirkulation gehenden Waren. Wir drehen uns also im Kreise. „Die Illusion, daß umgekehrt die Warenpreise durch die Masse der Zirkulationsmittel und letztre ihrerseits durch die Masse des in einem Lande befindlichen Geldmaterials bestimmt werden, wurzelt bei ihren ursprüng-lichen Vertretern in der abgeschmackten Hypothese, daß Waren ohne Preis und Geld ohne Wert in den Zirkulationsprozeß eingehn, wo sich dann ein aliquoter Teil“ (ein Bruchteil) „des Warenbreis mit einem aliquoten Teil des Metallbergs austausche.“105

Aus der Funktion der Vermittlung der Warenzirkulation durch das Geld ergibt sich eine wichtige Erscheinung aller modernen Geldsysteme: das Geldzeichen.

Da das Geld die Warenzirkulation vermittelt, tritt es nur flüchtig auf. In dieser Aufgabenstellung kann das Geld durch bloße Zeichen, durch Symbole ersetzt werden. Diese Möglichkeit wird zur Wirklichkeit, indem der Staat durch Zwangskurs anstelle von Geld (teilweise oder vollständig) Geldzeichen umlaufen läßt. Diese Geldzeichen können Scheidemünzen oder Papiergeld sein. Mit einem staatlichen Zwangskurs versehen, vermitteln sie die Zirkulation der Waren.

Geldzeichen erhalten als Stellvertreter des Geldes allgemeine gesellschaftliche Gültigkeit. Sie sind aber nicht das eigentliche Geld, sondern fungieren nur in Vertretung der eigentlichen Geldware, des Goldes. Die Existenz der Geld-zeichen beruht auf der Funktion des Geldes als Zirkulationsmittel.

Die Geldzeichen können die Grundfunktion des Geldes (Maß der Werte) nicht von sich aus, unabhängig vom Gold, erfüllen. Sie haben selbst nicht den Wert, der ihnen aufgedruckt ist und für den sie als Geld fungieren. Das Gold muß den Geldzeichen, zum Beispiel Papiergeld, zugrunde liegen. Die Zirkulationssphäre kann nur soviel Papiergeld aufnehmen, wie sich beständig Goldgeld in ihr befinden würde und müßte.

Wie setzt sich nun das Geldumlaufgesetz unter den Bedingungen der Goldwährung und der gegenwärtig allgemein existierenden Papiergeldwäh-rungen durch? Zwischen dem Verhalten des Goldes und dem des Papiergeldes als Zirkulationsmittel besteht ein entscheidender Unterschied. Das Gold ist unmittelbar, als Produkt menschlicher Arbeit, Wertgegenstand. Ist mehr Gold vorhanden, als Geld für die Zirkulation benötigt wird, so ändert das am Wert des Goldes nichts. Es wird als Schatz oder als Reservefonds spontan aus der Zirkulation ausgeschieden oder es findet als Schmuck usw. Verwendung.

Der Goldgeldumlauf ist relativ elastisch. Das Geldumlaufgesetz setzt sich spontan durch und regelt die Menge des zur Zirkulation notwendigen Goldgeldes („Goldautomatismus“).

Dieser Automatismus bestand auch bei Papiergeldumlauf, solange das Papiergeld bei den Banken frei gegen Gold eingetauscht werden konnte. Gegenwärtig hat kein Land mehr eine Goldumlaufwährung, das heißt, das Papiergeld kann nicht mehr gegen Gold eingetauscht werden, es ist nicht mehr konvertibel. Nur in den Außenhandels- und Finanzbeziehungen besteht Konvertibilität des Papiergeldes gegen Gold. Aber auch sie ist durch die Krise des kapitalistischen Währungssystems eingeschränkt.

Das erste Papiergeld trat bereits im siebenten Jahrhundert in China auf. Im Jahre 1690 wurde in Amerika das erste Papiergeld in Umlauf gesetzt. Dann folgten Frankreich (1716), Rußland im Jahre 1769 und England während der Napoleonischen Kriege.

Überschreitet das Papiergeld die für die Zirkulation erforderliche Menge, gibt der Staat mehr Papiergeld aus, als für den Geldumlauf nötig ist, dann wird es indem Maße entwertet, wie seine Menge die zur Zirkulation der Waren notwendige Goldgeldmenge überschreitet. Wären zum Beispiel 5 Milliarden nötig, um eine vorhandene Warenmenge zu zirkulieren, aber 10 Milliarden Papiermark vom Staat emittiert, dann repräsentiert jede Papiermark nur den Wert einer halben Goldmark. Das bedeutet praktisch, daß die Preise auf das Doppelte steigen. Solche übermäßige Ausgabe von Papiergeld und seine damit verbundene Entwertung ist die allgemeine Grundlage der Inflation.106

Die Ausgabe von Papiergeld über die ökonomisch notwendige Geldmenge hinaus war und ist in den kapitalistischen Staaten ein Mittel zur Finanzierung parasitärer Staatsausgaben zur Deckung von Haushaltsdefiziten und zur Erlangung von Extraprofiten für die mächtigsten Industrie- und Bankmonopole. Inflationen waren und sind eng mit der Vorbereitung, der Durchführung und den Folgen von Kriegen verbunden.

Emittiert der kapitalistische Staat zur Finanzierung seiner Rüstungsausgaben Papiergeld weit über die Bedürfnisse der Warenzirkulation hinaus, dann
erfolgt das in erster Linie auf Kosten der Arbeiterklasse, der werktätigen Massen. Durch steigende Preise und sinkende Reallöhne müssen sie die Geldentwertung tragen. Für viele Handwerker, Kleinbauern und auch kleine Kapitalisten bedeutet eine Inflation den wirtschaftlichen Ruin. Die Inflation ruft durch die Preissteigerungen eine Umverteilung großer Teile des National-einkommens im Interesse der herrschenden Klasse hervor. Besonders kraß trat diese Erscheinung der Inflation im Zusammenhang mit dem ersten und dem zweiten Weltkrieg auf, als eine Hauptmethode, die Kriegskosten auf die Werktätigen abzuwälzen.

Eine schwere Inflation trat 1923 in Deutschland auf, als der Geldumlauf und die Preise sprunghaft anstiegen. Ende 1923 betrug der Papiergeldumlauf rund 500 Trillionen Mark (ohne das sogenannte Notgeld, das viele Städte herausgaben).107 Eine entscheidende Rolle spielte dabei das Defizit im Reichshaushalt. Die Überfüllung der Zirkulationskanäle mit Papiergeld führte zu enormen Preissteigerungen. Der Preisindex für Lebensmittel (1913 = 1) betrug 1923, in Papiermark ausgedrückt, 149,7 Milliarden, bei Industrieerzeugnissen 197,0 Milliarden.108