Einst erfolgreiche DDR-Autoren dem Vergessen entreißen
Griff in die literarische Schatztruhe (Teil 17)
Die später bekannte Literaturtheoretikerin und -kritikerin Annemarie Auer wurde am 10. Juni 1913 in Neumünster/Holstein geboren. Ihr Vater nahm am Kieler Matrosenaufstand 1918 teil. Sie wurde 1944 dienstverpflichtet, arbeitete in der Rüstungsindustrie und lernte später ihren Lebens- und Gesinnungsgefährten Eduard Zak kennen. Annemarie Auers „Umgang mit Büchern, das Studium der Germanistik und die Arbeit als Redakteurin bildeten ihre Erfahrungen unter dem Prägestempel der DDR“. (Fritz Rudolf Fries) Sie absolvierte eine Buchhändlerlehre, arbeitete beim Rundfunk, der Akademie der Künste und der Redaktion der „Neuen Deutschen Literatur“. Annemarie Auer förderte durch Zuspruch u. a. Autoren wie Franz Fühmann, Irmtraud Morgner und Brigitte Reimann. Für DDR-Leser erschloß sie den Schriftsteller Elias Canetti. Proben ihres Talents als Schriftstellerin erschienen in Anthologien, so in „Unterm Notdach“ und „Tausend Gramm“. In ihrem Buch „Landschaft der Dichter“ (1958) wußte sie tiefgründig die Gestaltung unterschiedlicher Naturbilder verschiedener Lyriker aus der jeweiligen Zeit heraus zu betrachten und zu vergleichen. Sie verfaßte einen Essay über den Essay unter dem Titel „Die kritischen Wälder“ (1974), in dem sie auf die Vielfalt essayistischer Typen hinwies, so den philosophischen und den historischen Essay. In dem Band „Standorte – Erkundungen – Essays“ (1967) vereinte Annemarie Auer sieben literaturkritische Studien aus „zehn Arbeitsjahren“.
In vier Beiträgen untersuchte sie das Schaffen von Anna Seghers, Johannes R. Becher, Ludwig Renn und Hermann Kant. In ihrem Essayband „Erleben – erfahren – schreiben. Werkprozeß und Kunstverstand“ (1977) stellte sie sechs Abhandlungen vor, die zumeist bereits früher erschienen waren, und zwei ihrer Dankreden. In den Texten fanden sich Belege für ihre Kunstanschauungen sowie ihre Rezeptionsvorstellungen. Herausragend war ihr Geschichtenband „Morgendliche Erscheinung“ (1987). Die sieben zwischen 1945 und 1985 entstandenen Beiträge waren Erzählungen, Berichte und Betrachtungen. Sie enthielten Erinnerungen an ihre Kindheit in Kiel sowie einen Bericht über ihre Reise nach Wien.
In einem beigefügten Brief würdigte Fritz Rudolf Fries die Autorin. Die Akademie der Künste der DDR ehrte sie 1968 mit dem F.-C.-Weiskopf-Preis und 1974 mit dem Heinrich-Mann-Preis. Die Universität Halle verlieh ihr 1983 die Ehrendoktorwürde. Die wahrheitsliebende und engagierte Zeitzeugin starb mit fast 89 Jahren am 7. Februar 2002 in Berlin. Eine außergewöhnliche Frau mit hoher Selbstdisziplin, bestimmte sie die Literatur-entwicklung in der DDR als Redakteurin, Kritikerin und Essayistin mit.
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