Handelskapital und Handelsprofit
Leihkapital und Zins

1.4
Der Umschlag und die Profitrate des Handelskapitals

Bei einer gegebenen Größe des gesellschaftlichen Gesamtkapitals wird die Profitrate des Handelskapitals wie die Profitrate des industriellen Kapitals vor allem durch die Masse des in der materiellen Produktion erzeugten Mehrwerts bestimmt. Beide sind folglich wesentlich vom Umfang und Grad der Ausbeutung der Arbeiterklasse in der materiellen Produktion abhängig. Je größer die ausgebeutete Arbeiterklasse und je größer ihre Ausbeutungsrate, desto größer ist, unter sonst gleichen Umständen, die Durchschnittsprofitrate des industriellen Kapitals und dadurch die des Handelskapitals. Für die Verwertung des industriellen Kapitals ist die Umschlagsgeschwindigkeit des Kapitals, insbesondere die des variablen Kapitals, von Bedeutung.

Jahresmehrwertrate und Jahresprofitrate stehen im direkten Verhältnis zur Umschlagsgeschwindigkeit des Kapitals. Je öfter das variable Kapital in einem Jahr umschlägt, um so größer können Masse und Rate des Mehrwerts beziehungsweise Profits pro Jahr sein.

Demgegenüber hat die Umschlagsgeschwindigkeit des Handelskapitals in seiner Gesamtheit prinzipiell keinen Einfluß auf dessen jährliche Profitrate. Diese wird durch die allgemeine Durchschnittsprofitrate bestimmt. Dieser Unterschied liegt darin begründet, daß das Handelskapital keinen Mehrwert erzeugt, sondern diesen realisiert. Demzufolge kann eine Vergrößerung des Mehrwerts infolge eines schnelleren Umschlags des Handelskapitals nicht erfolgen. Die Handelsprofitrate wird auf das von den Handelskapitalisten jährlich vorgeschossene Kapital bezogen, unabhängig davon, wie oft es im Jahr umschlägt. Karl Marx schreibt: „… die relative Größe des Kaufmannskapitals im Verhältnis zum Gesamtkapital als gegeben vorausgesetzt, wirkt die Verschiedenheit der Umschläge in verschiednen Handelszweigen nicht auf die Größe des Gesamtprofits, der dem kaufmännischen Kapital zukommt, noch auf die allgemeine Profitrate. Der Profit des Kaufmanns ist bestimmt, nicht durch die Masse des Warenkapitals, das er umschlägt, sondern durch die Größe des Geldkapitals, das er zur Vermittlung dieses Umschlags vorschießt.“28

Beträgt die allgemeine Durchschnittsprofitrate zum Beispiel 10 Prozent und das vom Handelskapital vorgeschossene Gesamtkapital 100 Millionen, so realisiert es bei einem einmaligen Umschlag im Jahr 10 Millionen Profit, und der Verkaufspreis der Waren beträgt im Jahr 110 Millionen. Schlägt das Handelskapital fünfmal um, so verändert sich der pro Jahr realisierte Handelsprofit nicht. Er beträgt entsprechend der Größe des vorgeschossenen Kapitals von 100 Millionen 10 Millionen. Der Verkaufspreis der Waren verringert sich aber auf 510 Millionen beziehungsweise 102 Millionen pro Umschlag. Die Beschleunigung des Umschlags wird als Mittel der Konkurrenz benutzt. Das schließt nicht aus, daß die Preise nicht in gleichem Maße gesenkt werden, wie der Umschlag des Handelskapitals beschleunigt wird.

Die Umschlagsgeschwindigkeit des Kaufmannskapitals beeinflußt folglich die Verkaufspreise der Waren. Die Höhe des Preiszuschlages, der auf den Produktionspreis der einzelnen Ware entfällt, steht in umgekehrtem Verhältnis zur Umschlagsgeschwindigkeit des Kaufmannskapitals. Je schneller das Kaufmannskapital umschlägt, desto niedriger ist der Preisaufschlag auf den Produktionspreis.

Von der Jahresprofitrate des Handelskapitals in seiner Gesamtheit sind jedoch die Jahresprofitraten der individuellen Handelskapitale zu unterscheiden. Diese können selbstverständlich von diesem Durchschnitt abweichen und darüber beziehungsweise darunter liegen, je nachdem, wie schnell die Einzelkapitale, gemessen am gesellschaftlichen Durchschnitt, umschlagen.

Würde zum Beispiel das angenommene Handelskapital von 100 Millionen mit einer jährlichen Durchschnittsprofitrate von 10 Prozent und einer Profitrate pro Umschlag von 2 Prozent drei individuellen Handelskapitalisten gehören – A = 40, B = 40 und C = 20, wobei das Kapital von A sechsmal, das von B viermal und das von C fünfmal umschlagen soll –, so würde A eine Jahresprofitrate von 12 Prozent (2 × 6), B von 8 Prozent (2 × 4) und C von 10 Prozent (2 × 5) realisieren. In diesem Fall würde A eine Jahresprofitrate realisieren, die über der allgemeinen Durchschnittsprofitrate liegt, weil sein Kapital überdurchschnittlich schnell umschlägt. A würde einen Extraprofit realisieren, während B nicht einmal den Durchschnittsprofit realisieren würde. A könnte unter den angenommenen Bedingungen sogar die Preise seiner Waren noch mehr senken und, sofern dies in den entsprechenden Grenzen geschieht, dennoch einen Extraprofit realisieren. Die Beschleunigung der Umschlagsgeschwindigkeit ist eine Waffe des Konkurrenzkampfes der Handelskapitalisten untereinander. Mit der Beschleunigung des Umschlags können die Preise gesenkt und die Konkurrenten aus dem Felde geschlagen werden.

Dieser Umstand erklärt auch, warum große Warenhäuser ihre Waren zum Teil zu niedrigeren Preisen verkaufen als andere Handelskapitalisten, sie jedoch dennoch größere Profitraten realisieren als jene. Schließlich ist die Jahresprofitrate der individuellen Handelskapitale auch von den aufgewandten Zirkulationskosten abhängig. Diejenigen, die weniger als die durchschnittliche Größe an Zirkulationskosten aufwenden, realisieren eine höhere, diejenigen, die mehr Zirkulationskosten aufwenden als dem gesellschaftlichen Durchschnitt entspricht, realisieren eine geringere Profitrate. Wenn Handelskapitalisten zu hohe Zirkulationskosten anwenden und/oder der Umschlag ihres Handelskapitals unter dem des gesellschaftlichen Durchschnitts liegt, verwertet sich ihr Kapital unterdurchschnittlich, und sie erleiden Verluste. Da die Warenhauskonzerne mit ihren „Supermärkten“ in der Regel auch über die moderne Technik verfügen, liegen ihre Zirkulationskosten zum Teil unter denen ihrer Konkurrenten, so daß sie auch auf diese Weise Extraprofit realisieren können.