RotFuchs 236 – September 2017

DKP: Erklärung des Parteivorstands
und des Bezirksvorstands Hamburg

RotFuchs-Redaktion

Der G20-Gipfel ist beendet. Hamburg atmet auf. Das Ergebnis des Zusammentreffens der G7 mit den Schwellenländern und der EU steht in keinem Verhältnis zu Kosten, Aufwand und Ausnahmezustand, der vor allem die Hamburgerinnen und Hamburger getroffen hat. Es gibt eine Einigung darauf, daß die Märkte offen sein müssen und Protektionismus, also der Schutz des jeweiligen heimischen Marktes, vermieden werden soll. Damit kann das Groß- und Monopolkapital bestens leben. Dort, wo der Handel in ihrem Interesse reguliert werden soll, gab es auch ein Ergebnis: den Ab­schluß eines Freihandelsabkommens zwischen Japan und der EU.

Groß angekündigt war die Teilnahme Afrikas an diesem Gipfel. Die dortigen Märkte werden weiterhin mit Subventionen zum Beispiel der hiesigen Landwirtschaft für die Verwertungsbedingungen des Kapitals ausgeblutet. Den Menschen wird die Lebens­grundlage entzogen. Weitere Flüchtlingsströme und Tote im Mittelmeer werden die Folge sein.

Der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz hat sich mit seiner Großmannssucht eine blutige Nase geholt. Statt ernsthaft die sozialen Probleme in der Stadt anzugehen, versucht er, sich mit Großprojekten wie den Olympischen Spielen und dem Treffen der G20 als Staatsmann zu präsentieren. Während er sich im Millionengrab Elbphilhar­monie amüsierte, lief die Veranstaltung draußen aus dem Ruder. Sein Innensenator Andy Grote hatte vor der Presse verkündet, er erwarte ein „Festival der Demokratie“.

Die Fakten sprechen eine andere Sprache: Wochen vor dem Gipfel haben die bürger­lichen Medien ein Klima von Angst mit dem Hinweis auf erwartete Gewalt erzeugt. Bereits im Vorfeld wurde der Protest kriminalisiert. Bei mehreren Aktivisten fanden Hausdurchsuchungen statt. In einem Drittel Hamburgs wurden Grundrechte, insbe­sondere die Versammlungsfreiheit, mittels behördlicher Allgemeinverfügung außer Kraft gesetzt, mehr als 22 000 Polizei- und Spezialkräfte mit modernstem techni­schem Equipment wurden eingesetzt. Gerichtsurteile zum Campen in der Stadt wur­den mißachtet, und gegen Protestierende wurde zum Teil brutal vorgegangen. Es kam zu lebensgefährlichen Situationen durch Polizeigewalt.

Der martialische Einsatz des staatlichen Gewaltpotentials war nicht nur gegen die unmittelbar Betroffenen gerichtet. Er war ein Signal an alle fortschrittlichen Kräfte, daß die Herrschenden, das Monopolkapital und seine politischen Vertreter, bereit sind, alle Machtmittel innerhalb und außerhalb des Rechts einzusetzen, wenn ihr Herrschaftsanspruch auch nur ansatzweise in Frage gestellt wird.

Zudem boten Randalierer und Provokateure die Möglichkeit, mit Bildern von brennen­den Autos, Barrikaden und geplünderten Läden Bürger, die sich in die Protest gegen die Großmannssucht unter den Politikern eingereiht hatten, in den Schoß von Ruhe und Ordnung zurückzuholen und wieder einzubinden. Diese Bilder waren gewollt. Per­sonen, die in Hamburg für eine autonome Politik stehen, haben erklärt, daß sie mit diesen sinnentleerten Aktionen nichts zu tun haben. Sie lehnen sie als völlig destruk­tiv ab.

Das politische Ziel der Spaltung der Bewegung gegen den G20-Gipfel ging nicht auf. Deutlich mehr als 150 000 Menschen haben sich in der Woche vor und während des Gipfels an Demonstrationen, Aktionen, Blockaden und Veranstaltungen gegen den Gipfel engagiert. An der abschließenden Großdemonstration beteiligten sich Umwelt­schutzverbände, Christen, Gewerkschaften, Organisationen der Migranten, Schüler, Bürgerinitiativen und viele Einzelpersonen.

Der internationale kommunistische Block mit Genossinnen und Genossen aus Ham­burg, Deutschland, dem europäischen und weltweiten Ausland zeigte die Ursachen und den Gegner auf: „Fight Imperialism“. Um Alternativen zum Imperialismus, den Sozialismus, ging es auch bei der Podiumsdiskussion mit Mitgliedern von fünf kommunistischen Parteien, die die DKP im Rahmen der Proteste organisiert hatte. Wer die Not der Menschen dauerhaft beseitigen will, muß nicht nur die politischen Repräsentanten bekämpfen. Er muß die eigentlichen Träger dieser Politik, das Mono­polkapital, bekämpfen. Er muß für eine andere, eine bessere, eine gerechte Welt, für den Sozialismus kämpfen.

Redaktionell gekürzt

Ich weiß, daß wir bei brisanten Großdemos verdeckt agierende Beamte, die als tak­tische Provokateure, als vermummte Steinewerfer fungieren, unter die Demonstran­ten schleusen. Sie werfen auf Befehl Steine oder Flaschen in Richtung der Polizei, damit die dann mit der Räumung beginnen kann.

Aussage eines Polizisten, zitiert von Jörg Heuer in einem Artikel
im „Hamburger Abendblatt“ vom 18. Oktober 2010

Unter den angeblichen „Linksextremisten“, die während des G20-Gipfels in Ham­burg randalierten, hat der Fotojournalist Andreas Scheffel mehr als 70 Rechte erkannt. „Die Personen konnte ich anhand von eigenen Daten identifizieren, die mir durch meine langjährige Arbeit zur Verfügung stehen – aus dem Bereich der De­monstrationen oder anderen Veranstaltungen, bei denen ich immer wieder zugegen bin“, erklärte er in einem Interview mit dem Südwestdeutschen Rundfunk (SWR). Es handle sich um Personen aus Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, aus Sachsen und aus Hessen, so Scheffel, der sich seit Jahren mit der Neonaziszene befaßt. Das Phänomen des Randalierens unter „falscher Flagge“ ist ihm zufolge nicht neu: „Nein, das sieht man immer wieder, daß rechte Gruppierungen sich bei größeren Veranstaltungen versuchen, autonom drunterzumischen.“

jW vom 19. Juli 2017

Wie habe ich die Proteste erlebt, als jemand, der dem Aufruf von Pax Christi, Attac, der Partei Die Linke und vielen anderen gefolgt war und an der großen Demonstra­tion am 8. Juli teilnahm? Um es kurz zu sagen: Die Gewalt habe ich nur im Fern­sehen gesehen. Auf der großen Demonstration selbst herrschte ein völlig anderer Geist. Dieser Geist war international, bunt und kreativ, entspannt und gutgelaunt, aber auch politisch sehr entschlossen und kämpferisch. Eine Vielzahl von Men­schen und Gruppen kam zusammen: Pflanzen- und Tierschützer, Chinesen und Kurden, bunt geschminkte Clowns und schwarz gekleidete Antifas, dogmatische Kommunisten und vorher lange auf keiner kapitalismuskritischen Demo gesichtete Grüne. Christen, Muslime, Freidenker. Sie alle stellten sich gegen die mörderischen Auswüchse eines grenzenlosen Kapitalismus und protestierten für eine Politik des sozialen Ausgleichs, der ökologischen Vernunft sowie eines gewaltfreien und soli­darischen Internationalismus. Es wurde gesungen, getanzt, aber auch skandiert und agitiert …

Jonas Christopher Höpken, Oldenburg
jW vom 17. Juli 2017