RotFuchs 186 – Juli 2013

Billigsttextillien mit Schweiß und Blut gewebt

„Modisches“ aus Bangladesch

RotFuchs-Redaktion

Die Zahlen sind unfaßbar: Aus den Trümmern des zusammengestürzten achtstöckigen Neubaus in Savar, der nur fünf Geschosse hätte haben dürfen, wurden bis Anfang Mai die Leichen von 1127 Menschen geborgen, während viele der zweieinhalbtausend Verletzten weiter um ihr Leben bangen müssen oder zu Krüppeln wurden. Etwa die Hälfte der Opfer waren Frauen und Kinder. Diese befanden sich zum Zeitpunkt des Desasters in „Betreuungseinrichtungen“, welche die Firma in drei Stockwerken der Todesfalle unterhielt. Insgesamt hatten die Unternehmer in dem unsicheren Hochbau rund 6000 Menschen zusammengepfercht.

Bereits am 24. November 2012 war in einer den US-Konzern Walmart beliefernden Textilfabrik in Tazree ein Feuer ausgebrochen, bei dem 112 Arbeiterinnen und Arbeiter lebendigen Leibes verbrannten. Und nur wenige Tage nach der Katastrophe in Savar wurde schon der nächste Großbrand gemeldet, bei dem wieder zahlreiche Beschäftigte einer für ausländische „Abnehmer“ produzierenden Textilfabrik ums Leben kamen, weil die Ausgänge auf Weisung der Firmenleitung fest verriegelt waren, als das rasch um sich greifende Feuer ausbrach.

Während Sprecher der am Raubzug beteiligten Handelsketten führender imperialistischer Länder – vor allem der USA, Großbritanniens und der BRD – ganze Ströme von Krokodilstränen vergossen und unverzüglich kosmetische Operationen „humanitären Charakters“ in Gestalt angeblich verstärkter Sorge um die Betriebssicherheit ankündigten, dürfte sich am Wesen der Dinge, der extremen Ausbeutung, nichts ändern. Denn in wohl kaum einem anderen Land erreichen die von ihnen erzielten Extraprofite eine solche Höhe wie in Bangladesch.

Obwohl die Erzeugnisse in erbärmlichen Sweatshops, wie man einst in den Vereinigten Staaten „Schwitzbuden“ zur Herstellung billigster Textilerzeugnisse nannte, produziert werden, versieht man sie auf Verlangen der Käufer obendrein noch mit exklusiven Firmenschildern internationaler Spitzenunternehmen. Auf diese Weise erzielen die Handelsketten das Drei- bis Vierfache der den Firmen in Bangladesch zu zahlenden Niedrigstpreise.

Doch es gibt auch eine positive Nachricht aus der südasiatischen Armutshochburg: Niemals zuvor war der Widerstand gegen die im durchaus wörtlichem Sinne blutsaugenden Auslandskonzerne und die mit ihnen verquickte einheimische Ausbeuterklasse so stark und zielgerichtet wie heute. Der spontane Reflex auf die jüngsten Tötungsverbrechen jener, welche man wohl kaum als „redliche Fabrikbesitzer“ bezeichnen kann, war ungewöhnlich stark. Schon unmittelbar nach dem ersten vom Kapital verschuldeten Brand im Industrierevier Savar-Ashulia riefen Arbeiterorganisationen zu viertägigen Protestaktionen auf, an denen Tausende und aber Tausende teilnahmen. Vielerorts fanden spontane Großkundgebungen statt. Die Teilnehmer forderten die Bestrafung der Eigentümer von Sweatshops, eine angemessene Entschädigung der Angehörigen ums Leben Gekommener und die Reha-Behandlung Verletzter auf Kosten der Vereinigung der Textilhersteller und Exporteure sowie der Regierung von Bangladesch. Ende Mai legten die Gewerkschaften noch weitaus stärkere Gewichte auf die Waage des Klassenkampfes: Hunderttausende folgten in der Landeshauptstadt Dhaka und anderen Zentren des Landes dem Aufruf zum Generalstreik. Etwa 20 000 Polizisten wurden von den Herrschenden zur „Wiederherstellung des sozialen Friedens“ zusammengezogen.

Schon unmittelbar nach dem grausigen Geschehen hatten sich die Generalsekretäre der KP und der Sozialistischen Partei von Bangladesch an die Stätte des faktischen Massenmordes begeben. An Ort und Stelle sprachen sie mit Überlebenden.

Am 18. Dezember riefen die linken Parteien zum ersten Generalstreik in der Geschichte von Bangladesch auf, der in vielen Revieren trotz des Terrors der Reaktion befolgt wurde.

RF, gestützt auf „People’s World“ und „Workers World“ (beide USA), „The New Worker“, London