RotFuchs 188 – September 2013

Selbstanzeige

Birgit Gläser-Weise

Kurz nach dem 9. Mai forderte Unionsfraktionschef Kauder, „noch einmal über ein strafrechtliches Verbot des Tragens von Symbolen des DDR-Staates nachzudenken“. Damit würden „die Opfer der unmenschlichen SED-Diktatur“ verhöhnt. 2011 hatte übrigens schon die Junge Union beim Bundesparteitag der CDU den Vorschlag gemacht „die Verbreitung und Verwendung von Symbolen aus der Zeit der DDR – analog zu rechtsradikalen Symbolen (!) – strafbar zu machen. Nun muß ich persönlich vorbeugen, denn ich fand beim Schränkesortieren mein Abzeichen „Brigade der sozialistischen Arbeit“. Ich habe Angst vor strafrechtlicher Verfolgung und möchte mich deshalb sofort selbst anzeigen.

Ich bekenne mich schuldig. Verschont mich! Niemand hat mich gefragt, ob ich in die DDR hineingeboren werden möchte. Dennoch bekenne ich mich schuldig, daß ich in diesem Staat gern gearbeitet und trotz dreier Kinder keine Herdprämie eingefordert habe. Statt dessen wurden meine Kleinen im Kindergarten (für 15 DDR-Mark Essensgeld im Monat) gezwungen, Volkspolizisten zu achten und ein Bild von der 1.-Mai-Demonstration zu malen. Ich bekenne mich schuldig, daß sich meine Kinder auch heute noch mehr für ihre Mitmenschen interessieren als für die neue Kollektion von Herrn Glööckler und das tragische Leben der Daniela Katzenberger. Ich bekenne mich schuldig, daß mich das Drohnendebakel und die Verschwendung einer halben Milliarde Euro an Steuergeldern nicht mehr aufregen als die Kürzung eines Lebensunterhaltsexistenzminimums minderbegüterter Individuen wegen Ablehnung einer Leibeigenschaft durch eine Leiharbeitsfirma. Ich bekenne mich schuldig!

Ich werde mich immer wieder gern selbst anzeigen. Ich fordere euch alle auf: Werdet zu Mittätern! Denkt mit!

PS.: Zur Erleichterung der Beweisaufnahme habe ich das vom Verbot bedrohte „Symbol“ aussagekräftig unserem Plüschhaustier verliehen.

Gekürzt aus „Linker Blick“, Zwickau