RotFuchs 223 – August 2016

Stimmen aus aller Welt über die DDR
(Folge 2)

RotFuchs-Redaktion

Solange der sozialistische deutsche Staat, die DDR existierte, haben sich immer wieder Persönlichkeiten aus der ganzen Welt bei oder nach Besuchen über die DDR geäußert. Zum 30. Jahrestag am 7. Oktober 1979 hat die Auslandspresseagentur Panorama DDR über hundert solcher Stellungnahmen in einem Buch vereint. Entstanden ist so ein Mosaik persönlicher Erfahrungen und Erkenntnisse, die jeweils ein Stück gesellschaftlicher Wirklichkeit widerspiegeln. Stellvertretend für die anderen werden wir in den nächsten Monaten einige dieser Äußerungen veröffentlichen – Älteren zur Erinnerung, Jüngeren zur Verdeutlichung dessen, was die DDR für die Welt – und für uns – war.

Hortensia Bussi de Allende (1914–2009), Witwe des ehemaligen chilenischen Präsidenten Salvador Allende

Hortensia Bussi de Allende

(1914–2009)
Witwe des ehemaligen chilenischen Präsidenten Salvador Allende

Die Deutsche Demokratische Republik ist in den Gedanken des chilenischen Volkes stets gegenwärtig. Jetzt, wo sie kurz vor den Feierlichkeiten zu ihrem 30. Jahrestag steht, muß ich daran denken, als ich ge­meinsam mit Salvador Allende im Jahre 1954 zum erstenmal in dieses Land kam. Damals war es ein zerstörtes Land: Berlin, Dresden, Leipzig – sie alle zeigten noch die Überreste des Krieges. Wir waren auch in Weimar und besuchten dort das Haus Goethes, und nicht weit davon entfernt – der Schrecken Buchenwald. Wir haben damals die ganzen Zerstörungen der Nazis wahrgenommen und ahnten nicht, daß unsere Heimat zwanzig Jahre später unter den Faschismus fallen würde.

Dann, in den nachfolgenden Jahren, konnte ich mit großer Befriedigung sehen, wie die DDR stärker wurde, die Ruinen und die Asche verschwanden und sie sich in eine mächtige und friedliche Nation verwandelte. Dabei hat sie nie das tiefe Gefühl der Solidarität verloren mit den Völkern, die auf der ganzen Welt um ihre Freiheit, um Demokratie und Sozialismus kämpfen.

Jedesmal, wenn ich gekommen bin, habe ich den herzlichen Atem eines gefühlvol­len Volkes gespürt, das die große Sehn­sucht des chilenischen Volkes nach Frei­heit, wie sie während der Regierung der Unidad Populär und des Genossen Sal­vador Allende zum Ausdruck kam, ver­standen hat und das nach dem verräte­rischen Staatsstreich der Faschisten den gleichen Schmerz und die gleiche Empö­rung empfand wie wir Chilenen. Das Volk der DDR und die Partei der Arbeiterklasse unter Vorsitz des Genossen Erich Hon­ecker begleiteten uns in den Tagen, als wir unsere Lebensbedingungen mit dem re­volutionären Kampf verändern wollten, so wie sie heute an unserer Seite stehen, in unserem Kampf im Innern des Landes und im Exil zum Sturz der faschistischen Militärjunta und der Wiederherstellung demokratischer Verhältnisse in Chile. Ich erinnere mich an all den politischen und wirtschaftlichen Beistand der DDR, den wir während der Unidad Popular be­kommen haben. Ich denke daran, wie ich mit Salvador Allende nach Valparaiso gefahren bin, um dort das erste der beiden Schiffe zu begrüßen, die die DDR uns gesandt hatte mit Gütern, die wir so drin­gend benötigten. Die Ambulanzen und medizinischen Einrichtungen waren so außerordentlich nützlich für die ge­sundheitliche Betreuung der Bevölke­rung. Schwerlich werde ich die Rührung vergessen, die wir alle, vor allem der Ge­nosse Präsident, beim Empfang dieses Schiffes empfanden, als wir sahen, mit wieviel Liebe die Bürger der DDR die großzügigen Geschenke ausgewählt hat­ten, die uns das Schiff brachte.

Zu der wirtschaftlichen Unterstützung, die wir erhielten, müssen die Kredite hin­zugefügt werden, die ständige politische und diplomatische Hilfe – all dies gab uns die Gewißheit, mit einem Freundesland, einem Verbündeten rechnen zu können, der uns Mut machte in unseren Schwierig­keiten, bei unseren Aufgaben, deren Er­füllung uns der Imperialismus so er­schwerte. Diese große Freundschaft, die uns die DDR erwies, endete natürlich nicht mit dem Unglückstag des 11. September 1973, als der Verrat mit Militäruniformen die Moneda bombardierte, viele Kämpfer dort ermordete und Chile in die Nacht des Faschismus stürzte. Nein, im Gegenteil. Die Liebe des Volkes der DDR schien in dem Maße zu wachsen, wie in ihnen die Empörung über die Gemeinheit und Feigheit der verräterischen Generale wuchs. Nur drei Tage nach diesem Datum, am 14. September 1973, versammelten sich vor der Humboldt-Universität Berlin 300 000 Bürger der DDR, um den Chile­nen ihre Unterstützung zu versichern, die begannen, ihre Widerstands- und Kampf­organe aufzubauen. Das waren 300 000 Bürger, die ihren Haß und ihre Ge­ringschätzung gegen die zum Ausdruck brachten, die kriminelle Verräter sind und sich die Regierung Chiles nannten.

Die DDR öffnete für etwa dreitausend Chilenen ihre Pfor­ten. Sie haben hier eine herzliche Um­gebung gefunden, offene Arme und alle Möglichkeiten, um ehrenvoll ihrer Arbeit und ihren Studien nachgehen zu können. Sie bekamen Studienplätze, Prämien, Wohnungen und Beschäftigungen. Die Lehrer, die Wissenschaftler fanden eine Umgebung und Möglichkeiten, um ihre Aufgaben fortzusetzen, um sich beruflich zu verwirklichen, um in einem Lande Forschungen durchzuführen, wo die Wis­senschaft die Grundlage für die all­gemeine Kultur und Bildung und für die große industrielle Entwicklung ist. Namen und Personen, die wir Chilenen so lieben wie die von Salvador Allende, Pablo Neruda und Luis Emilio Recabarren, sind heute allen Bürgern der DDR bekannt.

Der proletarische Internationalismus, der hier mit besonderer Hingabe geübt wird, ist das Prinzip, das die Solidarität des sozialistischen Deutschland mit all den Ländern bestimmt, die um ihre Freiheit kämpfen, auf welchem Kontinent auch immer es sei. In diesem Zusammenhang hat Chile all den großzügigen Beistand der DDR erhalten, die die Kraft unseres Volkes kennt und weiß, daß es früher oder später seine Freiheit zurückerobern wird. Schließlich möchte ich noch einen anderen Sektor nennen, wo die Solidarität des Volkes der DDR breit und vorbildlich ist. Ich meine das Nachrichtenwesen. Ihre Massenmedien, die so viel über die Chile­nen berichten, haben uns Mut gemacht. Vor kurzem hat die DDR in Berlin und Rostock den Band „Die chilenischen Dich­ter kämpfen gegen den Faschismus“ her­ausgebracht. Nicht zuletzt wurde eine Reihe von Filmen hergestellt, die die Kenntnis über das wirkliche Chile in die Welt tragen. Die Kenntnis sowohl über das kämpfende Chile als auch über die Brutalität, die versucht, die Sehnsucht des Volkes zu ersticken, frei und unabhängig den Weg zum Sozialismus zu gehen. Das Studio Heynowski & Scheumann und auch die anderen großen Dokumentaristen haben Kurz- und Langspielfilme gedreht. Von ihnen möchte ich besonders einen hervorheben. Er heißt „Landsleute‘‘ und gibt die letzte Rede wieder, die Präsident Allende kurz vor seinem Tod hielt.

Heute können wir dem Genossen Allende sagen: Dein Volk hat sich nicht gebeugt und kämpft mutig, um die Demokratie in Chile wiederherzustellen und bis zum Sozialismus zu gelangen.

Graphik: Hector Tobar

„Ich habe die Gewißheit,
daß die Saat, die wir in das
würdige Bewußtsein Tausender
und aber Tausender Chilenen
gepflanzt haben,
nicht herausgerissen werden kann.
Sie haben die Gewalt,
sie können uns unterjochen.
Aber die sozialen Prozesse
kann man weder durch Verbrechen
noch durch Gewalt aufhalten.
Die Geschichte ist unser,
sie wird von den
Völkern geschrieben.“

Dr. Salvador Allende,
am 11. September 1973

Graphik: Hector Tobar